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Der Club der Verrückten vom Mont Ventoux (Club des Cinglés) – eine Liebeserklärung!

by Daniel

Julian blickt zurück auf sein einmaliges Abenteuer am Mont Ventoux, bei welchem er in seinem Rennradurlaub Zugang zum Club der Verrückten (Le Club des Cinglés) erlangte: Die Befahrung des Mont Ventoux von drei verschiedenen Anfahrten. 4400 Höhenmeter an einem Tag.

Club des Cingles du Mont Ventoux

Von Julian Rose

Der Mont Ventoux ist einer der Berge, die untrennbar mit dem Radsport verbunden sind. 

Seine Anstiege waren Schauplätze für unvergessene Tour de France-Etappen

Legenden wie Eddy Merckx und Marco Pantani haben hier gewonnen, tragischer Höhepunkt war der Tod von Tom Simpson bei der Tour 1967 und unvergessen der unfreiwillige „Duathlon“ von Chris Froome 2016, der nach einem Sturz die letzten Kilometer zum Ziel joggend und in Radschuhen zurückgelegt hat. 

Und natürlich ist der Mont Ventoux auch ein beliebtes Ziel für viele Hobbysportler. 

Ein Blick auf die Strava Segmente der drei Auffahrten listet über 160 000 Einträge auf.

Da mich der Sommerurlaub dieses Jahr in die Provence führt, will auch ich mich den Massen anschließen und diesen ikonischen Berg bezwingen. 

Soweit nichts Besonderes. 

Le Club des Cinglés du Mont Ventoux

Gäbe es da nicht diesen „Club“: Den Club der Verrückten des Mont Ventoux („Le Club des Cinglès du Mont Ventoux“). 

Verrückt und Rennrad, das klingt nach Spaß (und nach Quälerei).

Um in den Club aufgenommen zu werden, muss ich den Mont Ventoux  bezwingen, und zwar nicht ein- oder zweimal, sondern dreimal und das an einem Tag! 

3 Auffahrten, 4400 Höhenmeter

Auf allen drei asphaltierten Auffahrten innerhalb eines Tages – das sind laut der Homepage des Clubs insgesamt 140 km und 4400 Höhenmeter. 

Wie gesagt, klingt doch nach viel Spaß, oder?

Das Procedere ist denkbar einfach: 

Rechtzeitig bevor ich Richtung Mont Ventoux starte, registrierte ich mich online und bezahlte 20€. 

Teilnahme beim Club kostet 20€

Ein paar Tage später lagen alle benötigen Unterlagen in meinem Briefkasten.

Das Allerwichtigste ist die Stempelkarte. 

Da die Challenge ganzjährig gemacht werden kann, gibt es keine festen Kontrollpunkte, sondern die Geschäfte oder Restaurants an jedem der drei Startorte sowie am Gipfel stempeln die Karte ab. 

Die ausgefüllte Stempelkarte gilt dann als Beweis. 

Nach meiner Tour habe ich die Karte an die Organisatoren des Clubs zurückgeschickt, um in die offizielle Statistik aufgenommen zu werden, mein Abzeichen zu bekommen und um mich nun offiziell als Einer der Verrückten des Mont Ventoux bezeichnen zu dürfen. 

Die Streckenplanung ist auch nicht kompliziert. 

Bédoin mit knapp 8% ist die schwerste Auffahrt

Es gibt drei Auffahrten und die einzige Entscheidung, die ich treffen muss, ist die Reihenfolge der Auffahrten. Ein guter Zeitpunkt für ein paar Fakten zu den drei Auffahrten:

  1. Sault: die mit Sicherheit einfachste leichteste Auffahrt mit „nur“ 1186 Höhenmetern auf 24.24 Kilometern und einer Durchschnittsteigung von 5% (Strava)
  2. Malaucène: hier sind 1586 Höhenmeter auf 21.36 Kilometer mit durchschnittlich 7.45% zu bewältigen (Strava)
  3. Bédoin: die vermutlich schwerste Auffahrt, weil es einige steile Rampen gibt. Insgesamt sind es 1503 Höhenmeter auf 19.44 Kilometer mit 7.75% Steigung im Schnitt (Strava).

