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Canyon Endurace im Test: Für Marathons? Für Rennen? Für alles? Meine Erfahrungen!

by Daniel

Zugegeben, das war komplettes Neuland für mich: Mit dem Canyon Endurace CF SLX fuhr ich erstmalig ein Rennrad mit Scheibenbremsen und 28 mm breiten Reifen, die aufgepumpt sogar 31 mm Breite erreichen können. Komfort, Rollverhalten und Einsatzzwecke – diese Fragen beantworte ich 1.300 km später mit diesem Erfahrungsbericht.

Canyon Endurace im Test

Da ist es! Mein erstes Rennrad mit Scheibenbremsen. Zugegeben, ein schönes.

Aber mit Scheibenbremsen???

Etwas argwöhnisch packe ich den stylishen Canyon-Karton aus und betrachte nach 5 minütigem Zusammenschrauben das Canyon Endurace wie es da noch etwas unbeholfen im Wohnzimmer steht. Mal was anderes. Ein Moment der Stille.

Zwei Unbekannte, die sich gegenseitig etwas irritiert angucken: Rennrad mit Scheibenbremsen vs. Rennrad-Blogger, der bis dato nur Felgenbremse fuhr.

Wir zwei brauchen wohl noch etwas denke ich mir und versuche meine ersten Gedanken für diesen Testbericht zu sammeln.

Endurace CF SLX im Test
Canyon Endurace im Test

Erster optischer Eindruck?

Farbe mit Stealth Black gewohnt cool vom Aeroad. Geometrie sieht wirklich seehr bequem aus. Das Aero-Cockpit mag ich eh, vielleicht ein paar Spacer zu viel drunter, die breiten Reifen (28 mm) und die Scheibenbremsen lassen mich noch zweifeln, vom Fizik Sattel ganz zu schweigen.

Ihr merkt, auch ich bin einer der Rennradfahrer, die, wenn sie an ein Rennrad denken, eher klassisch mit Felgenbremsen unterwegs sind. Scheibenbremsen am MTB sind mittlerweile normal, am Motorrad eh, aber an puristischen Rennrädern mit dünnen Reifchen, da war ich doch sehr skeptisch. Alleine, was die Optik anbelangt. Von Funktionalität kann ich nicht sprechen, hatte ja noch nie eins mit Discs.

Denn wie heißt es immer so schön: Das haben wir immer schon so gemacht!

Gute 1.300 km später (siehe Strava) bin ich schlauer und einige Erfahrungen reicher…

Diesen Fragen gehe ich im Erfahrungsbericht nach…

Was gefiel beim Allrounder von Canyon? Was nicht so? Wofür eignet sich das Bike aus meiner Sicht? Und klar, wir haben ja noch das Thema Scheibenbremsen: Wie fühlt es sich an, mit den Scheibenbremsen unterwegs zu sein? Ist Optik wichtiger als dauerhaft vernünftiges Bremsen?

Übersicht dieses Tests

1) Meine Erfahrungen mit dem Endurace
2) Ideale Einsatzzwecke
3) Meine Meinung zu den Scheibenbremsen
4) Kurzinterview mit Produktentwickler Michael Adomeit

Meine Erfahrungen mit dem Canyon Endurace

Canyon Endurace im Test

Wie immer: Die folgenden Eindrücke sind mein persönliches Empfinden. Da ich kein neutrales Prüflabor besitze, und auch nicht bei meiner Frau durchbekomme, spreche ich hier über meine subjektiven Wahrnehmungen – am Ende ja auch das, was zählt.

Optik vom Rennrad

  • wie ich eingangs schon beschrieben, das Endurace schaut wirklich sehr komfortabel aus, besonders durch die 28 mm Reifen (die aufgepumpt bis zu 31 mm breit werden), dem vergleichsweise recht hohen Lenker (Spacer können nach Bedarf runter genommen werden) und vor allem die federnde Sattelstütze
  • optisch liegt das Endurace relativ nah am Ultimate dran – z.B. aerodynamisch geformte Rohre
    • integrierte Klemme für die Sattelstütze
  • mir wurde für den Test das Endurace in Stealth Black von Canyon bereitgestellt, die Farbe, die ich ja auch schon beim Aeroad hatte: schaut böse aus, schaut gut aus, schaut zeitlos aus – und: passt zu jeder Klamotte
  • so schick der Fizik Sattel auch aussieht, bei ihm war ich insbesondere, was den Sitzkomfort anbelangt (hat zwar nix mit dem Rahmen zu tun), sehr skeptisch, später dazu mehr
  • zu dem Endurace gehört neben der komfortablen Geometrie auch die Scheibenbremsen – ohne die Discs wird das Endurace CF SLX nicht ausgeliefert

