Von den Besten lernen. Immer eine kluge Entscheidung. Das spart bekanntlich meist sehr viel Zeit, du kommst in der Regel schneller ans Ziel. Kurz vorm King of the Lake sprach ich mit drei teils sehr erfolgreichen Athleten über das Zeitfahren rund um den Attersee. Wie trainieren sie? Wie gehen sie das Rennen an? Mit wie viel Zeitfahrkilometern reisen sie nach Oberösterreich?
Ende September, es ist wieder soweit!
1.200 Starter schicken sich an, beim seit Monaten ausverkauften King of the Lake, auf den exakt 47,3 km (siehe mein Strava Link 2016) mal so richtig einen rauszuknallen. Etwas über eine Stunde – je nach Konstitution – an der eigenen Schallmauer (FTP). Im Zeitfahren, der Königsdisziplin des Radsports.
Ob als Profi oder Jedermann: Im Zeitfahren hast du mit Normalgewicht die Gelegenheit, dich für all die unterjährigen Demütigungen in den Bergen zu revanchieren. Denn die gut 47 km und 285 Höhenmeter können auch von Fahrern mit Normal-BMI gemeistert werden. Die Relation „Watt pro kg“ fällt hier weniger „schwer“ ins Gewicht.
Wie geht man das Zeitfahren rund um den Attersee am schlauesten an? Welche Strategie empfiehlt sich, um nicht am Ende, dann, wenn die kleinen fiesen Hügel mit zweistelligen Prozentzahlen kommen, das große Schlottern und Zucken zu bekommen?
Ich sprach dazu mit drei Athleten, die den KOTL teils schon sehr erfolgreich bestritten haben:
- Adelheid Schütz – mehrfache Siegerin (Zeit 2016: 1:06:28)
- Barbara Mayer – top Jedermann-Frau aus Österreich (Bestzeit: 1:08:50 in 2014)
- Wolfgang Götschhofer – Sieger 2016 (Zeit 2016: 1:00:56)
Wie viel Zeitfahrkilometer hast du in 2017 in den Beinen?
Adelheid Schütz:
ZeitfahrRENNkilometer waren es weniger als 150 km in 2017. Aber dazu kommen noch viele Stunden, in denen ich in Aeroposition trainiert habe, die meisten davon auf der Rolle. Um ein Gefühl für die Straßenlage in Aeroposition zu bekommen, habe ich in Zeitfahrposition knapp 700 km draußen absolviert.
Barbara Mayer:
Beim Zeitfahren habe ich „nur“ Rennkilometer, ca. 350 km (inklusive das Race Around Austria).
Wolfgang Götschhofer:
Auf dem Zeitfahrrad habe ich ca. 5.000 km in den Beinen in diesem Jahr.
Hast du in 2017 auch an anderen Zeitfahren teilgenommen? Welche?
Adelheid Schütz:
Ja, das Zeitfahren ist meine Spezialdisziplin. Mein größter Erfolg in diesem Jahr war der Sieg im Einzelzeitfahren bei der Amateurweltmeisterschaft in Albi (Frankreich). Neben kleineren Wettbewerben, wie dem „Tag der Arbeit“ in Weiden habe ich auch in diesem Jahr die Bayerische Zeitfahrmeisterschaft gewonnen – zum 9. Mal in Folge!
Barbara Mayer:
Staatsmeisterschaft EZF, dort landete ich auf dem 5. Platz (war ich nicht zufrieden mit) und Elite EZF in Ybbs/Donau (2. Platz).
Wolfgang Götschhofer:
Ja, beim EZF in YBBS, beim EZF und PZF in Mörbisch, beim EZF der Bayrischen Meisterschaft und dem EZF der Tour de Kärnten. Dann noch beim EZF Bierbaum (Röhsler Cup) und abschließend beim EZF Almsee (ÖM Elite).
Was reizt dich am King of the Lake? Kannst du das den Lesern schildern?
Adelheid Schütz:
Das tolle Ambiente am Renntag und die wunderbare Urlaubsregion machen den KOTL zu etwas ganz besonderem. Hinzu kommt die sehr professionelle Organisation und die mediale Beachtung des Rennens. Beim KOTL passt einfach alles.