Meine Strategie für den Club dés Cingles

Es ist sicher eine Typfrage, aber für mich war klar, dass die einfachste Auffahrt von Sault als Schlussanstieg am besten geeignet ist. 

Die Entscheidung zwischen Malaucène und Bédoin wird mir am Ende abgenommen, denn Bédoin ist von unserer Unterkunft am schnellsten zu erreichen, also starte ich hier. 

Danach die Auffahrt von Malaucène und, wie gesagt, am Ende von Sault. 

Die Auffahrt von Bédoin und Sault teilen sich die letzten 5km und führen durch die berühmte, völlig ungeschützte „Mondlandschaft“. 

Deshalb ist der mittlere Streckenabschnitt von Malaucènce eine willkommene Abwechslung und man bekommt eine ganz andere Umgebung zu sehen. 

Nicht unterschätzen: Hitze & Wind (Mistral)

Zwei Aspekte, die jeder bei seiner Planung berücksichtigen sollte, sind die Hitze und der Wind, insbesondere in der kargen und baumlosen „Mondlandschaft“ kurz vor dem Gipfel. 

Es empfiehlt sich deshalb früh zu starten und die Tage davor einen Blick auf die Windgeschwindigkeiten zu werfen. Wer in der Provence schon einmal gegen den Mistral gekämpft hat, weiß wovon ich spreche. 

Am Abend davor nochmal das Rennrad kurz durchchecken, Klamotten und Gels bereitlegen und Frühstück vorbereiten. 

Ich muss früh starten, weil allein die Anfahrt nach Bédoin 2 Stunden dauert. 

Die Wetterprognose ist vielversprechend, zwar heiß aber kein Wind (ihr merkt schon, der macht mir echt Angst). 

Langsam macht sich in mir die bekannte Mischung aus Anspannung und Vorfreude breit und das Einschlafen dauert dementsprechend lang. 

Wecker klingelt um 5 Uhr morgens

Der Wecker klingelt um 5 Uhr morgens, aber wenn es um Radfahren geht, ist Aufstehen kein Problem. 

Weil es auch gleichzeitig unser Abreisetag aus der Unterkunft ist, kommen wir später als geplant los. 

Um kurz nach 9 Uhr sind wir in Bédoin, noch schnell einen Café au Lait und den ersten Stempel im Café.

Dann bin ich bereit. 

Achso, nicht vergessen: Die Startzeit in die Stempelkarte eintragen:

Kaffeepause muss sein

Start um 9:40 Uhr

Und dann geht es endlich los, die erste Auffahrt beginnt. 

Wie sich herausstellt sind heute gleich zwei Charity Veranstaltungen, bei denen Sportler und Sportlerinnen den Mont Ventoux per Rad oder zu Fuß bezwingen, um Geld für einen guten Zweck zu sammeln. 

Die Auffahrt von Bédoin ist dementsprechend bevölkert mit Radfahrern und ich arbeite mich Gruppe für Gruppe nach oben. 

Wunderschöne Auffahrt

Das macht mir sehr viel Spaß und die Auffahrt ist traumhaft: anspruchsvoll, aber wunderschön. 

Wie es halt so ist, wenn man mit vielen anderen Rennradlern auf der Straße ist – ich fahre schneller als geplant. 

Aber die Beine sind frisch und es macht einfach Spaß Gas zu geben und einen Radler nach dem anderen einzusammeln. 

Ich komme gut voran und bin nach 75 Minuten am Chalet. Hier treffen die Auffahrten von Sault und Bédoin aufeinander und das steile Schlussstück beginnt.

Club des Cingles du Mont Ventoux

Es sind jetzt noch 6 km und ich habe den Gipfel fast durchgängig im Blick.

Ich fahre ein paar Meter hinter einem Tandem mit zwei jungen Franzosen her, „Can’t Stop“ von den Red Hot Chili Peppers dröhnt aus ihrer Box. 

Die Musik beflügelt mich und ich komme zügig voran. 

Die letzten 2 Kilometer zum Gipfel werden dann nochmal sehr steil und ich muss das erste Mal am heutigen Tag kämpfen. 

Aber dann ist es geschafft, ich bin das erste Mal oben! 

1. Auffahrt ist geschafft!

Am Gipfel ist die Hölle los. 