Gesamteindruck Optik:
+ edles Design, aerodynamische Formen
+ schicke Laufräder von Reynolds; extra für lange Touren geeignet
~ Optik mit Scheibenbremsen Geschmackssache
– für meinen Geschmack zu viele Spacer; können aber entfernt werden

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Canyon Endurace im Test

Fahrkomfort des Endurace

  • eine meiner ersten Empfindungen, als ich mit dem Bike unterwegs war, war wie bequem das Rad tatsächlich ist, fühlt sich an wie ein „sportliches Sofa“
  • skeptisch war ich zunächst, was die 28 mm breiten Reifen anbelangte, auch den Sattel hatte ich auf dem Kieker
  • wenn man die Reifen mit 6,5 bar aufpumpt, haben sie den geringsten Rollwiderstand. Fragt mich nicht warum, ich habe es jedenfalls in mehreren nerdigen Foren gelesen. Was mir bei den breiten Reifen sehr gefiel, war dieses „schwebende“ Gefühl. Der breite Reifen (aufgepumpt bis zu 31 mm) rollt nicht nur unglaublich, durch die Breite fährt es sich natürlich auch entspannter als mit dünneren Reifen (siehe Interview mit Engineer unten)
  • insbesondere in den Abfahrten ein sichereres Gefühl. Nicht ohne Grund habe ich meine Bestzeiten beim Schäftlarn Downhill Segment hier in München mit dem Aeroad geholt – das Bike lässt du einfach laufen
  • die elektronische Schaltung Ultegra Di2 war gewohnt komfortabel
  • ein entscheidender Faktor, was den Fahrkomfort ausmacht, ist die speziell von Canyon entwickelte Sattelstütze „Canyon S15 VCLS 2.0“. Nicht wundern, dass es während der Fahrt etwas wippt, man merkt schnell wie die Sattelstütze Erschütterungen absorbiert – es fühlt sich sehr komfortabel an. Ob es dadurch zu möglichen Leistungseinbußen kommt, kann ich nicht beurteilen
  • das Alleskönner-Bike kommt serienmäßig mit Reynolds Carbonlaufrädern (Modell: ASSAULT LE DISC)
    • optisch schöne Laufräder mit einer Felgenhöhe von 41 mm
    • Hinweis: Die Laufräder kommen vorne wie hinten mit Steckachse (höhere Steifigkeit). Die Steckachsen lassen sich bequem per Hebel an beiden Steckachsen öffnen und schließen – ihr braucht also keinen extra Imbus dabeizuhaben (sehr praktisch!)
  • an das integrierte Cockpit war ich ja schon beim Aeroad gewöhnt. Im Gegensatz zum Aeroad (H11 Cockpit) konzipierte Canyon für das Endurace mit dem H31 Cockpit ein ergonomischeres Cockpit, das zwar etwas mehr Luftwiderstand bietet, dafür aber bei langen Marathons, wofür das Endurace angedacht ist, mehr Komfort für die Hände und indirekt dann auch für Schultern, Nacken und Rücken bereithält
    • Hinweis: Viele von Euch nutzen ja die beliebte Aerohalterung beim Garmin, also die Vorrichtung, bei der sich der Garmin-Computer vor dem Lenker befindet – aufgrund des größeren Durchmessers des Aero-Lenkers reichen die standardmäßigen Aerohalterungen nicht aus. Canyon bietet für knapp 35€ eine speziell entwickelte Halterung
  • kommen wir nochmal zum Fizik Sattel: An sich ja nur ein kleines Nebenprodukt vom Endurace, jeder sollte den Sattel seiner persönlichen Wahl fahren, beim Fizik hatte ich wider Erwarten keine Sitzprobleme, auch nicht nach mehrstündigen Ausfahrten. Das hatte ich so nicht erwartet – jeder Bobbes ist anders, also bitte selbst probieren

Gesamteindruck Fahrkomfort Endurace:
+ sehr angenehmes Rollen mit breiten Reifen (schwebendes Gefühl)
+ sehr hohe Komfort-Geometrie, ausgelegt für lange Einsätze
+ hohes Sicherheitsgefühl durch breitere Reifen
+ Erschütterungen werden von Sattelstütze weggeschluckt
+ ergonomisches Cockpit

