Wie genial fing bitte das Jahr 2020 für Emma Hinze an?
Bei der Bahnrad WM in Berlin im Februar war Emma Hinze mit gleich 3 WM-Titeln eine der schillernden Stars im Rund an der Paul-Heyse-Straße.
Was kommt Emma Hinze her? Was macht sie so den ganzen Tag in Cottbus? Wie trainiert man eigentlich als Bahnfahrerin? Und kann man von seinem Sport überhaupt leben?
Das waren ein paar Fragen, die ich nach diesem Event im Kopf hatte.
Dank meiner Kooperation mit Tissot konnte ich schnell Kontakt zu Emma herstellen und sie für dieses Interview gewinnen:
Interview mit Emma Hinze
Von Daniel (@speedvilleblog)
Übersicht:
- von wegen Barbypuppen: Was Emma Hinze bereits als kleines Mädchen am Radsport reizte
- wie fokussiert man sich, wenn Gleichaltrige Party & Co. im Kopf haben?
- wieviel man als Sprinterin täglich trainiert
- was läuft bei Emma Hinze abends im TV, Netflix?
- warum sie die Sportler-Kantine in Cottbus nicht ganz so prickelnd findet
- kann man als Bahnrad-Profi von seinem Sport leben?
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Was hat Dich damals gereizt, als kleines Mädchen mit dem Fahrrad im Verein zu fahren?
Den Bezug zum Radsport hatte ich durch meine Eltern. Beide sind hobbymäßig Mountainbike gefahren.
Später sind wir mal zu einem Straßenrennen in Hildesheim gefahren, das hatte mich direkt fasziniert und entsprechend wollte ich das auch mal ausprobieren.
Und dann haben dich deine Eltern im Verein angemeldet?
Ja, da hatte ich natürlich dann auch mein erstes Fahrrad bekommen.
Ich weiß noch, das war so ein 24er-Rad mit Rahmenschaltung in Rot. Auf unserer 400m Bahn in Hildesheim musste ich dann natürlich erstmal lernen, damit umzugehen. Klickpedale etc.
Später fing auch noch mein Bruder mit dem Sport an und dann hatte mein Papa den Auftrag, uns jedes Wochenende durch Deutschland zu den ganzen Rennen zu fahren (lacht).
Ganz Deutschland oder in der Region?
Am Anfang war das natürlich eher im Umkreis, aber umso älter wir wurden, desto weiter weg sind wir gefahren. Es ging dann ja auch zu größeren Rennen oder den Deutschen Meisterschaften.
Ich merkte dann recht schnell, dass mir der Bahnradsport deutlich mehr liegt und auch mehr Spaß gemacht hat.
Was genau liegt dir daran?
Die kurzen Strecken, das Sprinten, also dass man nicht so lange am Stück wie auf der Straße fährt.
Trainierst Du zu 100% auf der Bahn? Oder auch draußen mit normalem Rennrad?
Wir fahren natürlich auch mit dem normalen Rennrad, G1 heißt das bei uns. Aber ganz, ganz viel findet bei uns auch bzgl. Grundlage im Kraftraum statt, was auch mit einer meiner Lieblingseinheiten sind.
Natürlich kommt es auf die Phase drauf an, aber vor den Wettkämpfen fast nur noch auf der Bahn.
Jetzt zum Beispiel, wo in der aktuellen Zeit und Saisonphase nicht so viel ansteht, entsprechend viel im Kraftraum und auf dem Straßenrad.
Wo gehen Deine Touren in Cottbus üblicherweise hin?
Gerne durch den Spreewald, dafür muss ich jedoch einmal durch die ganze Stadt fahren, deswegen ist das nicht meine Lieblingsstrecke.
Sonst einfach hier hinten über die Dörfer so für zwei Stunden.
Zwei Stunden klingt überschaubar. Als Sprinterin sitzt du also nicht lange auf dem Rad, dafür…
… eher kurz und intensiv. Unsere Intensitäten sind entprechend höher.
Was mich an der Stelle sehr interessiert, ist das Thema Herz. Lasst Ihr Euch regelmäßig vom Arzt checken? Sprinten ist für das Herz ja nicht ganz ohne…
Wir müssen einmal im Jahr, meistens vor der WM, zu einem sogenannten Checkup mit einem Herzecho, um zu sehen, ob wir voll umfänglich sporttauglich sind.