Für mich ist der KOTL auch immer ein gelungener Saisonabschluss gewesen. Wenn ich die warmen Farben des Herbstlaubs an mir vorbei rauschen sehe, mein Blick von der wilden Schönheit des langsam aufsteigenden Morgennebels über dem Attersees gebannt wird, ich ein letztes Mal „noch einmal alles gebe“, beende ich die Rennsaison mit dem wunderbaren Gefühl, das Beste aus Talent und Trainingsfleiß gemacht zu haben.
Barbara Mayer:
Ein faires Einzelzeitfahren ohne Verkehr. Bei dieser Wahnsinnskulisse ist die Teilnahme einfach ein Muss. Ich bin ja auch gebürtige Attergauerin.
Wolfgang Götschhofer:
Der KOTL ist mein Heimrennen, ich wohne nur 2 km vom Attersee entfernt, das macht es natürlich umso wichtiger für mich. Es ist einfach toll das größte und schönste Zeitfahren direkt vor der Haustür zu haben. Man kann den Atterbikern zu dieser Veranstaltung nur gratulieren!
Im letzten Jahr wurde ich nach der Disqualifikation des Siegers nachträglich als Gewinner erkoren, was ein langersehnter sportlicher Traum von mir war.
Worauf muss man beim KOTL achten? Worin liegt die Gefahr?
Adelheid Schütz:
Wichtig ist, sich noch etwas Kraft für die zweite, deutlich schwierigere Streckenhälfte aufzuheben. Klar, es ist verführerisch, gleich vom Start weg auf den geraden und beidseitig gesperrten Streckenabschnitten zu rasen, aber wer weit über seine Schwelle geht, wird es bitter bereuen. Für mich fühlt es sich wie eine Ohrfeige an, von einem Fahrer „zurücküberholt“ zu werden, das versuche ich zu vermeiden.
Bummeln darf man trotzdem nicht.
Barbara Mayer:
Das Rennen gestaltet sich für mich in zwei Hälften: Der erste Teil ist fast flach und sehr schnell, der zweite Teil ist kupiert und fordert noch einige Körner am Ende. Was also bedeutet, dass man sich auf der ersten Hälfte nicht komplett auspumpen sollte.
Wolfgang Götschhofer:
Auf der ersten Hälfte muss man mit seinen Kräften haushalten, um noch genug Körner für die zweite Seite über zu haben. Aerodynamik ist auf diesem Kurs auch wegen seiner Länge ein wesentlicher Punkt, Kleinigkeiten in Position oder Material können hier den Unterschied ausmachen.
Bist du in 2017 auch bei anderen Rennen/Rad-Marathons gestartet?
Adelheid Schütz:
Ja, bei der Oberfränkischen Bergmeisterschaft, der Bayerischen Bergmeisterschaft und das 100 km lange Straßenrennen bei der WM in Albi.
Wolfgang Götschhofer:
Ich bin von März bis Juni bei ca. 15 Rennen mit meinem Team, MELASAN SPORT, am Start gewesen: einige Lizenzrennen, Tour de Kärnten, Red Bull Ring Attacke etc. Beim Mondsee Marathon hatte ich dann einen schweren Sturz, bei dem ich mir in der Abfahrt von der Postalm bei ca. Tempo 90 schmerzhafterweise 10 Knochen gebrochen habe (Link).
Die Folge waren zwei Wochen Krankenhaus und weitere drei Wochen ohne Training. Der King wird mein erstes Rennen nach dem Unfall sein, ein kleines „Comeback“ nach drei Monaten Rennabstinenz.
Mit welchem Rad wirst du beim KOTL an den Start gehen?
Adelheid Schütz:
Ich starte wieder mit meinem altbewährten Zeitfahrer – und natürlich mit Scheibe. Denn Scheibe geht immer. Ich finde die Strecke nicht seitenwindanfällig, darum fahre ich vorn eine Hochprofilfelge.
Der KOTL ist eine echte Aerostrecke, hier ist man gut beraten, so windschnittig wie irgend möglich zu fahren, auch wenn man dabei ein paar Watt einbüßt.
