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Im Vergleich: Um wie viel sind die Profis eigentlich besser als die Jedermänner beim Ötztaler?

by Daniel

6:30? 6:45? Vor dem Profirennen beim Ötztaler Radmarathon wurde eifrig orakelt, wie hoch oder niedrig die Siegeslatte hängen würde. Roman Kreuziger nagelte sie in einem mittelstark besetzten Profirennen auf 6:37 Stunden – zwanzig Minuten unterhalb der Marke des besten Jedermanns. Was können wir im direkten Vergleich Profis vs. Jedermänner lernen? Wo trennt sich die Spreu vom Weizen? Was macht den Unterschied wirklich aus?

Ötztaler Pro Rennen

Pro Ötztaler 5500 (Foto: Ötztal Tourismus)

Alter Schwede. Was müssen das für Tiere sein?

6:37 Stunden, die Sieger Roman Kreuziger für die gut 5.200 Höhenmeter benötigte, gefolgt von Tour-de-Suisse-Sieger Spilak mit 43 Sekunden Rückstand. Insgesamt bemerkenswert, dass die ersten 16 gerade einmal 10 Minuten trennt. Bei den Jedermännern schaffen es nur die ersten Sieben, den Rückstand auf maximal 10 Minuten zu begrenzen.

Und sind wir ganz ehrlich?

Das waren sicherlich ordentliche Rennfahrer, die in Sölden an den Start gingen, aber ganz sicher nicht die erste Garde der World Tour. Was würde wohl passieren, wenn Froome, Dumoulin & Co. an den Start gehen und das Rennen nicht der Pro Ötztaler 5500, sondern die Königsetappe der TDF wäre?

Philipp Diegner ist ziemlich sicher, dass die Zeit dann nochmal um 10-15 Minuten gesenkt würde. Dazu weiter unten mehr.

Aber, was nützt all der Konjunktiv: Wäre, wäre… Fahrradkette! (Loddars neues rhetorisches Glanzstück)

Heute vergleichen Philipp Diegner und ich die Profis mit den Jedermännern:

– kann man Ableitungen treffen, um wie viel die Profis besser sind?
– was sind die Erkenntnisse im direkten Vergleich?
– wo stecken uns die Profis in die Tasche?
– können sich die Profis was von den besten Jedermännern abgucken?

Ötztaler Pro Race
Pro Ötztaler 5500 (Foto: Ötztal Tourismus)

Durchschnittsleistung und Anstiege

Von Philipp Diegner

Der PRO-Race Ötztaler, der neue Rekord-Marathon und Daniels Wettkampf in Zahlen:

Ötztaler Pro Race
GESAMT-LEISTUNG:
  • Giuilo Ciccone (ITA) 58 kg – die Bergziege (Profi)
    • 6:39:07 Stunden
    • 221w (3.81w/kg)
    • NP: 261w (4.50w/kg)
  • Robert Petzold (GER) 63 kg – der Spezialist (Top-Jedermann)
    • 7:00:07 Stunden
    • 199w (3.16w/kg)
    • NP: 240w (3.81w/kg)
  • Daniel Müller (GER) 81 kg – der Jedermann, der gerne isst :-) 
    • 9:50 Stunden
    • 213w (2.63w/kg)
    • NP: 242w (2.98w/kg)
KÜHTAI
  • Giuilo Ciccone (ITA)
    • 54:03 Minuten – 290w (5,00w/kg)
  • Robert Petzold (GER)
    • 57:57 Minuten – 262w (4,16w/kg)
  • Daniel Müller (GER)
    • 1:22:10 Stunden – 276w (3.41w/kg) 
BRENNER
  • Giuilo Ciccone (ITA)
    • 1:02:12 Stunden
  • Robert Petzold (GER)
    • 1:12:24 Stunden
  • Daniel Müller (GER)
    • 1:25:24 Stunden
JAUFENPASS
  • Giuilo Ciccone (ITA)
    • 48:55 Minuten – 285w (4.91w/kg)
  • Robert Petzold (GER)
    • 49:57 Minuten – 273w (4.33w/kg)
  • Daniel Müller (GER)
    • 1:30:38 Stunden – 240w (2.96w/kg)
TIMMELSJOCH
  • Giuilo Ciccone (ITA)
    • 1:18:40 Stunden – 275w (4.74w/kg)
  • Robert Petzold (GER)
    • 1:23:23 Stunden – 264w (4.19w/kg)
  • Daniel Müller (GER)
    • 2:26:30 Stunden – 220w (2.71w/kg)

Analyse: Um wieviel sind die Profis nun besser?