Wenn wir dann die Bestätigung haben, dürfen wir auch an den Wettkämpfen teilnehmen.
Wie viel trainierst Du in einer durchschnittlichen Woche?
Auf jeden Fall sechs Tage die Woche mit 1-2 Einheiten. Also drei bis sechs Stunden Training jeweils an den 6 Tagen.
Wie schaut ein typischer Alltag bei Emma Hinze aus? Kannst Du uns da mal mitnehmen?
Ich stehe immer zwischen 7:30 Uhr und 8:00 Uhr auf.
So spät?
(lacht) Ich schlafe lieber etwas länger und habe dann ein bisschen Stress.
Nach dem Frühstück fahren ich mit meinem Fahrrad zur Trainingsstätte am Olympiastützpunkt, das ist ja bei uns hier in Cottbus alles auf einem Gelände – egal ob Radrennbahn, Kraftraum und der Radraum natürlich auch.
Dort habe ich dann zwischen 9:30 Uhr bis 12:30 Uhr meine Trainings, im Anschluss fahre ich wieder zurück mit dem Rad in meine Wohnung und mache mir Mittagessen.
Habt ihr im Trainingszentrum keine Kantine, wo ihr alle zusammen esst?
Doch, es gibt eine Kantine, aber da gehe ich nicht so gerne hin, das Essen ist nicht immer meins. Ich koche lieber selber.
Ah, okay.…
Wenn ich es schaffe, versuche ich nach dem Essen noch 30 Minuten Mittagsschlaf zu machen, und dann steht ab 15:30-16:00 Uhr auch schon die nächste Einheit für ca. 2 Stunden an.
2-3 Mal die Woche habe ich dann abends noch Physio für eine Stunde.
Was läuft abends, wenn du keine Physio mehr hast, im TV? Oder andersrum: Was ist deine aktuelle Netflix Lieblingsserie?
Ich gucke tatsächlich gar kein Netflix.
Was????
(lacht) Jetzt bin ich wahrscheinlich voll out. Also ich gucke natürlich auch mal TV, dann eher so Krimis.
Wenn Du dieses skurrile Jahr 2020 mit einer Schulnote bewerten müsstest, welche Note würdest Du dem Jahr geben?
Bis heute?
Klar..
Schwierig, weil Anfang des Jahres würde ich natürlich wegen der grandiosen WM noch eine Eins geben. Jetzt ist das natürlich alles etwas anders. Sportlich gesehen habe ich gerade etwas Probleme mit meinem Knie.
Dann weiß man halt nicht so genau, wann fängt es wieder richtig an, haben wir überhaupt noch große Wettkämpfe in diesem Jahr? Deswegen würde ich in Summe dem Jahr 2020 eine 2-3 geben.
Deine Planung geht vermutlich in Richtung Olympia im nächsten Jahr?
Ja.
Wenn man davon ausgeht, dass es stattfindet…
Das Problem ist, dass ich nicht weiß, wie der Weg dahin noch aussehen wird. Ob wir noch Wettkämpfe haben werden? Werden die Weltcups bis dahin stattfinden? Mit allen Sportlern aus der ganzen Welt?
Wir haben gemeinsam, dass wir eine Partnerschaft mit Tissot haben, die ja den Bahnradsport auch sehr stark unterstützen. Kannst Du uns schildern, wie es dazu kam?
Das fing in diesem Jahr bei der WM an, als ich durch meine Siege die Tissot Uhren gewonnen hatte. Drei Exemplare waren es.
Wow, drei Stück?
Genau, für jeden Titel eine Uhr. Eine hatte ich behalten, eine habe ich meinem Trainer geschenkt und eine meiner Mama.
Ich fand das jedenfalls so cool, ich hatte das nicht auf dem Schirm, dass man die Uhr noch zusätzlich bekommen würde, dass ich Tissot ein kleines Dankeschön gebastelt hatte. So ist dann im Prinzip unsere Partnerschaft entstanden.
Der Radsport erfordert viele Opfer: Training, Schmerzen, Gewicht halten etc. Wie war das für Dich, während Gleichaltrige Party gemacht hatten und du hingst im Sportinternat rum?
Es kommt immer ganz drauf an, was man möchte und was man für ein Umfeld hat. Wenn du genau weißt, dass du später professionell Sport machen möchtest, dann ist Party machen und Alkohol nicht miteinander vereinbar.