Canyon Endurace im Test

Einsatzzwecke des Allrounders

  • das Endurace bietet sich aus meiner Sicht eindeutig für lange, für sehr, sehr lange Fahrten an – also ein Rennrad für die Radmarathons dieser Welt mit vielen Anstiegen und langen Sitzzeiten im Sattel – die Sitzposition ist entsprechend aufrechter als bei einem Race Bike
  • das Endurace kann mit 28 bis 33 mm breiten Reifen gefahren werden und vergrößert dadurch seine Einsatzmöglichkeiten – also nicht nur auf der Straße, auch auf Schotterpassagen lässt sich damit ohne Angstschweiß auf der Stirn fahren
  • ich bin das Endurace sowohl bei längeren Grundlagen-Trainingsausfahrten mit Jonas Leefmann & Co. gefahren, als auch bei intensiven Intervalleinheiten
  • ursprünglich hatte ich vorgehabt, das Bike beim Frühjahrsklassiker Eschborn-Frankfurt einzusetzen, das hatte aber aus terminlichen Gründen leider nicht geklappt – das wäre ein interessanter Test gewesen
  • man kann es sicherlich auch bei schnellen Straßenrennen einsetzen, ich sehe es aber aufgrund der komfortablen Sitzposition eher bei längeren Radmarathons

So, kommen wir nun zu meinem Lieblingspunkt: die Scheibenbremsen.

Meine Erfahrungen mit den Scheibenbremsen

Canyon Endurace im Test

  • dieser Punkt ist relativ einfach für mich: Da ich nicht seit meiner Kindheit Rennrad fahre, hat sich bei mir noch kein allzu festes Bild eingebrannt nach dem Motto: So muss ein Rennrad aussehen! Soll heißen: Ich bin offen für Neues!
  • natürlich finde ich, rein ästhetisch betrachtet, ein Rennrad mit Felgenbremsen schöner, daran hat sich mein Auge in den letzten Jahren nun mal gewöhnt – aber ganz ehrlich? Nach kurzer Zeit gewöhnt man sich an die Discs und es fiel mir tatsächlich kaum noch auf – wie bei jedem iOS Update
  • funktional merkst du jedoch einen riesen Unterschied: Das Bremsen mit Scheibenbremsen ist ohne Frage zwei Klassen besser als bei herkömmlichen Felgenbremsen, da gibt es keine zwei Meinungen
  • nach langen Abfahrten erlaubte ich mir hin und wieder den Spaß und fasste bei einem kurzen Stopp die heißen Felgen meiner Mitfahrer mit Felgenbremsen an – sie im Gegenzug meine „kühlen“ Felgen
  • es bremst sich kraftvoller, auch wenn es regnet, zudem kann man das Bremsen besser dosieren; nach langen Abfahrten und viel Bremsen hat man keinen „Tennisarm“ mehr
  • auch wenn ich bei den Ausfahrten meist der einzige mit Disc-Bremsen war, ein Satz der mir recht oft zu Ohren kam, war: „Bei meinem nächsten Rennrad denke ich zumindest mal über Scheibenbremsen nach“ – sehr interessant, wie ich finde
  • wer sich für Scheibenbremsen entscheidet, sollte wissen, dass das Bike bei identischer Ausstattung laut Fachmedien ca. 600 Gramm mehr wiegt. Mir persönlich sind diese 600 g relativ egal, das sichere Bremsen überwiegt… dann mal lieber ‘nen Knödel weniger essen

Gesamteindruck Scheibenbremse:
+ funktional deutlich, deutlich besseres Bremsen
+ mehr Sicherheit, bessere Dosierbarkeit
~ Optik ist Gewöhnungssache
– etwas mehr Gewicht (ca. 600 g)

Fazit des Canyon Endurace Test

Schönes Ding! Das Endurace CF SLX ist ein klasse Allround-Rennrad für diejenigen, die sich morgens noch offen halten möchten, wo sie denn nachmittags während der Tour abbiegen. Mit dem Endurace bist du nicht nur auf Straße festgelegt, du kannst auch mal links und rechts dem nervigen Autoverkehr auf Schotterwegen entfliehen.

Obwohl einzelne Elemente, vor allem das Rohrprofil vom Racebike Canyon Ultimate übernommen worden sind, ist das Endurace aufgrund des hohen Komforts ideal für lange Marathontouren geeignet – und hat dadurch noch eine sportlichere Komponente als viele andere Marathonbikes. Standardmäßig sind mir am Vorbau persönlich ein paar Spacer zu viel unterlegt, da würde ich Euch den Tipp geben, die Höhe „scheibchenweise“ nach Eurem Gusto einzustellen.

