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Christian Müller: „Ich bin dann um 3:30 Uhr morgens aufgestanden und habe für 3-4 Stunden trainiert.“

by Daniel

[…aus den Interview Sessions #008] In gefühlt jedem dritten Rennbericht der GCC-Serie der letzten Jahre stolperte ich über seinen Namen: Christian Müller – ein echtes Powerhouse made in Sachsen. Dem 29-jährigen Richter gelang das Kunststück, den UCI Jedermann-WM-Titel nach Deutschland zu holen – sowohl im Zeitfahren, als auch im Straßenrennen.

Christian Müller

UCI-Amateurweltmeister Christian Müller

Was ist das für ein Kerl, der zunächst für Bürstner-Dümo und anschließend Team Merkur die Jedermannszene zerpflückte, bevor er sich in dieser Saison entschloss, ohne Mannschaft und Trainingspläne zu agieren und dafür mal in den Triathlon reinzuschnuppern.

Just for Fun, ganz entspannt, wie er sagt.

Nee, is klar… Denn wer die jüngsten Ergebnislisten studiert, dem springt der Name Christian Müller wieder ins Gesicht. So ganz lassen kann er es dann doch nicht.

Christian Müller im Interview

Du bist 29 und Radsportrentner. Was ist da los?
(lacht) Radsportrentner ist ein bisschen zu krass ausgedrückt, aber ja, ich fahre nicht mehr so aktiv und ambitioniert, wie ich das vielleicht die letzten Jahre gemacht habe. Ab und zu fahre ich noch ein Radrennen mit, aber wirklich nur noch Just for Fun.

Wie viele Rennen in etwa?
Ich bin in diesem Jahr erst zwei Radrennen gefahren – die anderen Jahre wären es jetzt wahrscheinlich schon 25 gewesen. Aber du hast Recht: Radsportrentner trifft es doch ganz gut.

Was war der Grund, dass du gesagt hast, ok, ich mach mal ein bisschen ruhiger?
In den letzten Jahren habe ich es schon sehr intensiv betrieben – intensiv und auch viel. Alles wurde hinter dem Radsport angestellt: Ganz simple Dinge, wie mal im Februar eine Woche Skifahren, feiern gehen oder mit Freunden in der Woche was zu unternehmen. Das gab es eigentlich so alles nicht.

Klingt nach Profi, klingt nach Tunnel…
Ja, schon sehr intensiv. Da gab es auch so lustig, skurrile Geschichten, als ich meiner Mama zu Weihnachten erklären musste, dass ich mich morgens um 7 Uhr aufs Rad setze, damit ich zum Mittagessen wieder zurück bin. Das kann man natürlich als „normaler Mensch“ schwer verstehen. Irgendwann hast du aber genug und willst die andere Seite des Lebens wieder genießen.

Und das alles, obwohl du nicht musstest…
Genau, ich musste ja nicht, aber ich wollte gut sein – und dann musst du halt viel trainieren. So ist der Radsport.

Das ist der Unterschied zum Fußball, wo es auch mal reicht, das gewisse Auge zu haben…
Es gibt Radsportler, die haben unheimlich viel Talent, die trainieren vielleicht ein Viertel von dem, was ich trainiert habe und hängen mich trotzdem locker ab. Aber ich hatte nicht so das Talent, deshalb musste ich wahrscheinlich immer sehr viel trainieren, damit es einigermaßen vorwärts ging.

Wie viel hast du ungefähr im Schnitt pro Woche trainiert?
Pro Woche ist es schwierig zu sagen, es hängt ja immer von der Saisonphase ab – in Summe waren es 20.000-25.000 km im Jahr.

Alter Schwede…
In der Woche so 300-500 km – je nach Saisonphase halt.

Christian Müller

Foto: Maria Wilke

Und hat die Mama dann irgendwann zu dir gesagt, Mensch, Christian, jetzt überlege doch mal, was du da eigentlich machst?
Nein, meine Eltern haben mich immer voll unterstützt. Also von Anfang an, auch als ich noch Student war, das ist ja auch eine finanzielle Frage. Radsport ist bekanntlich nicht grade billig, kostet ja alles Geld. Da standen die immer hinter mir. Aber meine Mutti hat dann schon mal gefragt, wie lange willst du das denn eigentlich noch machen?

