[Anzeige] Einmal hinter die Kulissen der Tour de France blicken, einmal John Degenkolb, Simon Geschke und Co. vom Team Giant-Alpecin treffen, wenn’s geht vielleicht mal ne kleine Tour mit den Jungs fahren. Letztes Wochenende hatte ich das Glück, beides erleben zu dürfen. Und das nicht irgendwo: Es ging zur Königsetappe nach Andorra-Arcalis – genau der Ort, an dem Jan Ullrich vor 19 Jahren für einen Radsportboom in Deutschland sorgte, welcher knapp zehn Jahre später jäh endete. Meine Aufarbeitung eines unvergesslichen Kurztrips, der mir noch lange in Erinnerung bleiben wird.
Selbst der lustige Lufthansa-Kapitän konnte mich mit seiner Ansage nicht aus der Ruhe bringen: „Meine Damen und Herren, wir verlieren an Höhe!“ Ein paar Sekunden später, es fühlte sich an wie Minuten, setzte der Scherzkeks nach: „…das liegt daran, dass wir gleich in Barcelona landen, da ist es normal an Höhe zu verlieren“. Normalerweise wäre ich bei so einer Nummer ja kreidebleich geworden und hätte angefangen zum lieben und gar nicht so weit entfernten Herrgott zu beten, heute aber war ich mit meinen Gedanken ganz woanders: Zum ersten Mal in meinem Leben ging es zur Tour de France nach Andorra-Arcalis – uns Deutschen noch bestens bekannt durch Jan Ullrichs Husarenritt im Unterlenkergriff. 1997 war das: Die Geburtsstunde des deutschen Radsport-Booms, der neun Jahre später abrupt endete und in den letzten Jahren wieder etwas an Fahrt aufgenommen hat. Heute heißen die Protagonisten: Kittel, Degenkolb, Greipel, Geschke, Martin und Co. Zwei davon werde ich an diesem Wochenende treffen – zu diesem Zeitpunkt ahne ich davon aber noch nichts, hoffe es aber sehr.
Vorher stand aber noch eine Nacht in Barcelona an. Barcelona. Auch eins dieser Dinge, auf die ich mich freute wie (h)ulle. Noch nie war ich in dieser Stadt, die mich aber schon ein ganzes Fußballerleben lang begleitete. Mal gucken, ob die Zeit reicht, hier ein bisschen einzutauchen, es muss ja kein Blick in die Kabinen des Camp Nou sein – aber ein kühles Bier in einer schönen Bar, das sollte schon drin sein! Andersrum wäre auch ok: schönes Bier in einer kühlen Bar! Denn das Wetter hier ist heiß! 30 Grad und mehr. Beim Blick in Richtung Nordwesten bekomme ich Mitleid mit den armen Hunden. Da hinten, da wo die Berge den Horizont verdecken, da muss Andorra sein. Da kurbeln gerade knapp 200 Topathleten im Höllentempo in der Gegend rum. Da geht’s morgen hin, mittenrein. Yeah!
Ich bin gespannt, was da noch so gebacken ist. Sunweb sprach ganz geheimnisumwoben von einigen Überraschungen, als sie mich zu diesem Trip einluden. Alles unter dem Hashtag #creatingmemories. Die Latte hängt also hoch. Schauen wir mal, was sich die sympathischen Holländer mit Hauptsitz in Zürich da so feines überlegt haben.
Eine leise Ahnung hab ich aber schon…
Per Achterbahnfahrt nach Andorra
Nein, für ein vernünftiges Eintauchen war das gestern Abend leider nix. Für ein gemütliches Bierchen erst recht nicht. Viel zu wenig Zeit. Um 21 Uhr checkte ich im Hotel unweit des Flughafens ein, keine halbe Stunde später stand ich auch schon an der Bushaltestelle, direkt neben der Autobahn. Ist doch klar: Wenn ich in einer Stadt wie Barcelona bin, kann ich doch abends nicht auf dem Bett rumliegen und das Internet leer surfen. Ich will was sehen. Internet gibt’s wann anders wieder.
Zwanzig Minuten, so die Rezeptionistin, dann wäre ich am Plaça de Catalunya – das Herz der katalanischen Metropole. Knapp zwei Stunden später stand ich wieder im Bushäuschen, dieses Mal am Plaça d’Espanya – mein Spanisch tendiert gen Null, mein Katalanisch im Minusbereich. Die Ansage im Bus hatte ich missverstanden und stieg deswegen zu früh aus. Zur „Strafe“ bestand mein Abendessen aus einem riesigen Eis – alle anderen Shops, sofern es welche gab, hatten schon geschlossen.