Ausdauermonster in beiden Rennen

Insgesamt sind die Fahrer im PRO Race am Samstag etwas mehr als 20 Minuten und damit 5 % schneller als die stärksten Jedermänner gewesen – auf der gleichen Strecke. Ciccone erreichte den dritten Rang im PRO Race in 6:39 Stunden, gegenüber knapp 7 Stunden für den dritten Platz im Jedermannrennen! Den Unterschied machen sie vor allem an den Anstiegen im Finale, wenn die Besten aus der Arbeit ihrer Helfer heraus immer noch starke Leistungen erbringen können.

Beim Blick auf die Ausdauerleistung ist die Differenz zwischen Profis und Amateuren jedoch minimal. Trotz dessen, dass sich die Profis mehr im Feld verstecken, fallen bei Robert Petzold & Co. die Werte über die Dauer des Rennes nicht viel stärker ab, bei einigen gar weniger als beim Pro Ötzi!

Für die sehr lange Strecke sind Spezialisten wie Robert vielleicht sogar eher geeignet, der mit seinen Radmarathons etc. regelmäßig Ultradistanzen absolviert. Zeitlich ist das ein Bereich, in den die World Tour und Pro-Conti-Jungs nicht häufig gehen müssen! Robert Petzold liefert eine unglaublich konstante Leistung über 7 Stunden im Schatten der italienischen Bergflöhe – über alle Pässe fährt er mit ihnen mit.

Am Brenner zeigt sich im Vergleich, wie wichtig eine gute Gruppe hier sein kann. Das Peloton fliegt mit 1:02 Stunden hinauf und gewinnt alleine hier 10 Minuten gegenüber den besten Jedermännern.

Mehr Leistungsspitzen bei den Profis

Die Unterschiede in der Konditionierung äußern sich vor allem in der maximalen Leistungsfähigkeit an und über der Schwelle und der Resistenz gegen häufige Beschleunigungen. In den roten Bereich zu gehen ist für die Profis kein großes Problem, sie können sich davon eher erholen und kurze Attacken wiederholen. Dadurch bleibt auch das Tempo etwas höher.

VAM-Werte am Berg

VAM – Höhenmeter pro Stunde beim Bergauffahren – zeigen Werte von 1300-1400m/h im PRO Race und 1200-1300m/h bei Petzold und seinen Konkurrenten – beim Mittelfeld liegen sie zwischen 650-900. Die Fahrer, die am Sonntag die 7-Stunden Marke angreifen, sind inzwischen also auch am Berg richtig nah an der Weltspitze dran! Es fehlen noch 0,2 oder 0,3w/kg!

Für den normalen Hobbyathleten hingegen heißt es spätestens ab dem Jaufenpass meist einfach nur noch überleben. Mit den üblichen Trainingsumfängen ist es viel schwerer, die aerobe Konditionierung für Wettkämpfe jenseits der 5 Stunden zu erarbeiten. Daniels Leistung sinkt zum Beispiel vom Kühtai bis zum Timmelsjoch um knapp 20%. Das kostet viele Minuten oder gar Stunden!

Kurzinterview zum Ötzi-Vergleich mit Philipp Diegner

Ötztaler Pro Race

Foto: Manuel Wirth | Daniel (kämpfend) am Jaufenpass

Was können wir normalen Jedermänner aus den obigen Zahlen lernen?
Zuerst muss man schon noch sagen, dass sich die Profis einfach auf einem anderen Niveau bewegen – selbst, wenn man sie mit den besten Jedermännern vergleicht. Zwanzig Minuten trennen den Gewinner des Pro-Rennens vom Jedermann-Rennen – und da waren die besten Fahrer der World Tour bekanntlich gar nicht dabei. Es ist zu erwarten, dass mit Froome & Co. die Zeit noch um 10 bis 15 Minuten gesenkt würde.

Trotzdem ist das Niveau beim Jedermann-Rennen für reine Hobbyfahrer extrem hoch…
Ja, ganz klar. Wenn ich mir die ausschlaggebende „Ausdauerleistung“ bzw. „Ermüdungsresistenz“ anschaue, zum Beispiel beim Robert Petzold, dann sind das schon ganz starke Leistungen, die da vorne erbracht werden.