Einer derVeranstalter hat einen Zielbereich mit Musik aufgebaut und auch die Parkplätze sind voll mit Autos. Also nur kurz zwei Milchbrötchen essen und die Uhrzeit eintragen:

11:20 Uhr

Dann geht’s runter Richtung Malaucène. 

Die Abfahrt ist schnell aber technisch wenig anspruchsvoll. Nach 6 Kilometern komme ich auf eine ausgebaute Straße, die phasenweise steil ist und in der prallen Sonne liegt…mir schwant für die Auffahrt wenig Gutes. 

In Malaucène hole ich mir nur kurz den Stempel beim Touristenbüro und trage die Uhrzeit ein:

2. Anstieg startet um 12:00 Uhr

Und dann geht es auch schon zum 2. Anstieg, der es von Anfang an in sich hat. 

Die ersten Kilometer sind unrhythmisch und steil, 11% Steigung in der prallen Sonne lassen den Schweiß in Strömen fließen. 

Und dann ist es das erste Mal soweit, die unausweichliche Frage (eines jeden Radsportlers) kommt mir in den Sinn: 

Warum mache ich das eigentlich? War das jetzt wirklich nötig? Hätte einmal nicht gereicht?

Nach 5 Km lässt die Steigung nach und es kommen 4 flachere Kilometer. 

Nur ein schwacher Trost, denn ich weiß, es wird wieder steiler. Steine an Straßenrand zählen die Kilometer bis zum Gipfel runter. 

Zusätzlich geben sie noch die durchschnittliche Steigung für den kommenden Kilometer an. Das ist Fluch und Segen zu gleich und hängt hauptsächlich von der angezeigten Steigung ab.

Nach 9.5 km von 21 wird es nicht nur wieder steiler, nein es wird richtig steil. 

Lange, nicht enden wollende Geraden mit 11% zerren an meinen Kräften und an meiner Moral. Ich leide. 

Umdrehung für Umdrehung kämpfe ich mich nach oben und halte Ausschau nach dem nächsten Stein am Straßenrand, immer in der Hoffnung, dass der nächste Kilometer flacher wird. 

Club des Cinglés

Zur Hälfte wird es richtig steil!

Dann ein Lichtblick: überraschenderweise wartet mein Support 9 Km unter dem Gipfel. Aus dem Nichts bekomme ich eine kalte Cola und atme ein paar Minuten durch. 

Das hilft und mit neuer Kraft mache ich mich wieder auf den Weg.

Ich habe mir den insgesamt 21 Kilometer langen Anstieg von Malaucène in zwei Teile aufgeteilt, damit ich ein Zwischenziel vor dem Gipfel habe: 

Mein Zwischenziel ist jetzt noch 3 km entfernt, von da an sind es dann noch 6 km bis zum Gipfel. 

Das ist mein nächstes Ziel. 

Unterwegs zu dem Kreisverkehr treffe ich auf andere Leidensgenossen, manche schwanken bedenklich, ob der nicht nachlassenden zweistelligen Steigung. Endlich ist das Zwischenziel in Sichtweite. 

Ich bleibe kurz stehen und schalte mir die passende Musik für die verbleibenden 6 km an. 

Die pusht mich nochmal und auf der nun schönen, schmaleren Straße komme ich wieder besser voran. 

Cola Saved my Life!

Die Zeit vergeht jetzt schneller und bald kommt der Gipfel in Sicht. Endlich oben angekommen bin ich ziemlich platt. 

Das war brutal! 

Auf dem Tacho sind jetzt 64 km und 3100 HM. 

Am Kiosk hole ich mir nochmal eine eiskalte Cola und den Stempel (man braucht vom Gipfel insgesamt nur einen Stempel). Und natürlich Zeit eintragen nicht vergessen: 

14:05 Uhr

Dann geht’s in die Abfahrt nach Sault. 

Die beginnt steil und flacht dann merklich ab. 

Die Straße ist schön und – zum Glück, denn ich muss ja gleich wieder hoch – nicht sehr steil. 

3. Auffahrt von Sault

In Sault wartet dann ein kurzer Gegenanstieg, denn den letzten Stempel hole ich mir im Touristenbüro. 