Ist aber auch wurscht, morgen geht’s zur Tour. Da kann das bisschen Hunger die Laune nicht trüben, da wollen wir mal nicht HANGRY – eine Mischung aus hungry und angry – sein.
Julie, unsere charmante Ansprechpartnerin bei Sunweb ließ ausrichten, dass uns am nächsten Vormittag um 10:30 Uhr ein Taxi abholt und Richtung Andorra bringt. Mit einem Taxi nach Andorra? Drei Stunden Taxifahrt? Na, wenn da mal nicht die erste Überraschung wartet.
10 Punkte, Colombo.
Am kleinen „VIP-Terminal“ stand das kleine Schmuckstück dann auch: die Privat-Propellermaschine. Für das Wort „Privatjet“ fehlten leider die Düsen. Sah aber sonst nach Jet aus. Statt drei Stunden per Auto flogen wir knapp 30 Minuten nun in den höchst gelegenen Staat Europas. Das war das Schöne. Das Schreckliche war die Achterbahnfahrt. Mit den kleinen Kisten spürt man jedes Luftloch. Für den Franzosen Laurent, welcher ebenfalls eingeladen war, war dieses Erlebnis des Guten zu viel. Noch nie in meinem Leben hab ich einen Menschen so leiden sehen. Von Flugangst gepeinigt, schwitzte der gute Mann, welcher im normalen Leben Polizist und sehr passabler Amateurfahrer ist, sein komplettes T-Shirt durch. Bei der Landung am idyllischen Berg-Flughafen in Andorra machte er erst mal dreißig kleine Kreuzchen.
Geschafft. Endlich bei der Tour de France.
Von wegen.
Wir hingen der Zeit gut hinterher – nur mit etwas Glück würden wir es zum Zielort nach Andorra-Arcalis schaffen. Wir mussten ja deutlich vor dem Fahrerfeld dort sein – da sind die Organisatoren sehr strikt. Zurecht.
Das bedeutete: Mit Vollgas durch Andorra!
Oje. Ich bin nun ganz sicher nicht flugfest, aber noch viel weniger kurvenfest – wenn ich nicht selbst fahre. Die folgenden ca. 60 Minuten waren nun für mich die Hölle: Mit acht Mann saßen wir im Van und peitschten durch die Kurven. Liiiiinks, reeeechts, rechts-links Kombi, harte Bremsung, wieder Beschleunigung. Selbst beim Schreiben dieses Texts, einige Tage später, grummelts immer noch im Bauch beim Gedanken an diese Fahrt.
Aber alles hat ein Ende – auch diese sehr, sehr langen sechzig Minuten.
Aussteigen. Und direkt rein in den Mini Cooper. Iwan Spekenbrink, sei gegrüßt!
Andorra Arcalis: Knapp 20 Jahre danach!
Nach kurzem Fahrzeugwechsel und Shakehands mit Giant-Alpecin-Teamchef Iwan Spekenbrink folgte Überraschung Nr. 2: Im Teamfahrzeug auf den letzten Kilometern zum Ziel nach Arcalis. Und Leute, das sind die Kilometer, die Jan Ullrich für immer unsterblich machen. Geil, und hier fahren wir jetzt vorm Fahrerfeld hinauf – was für ein Erlebnis! Was für eine Ehre!
War ich bei der Tour de Yorkshire noch von den Zuschauern beeindruckt, war das jetzt hier bei der Königsetappe der Tour de France mindestens eine Liga drüber: Champions League. Überall säumten die Radsportfans die Straßen, an einigen Teilen ging der Verkehr teilweise gar nicht mehr. Der pure Wahnsinn.
Willkommen im Epizentrum des internationalen Radsports!