Wie meinst du das konkret?
Bei diesen Jungs siehst du – im Gegensatz zum Hauptfeld der Hobbyfahrer – den Leistungsabfall nicht. Auch nicht über die Dauer des gesamten Ötzis. Natürlich haben sie generell eine höhere Schwellenleistung – mind. 5w/kg! Sie bauen aber – und das ist entscheidend – auch nach 4-5 Stunden deutlich weniger ab. Der Schlüssel zum Erfolg beim Ötzi.

Kannst du ein Beispiel nennen?
Üblich ist es, dass die Teilnehmer nach den Top-Jungs um Petzold & Co., am Timmelsjoch in etwa 20-25% weniger Leistung bringen als noch am Kühtai. Mit diesem Abfall kannst du ganz weit vorne einfach nicht mehr mitfahren. Das hat man dieses Jahr auch bei dir gesehen.

Was unterscheidet den Jedermann noch vom Profi?
Die Fähigkeit, immer wieder in den roten Bereich gehen zu können. Kurz zu attackieren, dann knapp unter der Schwelle wieder etwas erholen, dann wieder zu attackieren. Der normale Jedermann – wie du und ich – wäre wahrscheinlich nach 1-2 Mal komplett im Eimer und könnte das Rennen gar nicht mehr zu Ende fahren.

Wenn du dir Robert Petzolds Leistung anschaust. Wie Prozent fährt er denn unter seiner Schwelle?
Am Berg pendelt es sich bei ihm bei ca. 80-85% der Schwellenleistung (IANS) ein. Auch über Stunden hinweg ist dieses Tempo kein großes Problem für ihn. Bei ca. 330 Watt an der Schwelle sind das in etwa 270-280 Watt.

Bei meinem Gewicht (81kg) müsste ich dann 440 Watt als IANS treten, um das gleiche Tempo zu haben bergauf. Wahnsinn…
Ja, in etwa. Bei dir ist interessant zu sehen, dass du die 85% der IANS am Jaufenpass einfach nicht mehr erbringen kannst, wenn du schon fünf Stunden im Rennen bist.

Wie kann man denn die verbesserte Ermüdungsresistenz übers Jahr hinweg trainieren?
Diese super starke Ausdauer… Du wirst niemals ganz drauf verzichten können, auch mal unterjährig richtig lang zu fahren. Du musst deinen Körper kontinuierlich dran gewöhnen und auch mal nach 4 Stunden im Sattel noch ein paar harte Belastungen einbauen. Auf der einen Seite der Fettstoffwechsel und die Ausdauerfähigkeit und auf der anderen Seite aber auch die muskuläre Konditionierung, so lange relativ hart zu arbeiten.

Was würde das für den Jedermann im Training pro Monat bedeuten?
Wenn man wirklich etwas in dem Bereich verbessern möchte, dann sollte es pro Monat mindestens eine richtig lange Ausfahrt sein. Es muss nicht unbedingt eine Rennsimulation sein, sollte aber vom Umfang her sind 5 Stunden oder mehr empfehlenswert – und je häufiger man das macht, desto besser.

Mit gut 7.000 km bin ich in diesem Jahr nicht wirklich viel, aber auch nicht ganz wenig gefahren. Was hätte man in 2017 anders machen müssen, damit es am Timmelsjoch besser klappt und ich die 9 Stunden vielleicht geknackt hätte?
Zum einen die Struktur im Training über die Saison hinweg verbessern und dann natürlich mehr Konstanz im Training. Das wären bei dir die zwei Faktoren. Du hast ja schon früh im Jahr signalisiert, dass du das Volumen nicht bringen kannst, dafür hast du es aber unterm Strich noch gut gemacht. Leider ging dann auch irgendwo die Struktur verloren und die gezielten Intensitäten hättest du gerade in den letzten Wochen und Monaten gebraucht. So haben dir beim Ötzi das eine oder andere Prozent gefehlt.

Klar, ich bin Papa geworden. Die Zeit kann/will ich zurzeit nicht aufbringen…
Das kann ich verstehen. Wenn die Regelmäßigkeit fehlt, dann muss man sogar die Struktur noch anziehen, so kann man noch den einen oder anderen Watt retten. Wenn aber beides am Ende fehlt, dann greift es am Ende leider nicht. So simpel ist aber der Radsport (lacht).