Dort kann ich auch meine Flaschen mit kaltem Wasser auffüllen. Und los geht’s zur letzten Etappe: 24km und 1186 Höhenmeter. 

Weit, aber nicht sehr steil. 

Die Straße schlängelt sich sanft durch Waldstücke nach oben und meine Beine freuen sich über die hohe Trittfrequenz. 

Die Hitze macht zu schaffen!

Mont Ventoux

Es ist zwar inzwischen sehr heiß, aber die Bäume spenden regelmäßig Schatten und machen es erträglich. Kurz bevor es auf den Schlussanstieg geht, den ich vorher von Bédoin aus schon gefahren bin, nehme ich ein bisschen Tempo raus und hole nochmal Luft. 

Ein letztes Gel für heute und nochmal Musik an. Dann beginnen die letzten 6km. 

Inzwischen sind über 4000 HM auf dem Tacho. 

Alle, die ich jetzt noch unterwegs treffe, leiden: 

Leere Blicke, Krämpfe, manche schieben ihr Rad, aber den Gipfel immer im Blick hört hier niemand mehr auf. 

Ich mobilisiere nochmal alles und komme mit einem beherzten Schlusssprint, zum dritten Mal am heutigen Tag, oben an. 

Julian hat den Mont Ventoux erreicht

Es ist geschafft: Yes! Yes! Yes!

4537 Höhenmeter sind auf dem Tacho, bei gerade einmal 116 Km. 

Ich bin glücklich, genieße zum letzten Mal den bombastischen Ausblick und lasse mich für ein Siegerfoto vor dem Gipfelschild fotografieren. 

Hatte ich mich vorher gefragt, warum ich das mache?

Darum! Für dieses Gefühl! 

Nochmal Zeit eintragen:

16:40 Uhr

Dann kommt die Belohnung: 

Abfahrt nach Bédoin. Und die hat es in sich: schnell, kaum Verkehr, abwechslungsreiche Kurven. 

Ein großer Spaß! Und 30 Minuten später sitze ich schon in Bédoin im Café, glücklich und ganz schön platt. Jetzt ist es endgültig geschafft, ein letztes Mal die Uhrzeit eintragen: 

17:10 Uhr

Und was bleibt?

Ein toller Tag auf dem Rennrad. 

Fazit meines Abenteuers vom Mont Ventoux

Der Mont Ventoux ist zu Recht einer der beliebtesten Berge für Rennradfahrer in Frankreich. 

Die Auffahrten sind landschaftlich und fahrtechnisch abwechslungsreich und machen viel Spaß (okay vielleicht nicht immer, der zweite Anstieg ist schon heftig). 

Die Stimmung ist auch super und immer wieder feuern sich die „Verrückten“ gegenseitig an. 

Dadurch, dass ich außerhalb der Ferienzeit unterwegs war, hielt sich der Autoverkehr in Grenzen und verteilte sich ganz gut auf die drei Auffahrten. 

Für alle Nachahmer, hier meine Tipps

  • Je früher ihr startet desto besser. Es gibt viele Abschnitte in der prallen Sonne und ab Mittag wird es dann schon unangenehm heiß. 
  • Die zweite Auffahrt tut einfach weh. Daher ist es egal, ob ihr von Bédoin oder Malaucènce aus startet. Ein Holländer, den ich unterwegs getroffen habe, ist von Malaucène gestartet und meinte, Bedoin war brutal. Wir haben uns dann darauf geeinigt, dass die zweite Auffahrt – egal von welchem Startpunkt aus – einfach weh tut. 
  • Das Stempelsystem funktioniert super. Ihr könnt euch die Stempel in den Touristenbüro holen, aber die Stempel gibt’s auch in vielen Cafés oder anderen Läden. Das ist total unkompliziert und der Club der Verrückten ist in der Gegend inzwischen sehr bekannt.

Ach, und übrigens: auf der Homepage gibt es ein Ranking nach Nationen.

Da ist Deutschland auf Platz 5 mit 1291 Bezwingern und Bezwingerinnen, hinter Belgien, England, Frankreich und den Niederlanden. 

Da ist auf jeden Fall noch Luft nach oben! Also auf geht’s!

PS: Hier noch der Link zu der Aktivität: https://www.strava.com/activities/2702700543

Fotos: privat

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