Mittlerweile saß ich auf dem Beifahrersitz des Mini Coopers, hinten quetschten sie sich auf die Rückbank, aber das war mir jetzt in diesem Moment egal. Das Leben kehrte in meine Knochen zurück und was ich sah, das gefiel mir: zahlreiche Botschaften mit Kreide auf der Straße und eine historische Rad-Strecke, die Jan Ullrich im Unterlenkergriff hochknallte…
„Nicht umgucken Jan, nach vorne, nach vorne, nach vorne!“ Rudi Altig und der junge Karsten Migels in meinem Kopf…
War es unten im Tal noch drückend heiß, verschlechterte sich mit jedem Höhenmeter die Wetterlage. Oben angekommen, war vom blauen Himmel nichts mehr übrig und bald ging dann auch der Regen los. Und zwar richtiger Regen, der sich dann in schmerzhaften Hagel verwandelte als Tom Dumoulin als Erster die Ziellinie überquerte. Sehr zu Freude der Herrschaften im VIP-Bereich, die daraufhin erst einmal ein Liedchen anstimmten. Hört selbst (Youtube-Link).
Tom Dumoulin, einer vom Team Giant-Alpecin! Wie geil ist das denn? Der Abend ist gerettet. Wenige Stunden später begrüßte uns auch ein sichtlich zufriedener Iwan Spekenbrink zum Abendessen im nahegelegenen Hotel. Für Giant-Alpecin natürlich ein großartiger Tag! Darauf stoßen wir an.
Prost!
Gegen 23 Uhr verabschiedete sich Papis einziger Sohn dann aber Richtung Bett – am folgenden Morgen, teilte uns Iwan vorher noch mit, wartete eine Ausfahrt mit ein „paar“ Profis. Das wäre dann die nächste Überraschung.
Es wird ja immer besser…
Rad an Rad mit Dege, Dumoulin & Co.
Nächster Morgen. Schnell reingeschlüpft ins Team Dress und auf zum Hotel des Teams nach Andorra la Vella. Heute haben wir aber Gott sei Dank nicht so einen Zeitdruck und deutlich weniger Serpentinen zu meistern wie gestern – diese Fahrt ist entspannt.
Ich bin gespannt auf das Treffen mit den Fahrern: Lockere Stimmung oder etwas verkrampft? Schauen wir mal.
Vorher bekommen wir Gäste aber erst mal das passende Bike, Schuhe und natürlich nen Helm. Und das für ca. 20 Mann im ganzen Trubel mit all den umherstehenden Autogrammjägern vorm Teamhotel. Ihr könnt Euch vorstellen, was das für ein Chaos war. Respekt an die Organisatoren, dass das alles so reibungslos ablief. Ich wäre komplett durchgedreht. Als i-Tüpfelchen führte uns Teamcoach Adriaan noch kurz ins Heiligste der Fahrer: der Teambus. Wie geil ist das denn? Ich wollte immer schon in einen der Teambusse reinschauen. Wie würde es da drinnen aussehen? Antwort: Eigentlich nix besonderes – außer, dass sie hinten ein paar Duschen eingebaut haben, damit sich die Fahrer nach der Etappe noch schnell frisch machen können.
Komplette TDF Truppe am Start
Hieß es am Vorabend noch, dass vielleicht der eine oder andere Profi mit uns fahren würde, rollte in den nächsten Minuten die komplette Tour de France Truppe an. Neun Fahrer an der Zahl. Alle am Start.
Ich war beeindruckt. Die anderen Gäste auch. Der Großteil der geladenen Gäste war aus Holland oder Belgien – entsprechend groß war der Andrang bei den holländischen Teamfahrern um Tom Dumoulin und Co. Prima, genug Zeit für mich – als einziger Deutscher – mich kurz mit Dege und Simon Geschke zu unterhalten.
Aber wir sind ja nicht hier zum Quatschen – eine kleine Spaßausfahrt steht auf dem Programm, und danach noch ein gemeinsames Mittagessen wie uns Adriaan eben noch mitteilt. Das wäre dann auch schon wieder die nächste Überraschung. Ich komme mit der Nummerierung gerade nicht mehr mit.
So, auf geht’s! Der Tross rollt aus der Stadt raus: Die ganzen Freizeitasthmatiker am hinteren Ende der Gruppe, vorne die etwas sportlicheren Fahrer und ganz vorne die Profis – und gleich mal den ersten ca. 7%igen Hügel hinauf. Für all diejenigen, die noch nicht in Andorra waren: Das ist wie Südtirol. Im Tal eine Stadt, und drumherum nur knackige Anstiege. Lange Flachstücke, Fehlanzeige.