Ich habe dann immer gesagt, naja irgendwann kommt der Punkt, an dem ich von heute auf morgen aufhören werde – dann triffst du vielleicht mal den Richtigen und dann hörst du vielleicht auf. Ich hatte schon geahnt, dass es so eine innere Geschichte wird, so war es dann am Ende auch.

Oder die Richtige…
Genau, oder die Richtige.

Blöde Frage, bist du nur Jedermann-Rennen gefahren oder auch Lizenzrennen?
Ich war von Anfang an immer im Verein und hatte entsprechend immer eine Lizenz. Aber grundsätzlich war ich der klassische Quereinsteiger. Mit 18 habe ich überhaupt erst angefangen mit dem Rad fahren, ich hatte mich ganz normal in einem Verein angemeldet und die Lizenz gezogen – und schwupps warst du in der Eliteklasse.

Das Problem bei uns im Osten war aber, dass die Klassen bei den Rennen zusammengewürfelt waren: Von C-Lizenz bis teilweise KT oder A-Lizenz. So reine Zielrennen, wie das im Westen üblich ist, die gab es zu der Zeit nicht. Und klar, wenn du als relativ untrainierter Radfahrer dort an den Start gehst, dann fährst du bei so einem Kriterium zwei Runden mit und dann wirst du schnell abgehangen – entsprechend doof, wenn du extra 200 km zu einem Radrennen gefahren bist und du dann nach 2 km dann wieder aufhören kannst.

Klar, Spaß ist was anderes…
Schnell hatte ich dann die Jedermannszene im Blick, dort fährt man auch ein bisschen langsamer – und so kam es, dass ich dann da mal dort mitgefahren bin.

Da warst du aber schnell einer der Besten?
Nein, das dauerte schon noch etwas. 2006 fing ich ja mit den Radrennen an sich an, und 2009 habe ich dann gedacht, komm, jetzt trainierst du mal vernünftiger, du willst ja auch mal vorne mitfahren. Und das ging dann beim Jedermannrennen auch relativ schnell. Wenn du fleißig trainierst, bist du da auch recht schnell vorne mit dabei.

Deine Paradedisziplin war das Zeitfahren, korrekt?
Ja, das war recht schnell offensichtlich, dass das Zeitfahren mir liegt: Ich bin recht groß und auch nicht der Allerleichteste – da blieb mehr oder weniger nur auf der Ebene schnell zu fahren. Zudem machte es mir immer Spaß, am Rad rumzuschrauben und hier und da noch was zu optimieren. So bot sich mit der Zeit das Zeitfahren immer mehr an.

Ich habe mir einige Rennberichte durchgelesen, und da fiel immer auf, dass deine Mitfahrer froh waren, wenn du bei ihnen in der Gruppe warst. Entweder, weil die Fluchtgruppe dann mehr Chancen hatte oder die Verfolgung auf die Spitze schneller ging.
Ich bin tatsächlich nicht der klassische Sprintertyp und immer ziemlich offensiv gefahren. In der Spitzengruppe fahren, das war eher mein Ding. Vorne raus fahren, immer hohes Tempo. Durch meine Affinität zum Zeitfahren konnte ich die Leistung auch ziemlich lange halten. Dadurch kamen ein paar Siege oder zumindest sehr gute Platzierungen zustande.

Also ein kleiner Tony Martin.
In Relation natürlich deutlich langsamer – aber ich würde mir zumindest zutrauen, besser zu sprinten als er. (lacht)

Christian Müller

Foto: Maria Wilke

Du bist am Schluss für Merkur gefahren, davor für Bürstner, das sind ja zwei der ambitionierteren Jedermann-Teams. Wie würdest die Zeit dort beschreiben?
Zuerst muss ich mal sagen: Alle, die da fahren, arbeiten ja auch noch ganz normal. Von daher musst du schon ziemlich viele Kompromisse eingehen, kannst es natürlich überhaupt nicht mit einem Profiteam vergleichen. Das fängt schon bei der Anreise an, wenn du dich am Tag vor dem Rennen triffst, da kommen die Fahrer manchmal über den ganzen Teil verteilt. Der eine musste noch arbeiten, der andere hat noch Familie, die ja auch noch was von ihm haben möchte. Es gab da eher eine grobe Organisationsstruktur. Aber du hattest bei Problemen immer deinen Ansprechpartner, und der hat sich dann um alles weitere gekümmert, das war schon super.

