SpeedVille Leser Wolfgang Malek kann man wahrlich nicht als Tretviech bezeichnen: 58 kg leicht und mit einer in Relation sehr, sehr starken FTP von 260 Watt ausgestattet. Eine echte Waffe in den Bergen! Dass diese Relation, die knapp 4,5 W/kg beträgt, bei einem flachen Zeitfahren wie dem King of the Lake weniger stark ins Gewicht fällt, sollte er auf den gut 47 km um den Attersee schnell spüren.
Immer wieder schön, solche Momente!
Ich stehe mit meiner Kamera beim King of the Lake und halte konzentriert Ausschau nach den geilsten Aero-Bikes für meine spätere Bikeporn Galerie, als mich ein kleiner, etwas unscheinbarer Kerl mit österreichischem Akzent anspricht.
„Du musst Daniel von SpeedVille sein?“
„Das ist korrekt.“
„Ich bin’s, der Wolfgang, hab dich an der Kappe erkannt!“
„Sehr cool. Hat also geklappt.“
Ein paar Tage zuvor hatte ich Wolfgang noch per Telefon mein Erkennungsmerkmal genannt. Aufgrund jahrelangem Haarausfall, trotz treuer Alpecin Nutzung, musste die Kappe auf die Birne.
Darf ich kurz vorstellen? Wolfgang Malek.
Nachdem klar war, dass ich u.a. wegen disziplinloser Lebensführung nicht beim King of the Lake an den Start gehen konnte, stimmte ich mich Coach Philipp Diegner ab und wir schickten einen seiner Athleten, den filigranen Bergfloh Wolfgang statt Abrissbirne Müller an den Attersee.
Ein sehr interessantes Experiment. Da kann man bestimmt ne geile Geschichte draus stricken.
Denn Wolfgang Malek, keine 60 kg schwer und mit einer Schwellenleistung von knapp 4,5 W/kg logischerweise in den Bergen zu Hause, äußerte gegenüber Philipp schon sehr lange den Wunsch, einmal bei einen Zeitfahren – auch wenn es seiner körperlichen Konstitution nicht wirklich entgegenkommt – an den Start zu gehen. Einmal beim Kampf gegen die Uhr – und sich selbst –, schauen, was man aus dem Körper rausholen kann.
Klingt spannend, da simma dabei!
Es folgte ein bisschen Small-Talk, zu mehr war Wolfgang in der Situation auch nicht in der Lage, dann ging es für ihn samt Simplon Bike auch schon auf die Rampe, die erbarmungslos alle 30 Sekunden einen Fahrer per Piep-Countdown ins Rennen entlang der FTP feuerte.
Piep, piep, piep – und Wolfgang hatte schon nach wenigen Sekunden Milchsäure in den Beinen.
Und jetzt folgt die Auswertung mit Philipp Diegner.
Das ist drin für dich:
- Wolfgangs Leistung: 1:17 Stunden trotz 4,18 Watt im Schnitt
- im Vergleich: Georg Preidler vs. Tretviech Müller vs. Bergfloh Wolfgang
- Georg Preidlers fantastische Aerodynamik
- Wolfgang über seine Erfahrungen beim KOTL Zeitfahren im Kurzinterview
Wolfgangs Leistung in der Analyse
Der King of the Lake ist nicht nur wegen seiner tollen Szenerie und den abgesperrten Straßen ein ganz besonderes Zeitfahren. Der Kurs ist sehr schnell, nicht zu technisch und damit der ideale Test für Leistungsfähigkeit und Material über 60-75 Minuten – das Komplettpaket des Zeitfahrers! Dazu kommen einige kurze Anstiege, die den Rhythmus der Teilnehmer unterbrechen können. Hier droht, dass man sich zu lange im roten Bereich aufhält, über der Schwelle (IANS), und sich davon nicht mehr erholt!
4,18 W/kg im Schnitt
Wolfgang war zum ersten Mal bei einem solchen Test gegen die Uhr dabei – in der Kategorie mit Straßenrad! Das Leichtgewicht aus München hat eine starke Schwellenleistung von knapp 4,5W/kg. Bei 58 kg sind das jedoch nur 260 W und damit eigentlich keine tollen Voraussetzungen, um in einem ziemlichen flachen Zeitfahren eine gute Zeit aufzustellen.
Wolfang macht das Beste daraus und eine Zeit von 1:17:41 kann sich sehen lassen: 36,5 km/h auf dem Rennrad. Dabei sind seine Leistungswerte klasse. Mit 243 W (4,18 W/kg!!) im Schnitt fährt er für über 75 Minuten in der Nähe seiner Schwelle und der Leistungsoutput ist sehr stetig.