Apropos Watt: In diesem Jahr möchte ich ohne Leistungsmesser fahren, weil dieser immer zu wenig anzeigt. Da ärgere ich mich nur.
Barbara Mayer:
Mit einem echten Zeitfahrer von Debello – UCI tauglich. Das Rad kommt aus Mondsee, also auch heimisch. Und das Ganze mit Scheibe, aber ohne Wattmesser.
Wolfgang Götschhofer:
Da ich mir beim Unfall auch einen Halswirbel gebrochen habe, kann ich derzeit noch nicht in einer tiefen Aero-Position fahren. Die Schmerzen im Nacken sind einfach noch zu hoch. Ich habe mich deswegen dazu entschlossen in der Rennrad-Wertung an den Start zu gehen.
Dabei sein ist beim „King“ einfach alles ☺
Starten werde ich mit einem S-Works Aero-Rahmen ohne Auflieger und ohne Scheibe, jedoch mit 808er Zipps. Den Wattmesser habe ich derzeit noch ausgeschaltet, es fehlt einfach noch zuviel nach dem Unfall, das würde mich nur demotivieren.
Würdest du ein Aero-Fitting für den KOTL in Betracht ziehen?
Adelheid Schütz:
Aerofitting ist für Zeitfahren immer sinnvoll. Jedoch ist mein Rad im Rahmen des von der UCI erlaubten optimiert, so dass ich nichts für ein Rennen umbauen würde.
Wolfgang Götschhofer:
Ich bin schon längere Zeit auf der Suche nach einem Aero-Fitting, leider hab ich das passende noch nicht gefunden. Heuer im Winter sollte es aber soweit sein.
Hast du für den KOTL dediziert trainiert? Wie?
Adelheid Schütz:
Ja, ich fahre die Strecke auf KinoMaps nach, damit ich verinnerliche, wie viel ich in welchem Streckenabschnitt geben kann.
Wolfgang Götschhofer:
Ich kann erst seit einem Monat wieder strukturiert trainieren, da ist es natürlich unmöglich, sich gut auf so ein langes Zeitfahren vorzubereiten. Ich habe aber versucht viel auf der KOTL-Strecke zu trainieren und bin schon einige Einheiten im Kraftausdauerbereich sowie an der Schwelle um den See gefahren, um die Leistung für die lange Dauer halten zu können.
Mein Hauptaugenmerk hab ich aber auf die Aerodynamik sowie auf die Einteilung gelegt. Ein dezidiertes Zeitfahrtraining mit genauen Wattbereichen, wie ich es normal mache, war noch nicht möglich.
Ich habe vor das ganze nach Gefühl anzugehen und bin schon richtig gespannt was dabei raus kommt.
Was ist dein Ziel? Welche Zeit planst du?
Adelheid Schütz:
Je nach Wetter zwischen 1:04 Stunden (Tiefdruck, warm, windstill, trockene Straßen) und 1:10 Stunden (Regen).
Barbara Mayer:
Mein Ziel ist es heuer, meine persönliche Bestzeit zu unterbieten. Das bedeutet, ich müsste den KOTL mit über 41 km/h fahren. Ich bin schon gespannt und kann es kaum erwarten nach meiner Babypause nun endlich wieder ganz allein dort zu starten.
Wolfgang Götschhofer:
Nach so langer Zeit ohne Rennen kann ich überhaupt nicht einschätzen, wie schnell oder langsam ich sein werde. Erwartungen habe ich keine, ich möchte in erster Linie Spaß haben und bin unglaublich froh und dankbar, dass ich bereits in diesem Jahr beim KOTL wieder dabei sein kann.
(c) Fotos im Artikel: Sportograf
Weiterführende Links:
– Aero-Fitting mit STAPS in Augsburg (Link)
– Übersicht der Institute für Leistungsdiagnostik & Bikefitting (Link)
– mein King of the Lake Rennen in 2016 (Link)
– der Fall des Igor Kopse (vermeintlicher positiver Dopingtest beim KOTL 2016) (Link)
– Interview mit Organisator Erwin Mayer (Link)
– Erfahrungsbericht zum Zeitfahrrad Canyon Speedmax (Link)