Rein von den Rennen her, war das schon etwas professioneller. Du hast dich vorher zusammengesetzt, hast überlegt, wie wollen wir das Rennen fahren, wie wollen wir es angehen und hast dann natürlich versucht, die Taktik im Rennen umzusetzen.

Was war dein persönliches Lieblingsrennen?
Was so richtig, richtig schön ist, den ich auch echt gerne fahre, das ist der RiderMan, wobei das für mich schon fast zu schwer ist, du fährst halt durch den Schwarzwald, und das ist sehr anspruchsvoll. Ich mochte immer eher so die Klassikerkurse. Es gab damals in Mecklenburg den Giro Benzin. Da ging es viel über kleinere Straßen, Windkante, also alles was so an belgische Frühjahrsklassiker erinnert.

Dann müsstest du Rund um Köln auch gemocht haben…
Fand ich auch gut, wobei du da mit den Anstiegen ganz schön zu tun hast, zumindest, wenn du die Bergfahrer in der Gruppe hattest, die da im Bergischen Land ordentlich aufs Tempo drücken. Da musst du tief in die rote Zone gehen, um einigermaßen dranzubleiben. Also war mir fast schon zu bergig, aber ging gerade noch.

Es gibt zwei Dinge, die kaum einer da draußen weiß. Das eine ist, du hattest früher richtig was auf den Rippen…
(lacht) Ja, das stimmt. Als ich in 2006 anfing, da hatte ich noch 40 kg mehr auf die Waage gebracht, 115-120 kg waren das. Den Radsport fand ich schon immer gut. Der klassische Beginn mit der Ulle-Zeit damals so Ende der 90er bis Anfang der Nuller. Als ich damals vorm TV saß, da habe ich gedacht, das muss doch echt geil sein, so die Berge da hochzufahren. Auch, obwohl ich die 120 kg hatte. So kam das damals mit dem Rad fahren. Klar, im Laufe der Zeit fuhr ich dann natürlich viel Rad und die Kilos purzelten nur so.

Das kann ich mir bei dir gar nicht vorstellen, dass du mal 120 kg gewogen hast. Echt krass.
Damals bei der Musterung, das war mein Höchstgewicht.

Hast du deine Ernährung ein bisschen angepasst oder ging es nur durch das Radfahren runter?
Klar, du hast dann schon mehr drauf geachtet, was du jetzt isst. Im Laufe der Jahre habe ich dann fast alles ausprobiert, es gab ja immer die verschiedensten Modeerscheinungen, wie man sich gerade ernähren soll. Jetzt esse ich wieder relativ normal, also fast alles. Ich lass nix mehr weg. Ich kann auch weiterhin meine Colorados essen, ohne zuzunehmen.

Colorado von Haribo?
Genau, du musst halt ein gesundes Maß finden, dann kann man es gut über die Menge steuern.

Stichwort Ernährung. Ich bereite mich ja gerade auf den Özi vor, den ich möglichst in unter 9 Stunden schaffen möchte. Da bin ich gerade mit Dr. Feil im Gange, das ist ein Ernährungsexperte aus dem Schwabenland..
(lacht) Den kenne ich gut, das habe ich auch gemacht, als ich 2015 Weltmeister geworden bin.

Fotos: Maria Wilke

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Dies war ein Auszug des Interviews mit Christian Müller aus dem aktuellen e-Magazin (PDF) Interview Sessions #008. Veröffentlichung war am 6. Juli 2017. Weitere Interviewgäste sind Willi Bruckbauer (BORA-hansgrohe Boss) und Emanuel Nösig (2. beim Ötztaler 2014).

>> HIER GEHT’S ZUM KOMPLETTEN INTERVIEW

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– hochwertiges PDF-Magazin
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Vorschau #008

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