Entspannte Profis
Was mich überraschte, war wie entspannt die Jungs am Ruhetag wirkten. Ich hätte nach so einer schweren Etappe des Vortages – bzw. den vorangegangenen neun Etappen – erwartet, dass sie irgendwie kaputt und ausgelaugt erscheinen.
Von wegen, Pustekuchen.
Oben auf dem Hügel angekommen, gab’s dann noch ein Gruppenbild von allen – inkl. Profis – bevor die Jungs dann mit ihrem eigenen Programm weitermachten: Massage, lockere Ausfahrt, Playstation, Tischtennis oder was auch immer.
So, und wir Bratwürste fahren dann jetzt mal weiter den Hügel hinauf – schön in 40/20 sec. Intervallen wie uns das Teamcoach Adriaan vorab empfahl. Im Anschluss steht das Mittagessen auf der Agenda – jetzt werden Kalorien verbrannt.
2.000 Tage bis zur Spitze mit Sunweb – und Alpecin?
Bevor es für uns zurück nach Barcelona ging – dieses Mal aus Mitleid wegen Laurent per Van und nicht per Propellermaschine – durften wir noch mit zur Pressekonferenz, in der man der Radsportwelt etwas „Großes“ mitteilen wollte. In den Tagen zuvor hatten es ja bereits die Spatzen von den Dächern gepfiffen: Das Reiseunternehmen Sunweb würde ab 2017 als neuer Hauptsponsor beim Rennstall einsteigen – sehr zur Freude von Iwan Spekenbrink, der innerhalb der nächsten gut fünf Jahre an die Spitze des internationalen Radsports möchte. Finde ich ambitioniert, und deswegen toll! Erinnerte mich aber ein bisschen an Winni Schäfers legendäre Pressekonferenz und seine vollmundige „KSC 2000“ Vision Mitte der Neunziger. Was danach passierte – oder auch nicht – wissen wir alle.
Drücken wir Iwan für dieses Vorhaben die Daumen! Das wäre für Radsport-Deutschland eine Riesensache.
Abschluss in Barcelona
Nach 48 erlebnisreichen Stunden ging es jetzt zurück nach Barcelona. Eine Nacht in dieser coolen Stadt rundete diesen coolen Trip würdevoll ab. Da wird dieses Mal deutlich früher im Hotel am Flughafen eincheckten, hatten wir noch genügend Zeit für einen entspannten Ausflug per Linienbus ins Zentrum – dieses Mal aber inkl. entspanntem Bierchen – und dieses Mal zum Plaça de Catalunya.
So muss das sein!
Mein Rückblick – was blieb hängen?
Erst einmal ein großes Dankeschön an Sunweb und Giant-Alpecin für diese Einladung. Einen solch exklusiven Einblick hinter die Kulissen der Tour de France und in ein Profiteam zu bekommen, weiß ich sehr zu schätzen – das ehrt mich.
In den letzten Monaten hatte ich, um offen zu sein, das Gefühl, dass bei Giant-Alpecin ein bisschen die Luft raus war. Aufgrund des schlimmen Trainingsunfalls im Januar, bei dem auf einen Schlag das halbe Team außer Gefecht gesetzt wurde, dominierten in den vergangenen Wochen vor allem die Meldungen, dass Degenkolb wohl abwandern würde und Alpecin sich ebenfalls nach Alternativen umschaut, wie z.B. Katusha. Sportliche Highlights waren in 2016 entsprechend überschaubar, was leider an dem besagten Unfall lag.
Zudem wächst die Sorge – nicht nur bei mir –, dass nach den Abgängen von Kittel und demnächst Degenkolb, das Team den Kontakt zu den deutschen Fans verliert. In genau diese Kerbe möchte aber Sunweb reinhauen: Eine stärkere Präsenz auf dem deutschen Markt ist eins der erklärten Ziele des Reiseveranstalters. Und was hilft da mehr als Siege, Siege, Siege? Ich bin also gespannt, welche Fahrer Iwan Spekenbrink demnächst aus dem Hut zaubert, um dieses Ziel zu erreichen – aber mit 2.000 Tagen bis zur Spitze haben sie ja noch ein bisschen Zeit.
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[…] » Die Tour de France rauscht in diesem Jahr so an mir vorbei. Morgen habe ich Zeit mir das Bergzeitfahren anzusehen. Zum Glück bietet Speed-Ville einen Einblick in das Giant Alpecin Tour Team. […]
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