Entsprechend war auch das Umfeld im Sportinternat. Da hatten ja auch nahezu alle die gleichen Ziele.
Klar gibt es auch immer welche, die trotzdem ausbüchsten, aber das hatte mich einfach nicht gereizt.
Gar keine Partys?
Klar, habe ich auch mal an einer Party teilgenommen, aber wohl dosiert und nicht übertreiben.
Ich war ja selber in Berlin bei der Bahnrad WM zu Gast…
Oh cool.
Was für mich als Ottonormalo kompliziert erschien, sind die verschiedenen Regeln und Disziplinen. Jede Disziplin hatte seine eigenen Gesetze.
Das stimmt.
Wie könnte man den Bahnradsport verständlicher machen? In Berlin hatten Sie ja schon mit Videotafeln gearbeitet, auf denen sie die Disziplinen erklärt hatten. Ist das ein Weg?
Das ist auf jeden Fall ein Weg.
Das erinnert mich an früher, als Freunde von mir ein Rennvideo gesehen hatten und einfach nicht verstanden haben, wie das Ganze funktioniert. So ein Erklärfilm hilft da natürlich ungemein.
Ein sehr trauriges Thema ist der tragische Unfall von Kristina Vogel. Gibt es aufgrund dieses Unfalls veränderte Abläufe und Regeln?
Jein. Es gibt gewisse ungeschriebene Gesetze beim Bahnradsport, dass man z.B. auf der Gegengerade keinen Antritt macht. Das weiß man, steht aber leider nirgends so richtig auf einem Blatt Papier.
Ich weiß jetzt allerdings nicht, ob das wegen des Unfalls ist:
Auf jeden Fall ist es jetzt so, dass man die Antritte, zum Beispiel bei der Vorbelastung vor dem Wettkampf, also einen Tag vorher, nur noch in einem bestimmten Zeitraum machen darf, also nur dann darfst du dich auf die Bahn stellen und aus dem Stand diesen Antritt machen.
Sonst nicht mehr. Diese Regel ist jedenfalls neu.
Blöde Frage, schaffst Du es im Sprint mehr als 1.500 Watt zu treten?
Ja.
Wow…
Ja, ich glaube schon.
Wir haben ja eine Wattkurbel dran. Meine ging bei der WM leider nicht, das hätte mich natürlich schon mal interessiert, weil ich da ja auch meine Bestzeit gefahren bin.
Das heißt, einen Tony Martin würdest Du im Sprint schlagen?
Aber auch nur im Sprint.
Wenn Du Dir heute aussuchen dürftest, wie Dein Leben nach der Karriere aussieht, was wäre Deine Idealvorstellung?
Eine ganz schwierige Frage. Ich weiß es tatsächlich nicht so genau.
Keinen Masterplan?
Ich weiß, dass ich ganz, ganz viel durch meinen Trainer gelernt habe, also auch neben dem Radsport, im Alltag. Das würde ich schon sehr gerne an nachfolgende Generationen weitergeben.
Ich kann mir zwar nicht vorstellen, Trainerin zu sein, aber vielleicht irgendwas im Sport – ich habe da aber noch keine genaue Richtung gefunden.
Studierst Du eigentlich parallel?
Nein, ich bin bei der Bundeswehrsportfördergruppe.
Ich habe mich dazu entschieden, dass ich mich jetzt nur auf den Sport konzentriere.
Wenn schon, denn schon…
Ganz oder gar nicht.
Das hatte ich auch früher in der Schule gemerkt, da wollte ich gute Noten schreiben, hatte ich ja auch hinbekommen, aber da bleibt immer irgendwas auf der Strecke.
Entweder gute Noten oder der Sport damals. Und solange ich noch so jung bin, möchte ich jetzt alles im Sport geben.
Kann man als Bahnrad-Profi von seinem Sport leben?
Also vom Bahnradsport direkt nicht!
Genau dafür bin ich ja zum Beispiel bei der Bundeswehr, da bekomme ich mein festes Gehalt. Das finde ich echt super, dass die uns Sportler unterstützen und den Rücken frei halten.
Wenn ich jetzt nur meinen Sport hätte, dann würde das nicht so gut aussehen.
Emma, vielen Dank.
Sehr gerne.
Fotos: Arne Mill, privat
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