Wie es in einem solchen Zeitfahren auch sein sollte, baut er zum Ende kaum ab und kann auf den letzten Metern sogar nochmal zulegen! Zwar hält er sich nicht ganz an seine Vorgaben, es etwas konservativer anzugehen, aber am Ende geht es sich aus.
„In der Realität schaut das dann so aus, dass alle vor dir von der Startrampe aus den ersten Hügel hochdonnern, als wäre das ein kurzes Bergzeitfahren. Ich habe versucht, es nicht ganz zu übertreiben, nahe an der Pacing Strategie sieht jedoch anders aus“, so Wolfgang selbstkritisch nach dem Rennen.
Profi vs. Jedermann und Bergfloh: Der Vergleich
Zum Vergleich mit Wolfgang stehen uns unter anderem die Daten von Daniel zu Verfügung, der im letzten Jahr noch selbst am KOTL teilnahm. Seine Zeit in 2016: 1:06:28 Stunden mit 302 Watt im Schnitt und 42,7 km/h!
Eine richtig starke Leistung!
Daniel war zu diesem Zeitpunkt in Topform und seine in absoluten Werten deutlich höhere Leistung zahlt sich hier aus. Relativ zum Gewicht waren es bei ihm zwar „nur“ 3,72W/kg, aber er fuhr zusätzlich ein Canyon Speedmax Zeitfahrrad – das sparte ihm einige Minuten ein.
Auch Wolfgang lernte die Zeitersparnis durch gute Aerodynamik kennen: „Ein Fahrer mit einem TT Bike fährt vor mir den Hügel runter, nimmt die Beine hoch und zieht davon, obwohl ich 230 Watt trete!“
Wie viel eine tolle Position auf dem Rad mit dem besten Material und Weltklasseleistung ausmachen kann, zeigt der Österreichische Zeitfahrmeister Georg Preidler von Team Sunweb. Er stellt in der Elitekategorie einen neuen Rekord auf. 55:58 min, das ist mehr als eine Minute schneller als der letztjährige Rekord von Riccardo Zoidl aus dem Vorjahr.
Der World Tour Profi ist auf knapp 47 km 38,75% schneller als Wolfgang auf dem Rennrad und 18,7% schneller als Daniel!
Was bringt ein Eliteathlet dabei für eine Leistung?
Bei „Preidi“ sind es 365 Watt für einen Schnitt von deutlich über 50 km/h! In Watt pro Kilogramm macht das 5,37 W/kg. Und das ist nicht alles, was er kann. In Topform, während der großen Rundfahrten und der Klassikersaison, bringt er vermutlich noch 0,2 bis 0,4 W/kg mehr auf die Pedale – über den gleichen Zeitraum!
Wahnsinn ist auch seine aerodynamische Effizienz!
So ist er z.B. fast 6 Minuten schneller als der Jedermann auf Rang 5, Markus Westhäuser. Dabei erbringt auch er über 330 W für eine Zeit von 1:01:34! Bei ihm sind es also 46,0 km/h im Schnitt gegenüber 50,6 km/h beim Österreichischen Meister – bei den Profis stimmt nicht nur die Leistung, die Differenz zeigt auch auf, wie wichtig ein perfektes Aero-Setup in der Weltspitze ist und wie viel Potential bei Position und Equipment verborgen liegt.
Fazit
Für Wolfgang war es bereits in diesem Jahr eine tolle Leistung und die Motivation ist da, sich jetzt auch auf Zeitfahren zu spezialisieren und im nächsten Jahr beim KOTL topvorbereitet am Start zu stehen. „Einige Zeitfahrräder habe ich mir schon angeschaut“! In diesem Fall werden bei ihm deutlich mehr harte, lange Intervalle auf dem Trainingsplan stehen – leiden für die Zeitfahrpace im 90-105% Bereich und die Schwelle weiter nach oben verschieben!
Das tolle am Zeitfahren: Es liegt nur an der eigenen Leistung, Vorbereitung und dem Material. Äußere Faktoren sind irrelevant.
Wie hat er sich gefühlt? Ist er zufrieden mit seiner Leistung? Oder ärgert er sich, dass trotz knapp 4,2 W/kg keine bessere Zeit am Ende raussprang?
Ich habe Wolfgang ein paar Fragen gestellt..
Wolfgang über sein erstes Zeitfahren
Wolfgang, du hast in Relation mehr Watt als ich im letzten Jahr getreten, warst am Ende aber ca. 11 Minuten langsamer. Bist du trotzdem zufrieden mit deinem KOTL 2017?
Wenn ich mir die Zeit anschaue, ist sie objektiv gesehen nicht besonders, aber ich hatte auch mit keiner besseren gerechnet. Trotzdem bin ich mit meiner Leistung sehr zufrieden, da ich bis auf 15-20 Watt an meine Leistungswerte herangekommen bin, die ich auch am Berg treten kann.