Mein Puls war von Beginn an ziemlich hoch. Ein klassischer Anfängerfehler? Also sich nicht an die Höhe zu gewöhnen, oder?
Das ist vermutlich eine Mischung aus Aufregung im Rennen, in der letzten Zeit bist du ja nun auch nicht besonders viele Wettkämpfe gefahren, und der Höhe. Die hat sicherlich auch mit reingespielt. Dadurch ist dein Puls von Anfang an recht hoch gewesen.

Aber natürlich ist es sehr förderlich, ein paar Tage zuvor in der Höhe gewesen zu sein. Wobei kaum einer der Teilnehmer vorm Ötzi ein Höhentrainingslager oder Ähnliches gemacht hat, aber ein paar Tage früher anzureisen, kann sich schon lohnen.

Wann würdest du nach Sölden reisen, wenn du selbst mal beim Ötzi mitmachen würdest?
Ich bin natürlich etwas flexibler, da ich keinen festen 9-to-5-Job habe, ich kann mit meinen Athleten von überall aus arbeiten – ich wäre spätestens am Mittwoch nach Sölden gereist.

Abschließend, habe ich aus deiner Sicht beim Ötzi Fehler gemacht?
Mit Blick auf deine Fitness würde ich sagen, dass du wohl etwas zu überambitioniert ins Kühtai reingefahren bist.

Wie fast jeder andere auch…
Das stimmt, das machen die meisten. Dadurch, dass du hier zu viel Watt getreten hast, hat sich bei dir am Ende am Timmelsjoch die Erschöpfung umso stärker bemerkbar gemacht. 10 Watt im Schnitt am Kühtai weniger hätten dir am Jaufenpass und Timmelsjoch mehr Zeitgewinn gebracht – als du am Kühtai noch gespart hast.

Trainingstipps für den Ötzi 2018

Mehr Umfang und auch mal richtig hart trainieren
Als (berufstätiger) Jedermann muss man sich vor allem Fragen, wie viel Quantität man sich in der Vorbereitung auf Wettkämpfe wie den Ötzi erlauben kann. Mehr Volumen schadet für eine deutliche Verbesserung nie, vor allem in Verbindung mit 1-2 intensiven Trainingseinheiten pro Woche.

Für alle unter 10 Stunden Training pro Woche gilt:

Viel Qualität – gezielte Intensitäten – um die Zeit wirklich effektiv zu nutzen. Das heißt nicht nur Bergintervalle um die Schwelle, sondern auch mal einen harten Block mit HIT und Vo2max-Intervallen, um die maximale Leistungsfähigkeit zu verbessern. Wer wirklich schneller sein will, braucht auch eine höhere Schwelle. Denn über die Zeit von 8-10h muss man mit circa 80% der IANS an den Anstiegen auskommen.

Je höher die IANS, desto besser!

Angebot: Lass dich von Philipp fit machen!

Im letzten Jahr brachte mich Philipp ab Spätsommer – wie einige hier lesen konnten – ja ordentlich auf Vordermann. Die besten Resultate erzielte ich beim GFNY Deutschland (Platz 8), Kufsteinerland Radmarathon (Top 30) und natürlich dem King of the Lake Zeitfahren (Top 50 von 1.100 Teilnehmern).

Lass dich in der kommenden Saison von Philipp coachen und auf Vordermann bringen:

  • 12-Monate individualisiertes Training & Beratung
  • alles zugeschnitten auf die Optimierung der Leistung bei Langdistanzrennen
    • sei es der Ötztaler, der Dreiländer-Giro oder die L’Étape du Tour

>> MEHR INFOS & DETAILS (hier klicken!)

Zur Person: Philipp Diegner

  • Sportwissenschaftler und Certified Sports Nutrionist
  • Master of Science (MSc) in Sports and Health Sciences (University of Exeter)
  • Spezialisiert auf Trainingsplanung und Leistungsanalyse, insbesondere im Radsport
  • Coaching diverser Elite-/Cat-1 Athleten in Deutschland/International
  • Dienstleistung SevereCoaching
  • Autor und Trainingsexperte, u.a. für die RennRad-Zeitschrift und Zwift
  • Datenexperte bei Velon UK
  • Mehr Infos & Details zum Coaching (hier klicken!)

(c) Fotos im Artikel: Ötztal Tourismus

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