Gerechnet hatte ich mit mehr Differenz und mit einem stärkeren Abfall der Leistung über die Renndauer. Danke an Philipp, vor einem Jahr hätte ich das nie so gut hinbekommen! Dass ich in Relation mehr Watt getreten habe wie du, ist für die Vergleichbarkeit ganz interessant, aber wie du letztes Jahr bewiesen hast, zählen beim King of the Lake: Power, Aerodynamik und natürlich Leidensfähigkeit.
Mit deinem sehr niedrigen Gewicht (Sub 60 kg) und der guten W/kg Power bist du ein Mann für die Berge. Was hat dich dennoch am KOTL gereizt?
Ich bin noch nie ein Einzelzeitfahren gefahren und wollte einfach mal wissen, was unter Rennbedingungen in der „Ebene“ über mehr als eine Stunde, ohne Windschattenspiele und paralleller Verkehrs- und Mitfahrerbeobachtung, machbar ist. Wo sonst kannst du dich über 47 km rein auf die Strecke und deine eigene Pace konzentrieren?
Vielleicht gibt es so etwas im Lizenzbereich, aber ich denke der King of the Lake ist hier schon einzigartig und ein wunderschönes Event. Großes Kompliment an den Veranstalter und die Region Attersee.
Philipp sagt, dass du im nächsten Jahr wieder an den Start gehen willst. Dann aber nur mit Zeifahrrad?
Ja, klar mit einem Zeitfahrrad. Mit dem Rennrad und mit meiner körperlichen Statur einen 40er Schnitt hinzulegen, da müsste ich so knapp 5 w/kg im Durchschnitt treten. Dass wäre natürlich perfekt, ist dann aber doch eher Wunschdenken.
Auf dem Zeitfahrrad stehen die Chancen schon besser. Ich bin schon bei der Recherche welches Rad es werden soll, also Daniel, sei mental vorbereitet, wenn ich nächstes Jahr an dir vorbeirausche ;-)
Mir läuft’s grad das Bein runter… Hat dein Rücken die knapp 80 Minuten in Unterlenkerstellung ohne „Murren“ mitgemacht?
Im Großen und Ganzen ja, wobei es eine Mischung aus Unterlenkerhaltung und einer tiefen Haltung auf den Schaltgriffen war. Gegen Ende wurde die Haltung dann immer aufrechter, das war aber weniger dem Rücken, als der Atmung geschuldet.
Wenn ich mir die Sportograf-Fotos ansehe, war die Haltung dann schon viel aufrechter als gefühlt. Position ist definitiv ein Thema, welches man vorher auch im oberen Lastbereich öfters ausprobieren sollte. In der Grundlage ist eine gute Position nicht schwierig, aber bei über 47 km an der Leistungsgrenze sieht die Welt etwas anders aus.
Abschlussfrage: Beschreib uns mal wann/wie du das Wintertraining angehst. Trainierst du mit Zwift? Crosser? Fitnessstudio?
Ich mach ja keine wirklich Off-Season, dafür sitze ich zu gerne auf dem Rad und die Trainingsbelastung ist bei mir über das Jahr gesehen auch nicht so hoch, dass es unbedingt sein müsste, aber im Herbst einfach mal relaxed nur durch die Gegend zu gondeln oder mit den Kids Isar mehr Trails zu fahren, ist schon auch eine coole Sache.
Ins strukturierte Training einsteigen werde ich dann gegen Ende Oktober. Die intensiven Einheiten, von den gibt es bei mir im Wintertraining genug, fahre ich alle Indoor auf ZWIFT mit einem Tacx Neo und am Wochenende ist dann eine Trainingsausfahrt mit den Kollegen vom RV Sturmvogel geplant.
Richtige lange Grundlageneinheiten gibt es bei mir auch über das Jahr gesehen fast nie. Dafür fehlt einfach die Zeit.
Mal schauen, was das Leben zur weiteren Planung so meint. Mein Rettung ist meist der Indoor-Trainer, auf dem ich ca. 1/3 meiner Jahrestrainingszeit verbringe. Ein Crosser wäre natürlich auch eine schöne Sache, aber jetzt steht erst mal ein Zeitfahrrad auf der Liste.
Weiterführende Links:
– Interview mit KOTL Organisator Erwin Mayer (Link)
– der vermeintliche Dopingfall des Igor Kopse in 2016 beim KOTL (Link)
– drei Sieger des KOTL im Interview (Link)
– die sexiesten Aero-Bikes vom King of the Lake 2017 (Link)
– meine Teilnahme in 2016 (Link)
– Zeitfahrmonster Christian Müller im Interview (Link)
– Übersicht der Leistungsdiagnostik-Institute in deiner Nähe (Link)