Bitte beachtet: Dass Endurace CF SLX kommt ausschließlich per Scheibenbremse – es werden keine Modelle mit Felgenbremse angeboten. Im Dauertest haben mir die Scheibenbremsen selbst sehr gut gefallen – klar, Optik ist Geschmackssache, aber mir persönlich ist Sicherheit wichtiger als eine alt etablierte Meinung zu dem Thema. In ein paar Jahren, da bin ich mir sicher, werden zunehmend Hobbyfahrer auf Disc umschwenken – bei den Profis dürfen wir gespannt sein.

So, das waren nun meine Eindrücke vom Allrounder von Canyon. Was aber sagen die Entwickler vom Bike? Ich habe mir mal einen Produktingenieur von Canyon geschnappt und ihm ein paar Fragen gestellt…

Kurzinterview mit Produkt-Entwickler Michael Adomeit

Michael Adomeit

(c) Foto: Canyon

Der Name ist Programm, das Endurace ist ein Rad für alle Fälle. Was sind für dich aus technischer Sicht die wesentlichen Differenzierungen vom Endurace CF SLX zu den „Geschwistern“ Ultimate und Aeroad?
Endurace, Ultimate und Aeroad sind alles Spezialisten auf ihrem Gebiet. Beim Endurace ist das Thema Komfort am höchsten gewichtet, beim Ultimate vor allem Stiffness-to-Weight, beim Aeroad die Aerodynamik. Durch eine entsprechende Gewichtung dieser Eigenschaften entsteht das jeweils Charakteristische.

Für welchen Fahrertyp eignet sich das Rad? Was sind die typischen „Anwendungen“?
Typische Anwendungen sind Marathons, GranFondos, CycloSportives oder einfach ausgedehnte Touren. Mit seiner gemäßigten Geometrie, den Komfort- und Sicherheitsfeatures (Discbrake, breite Reifen) ist es das Rennrad mit der größten Zielgruppe in unserem Portfolio – es ist jedoch kein Altherren-Rad.

Das Kürzel SLX verrät, dass hier Race-Technologie im Einsatz ist, so wurde das Rad z.B. auch aerodynamisch optimiert, analog zum Ultimate! Der Name Endurace (Endurance + Race) bringt es ziemlich gut auf den Punkt!

Bei meiner ersten Fahrt fiel mir gleich der hohe Komfort auf. Wie viel Augenmerk habt ihr bei der Konstruktion auf dieses Thema gelegt?
Komfort ist die am höchsten gewichtete Eigenschaft bei dem Rad. Angefangen bei der Reifen-Felgenkombination, über das versetzte Sitzrohr in Kombination mit der S15 VCLS 2.0 Sattelstütze, das komfortable Ergocockpit CF, bis hin zur Endurace-spezifischen, gemäßigten Geometrie dient alles diesem Zweck. Damit ist das Rad ein Vorreiter beim allgemeinen Trend der „Versatility“ (Vielseitigkeit), sowohl was den Einsatzzweck betrifft, als auch die Zielgruppe.

Freche Frage: Wenn das Rad sehr komfortabel ist, bleibt da nicht Sportlichkeit auf der Strecke? Wie habt ihr das ausbalanciert?
Komfort ist die Abwesenheit von hohen Beschleunigungen, die durch Unebenheiten der Fahrbahn entstehen. Diese vornehmlich vertikalen Beschleunigungen kosten den Fahrer Energie in Form von Haltearbeit…Energie, welche dem Vortrieb nicht mehr zur Verfügung steht.

Komfort ist also kein reines Feel-good-Feature, Komfort macht länger schnell! Zahlenmäßig schwer zu fassen, aber über die Dauer schön zu fühlen (Sinnesorgane für Komfort sind Hände, Schultern, Nacken, Rücken, Popo ;-)

Apropos 28 mm breite Reifen. Ich war überrascht wie „angenehm“ diese Reifen beim Endurace rollen. Gibt es hierzu belastbare Studien?
Ja, dazu gibt es Messungen von Continental. Ein 28er Reifen hat bei gleichem Druck immer einen geringeren Rollwiderstand als ein schmalerer Reifen. Das hängt mit der Form des Reifenlatsches (Kontaktfläche des Reifens zur Fahrbahn) zusammen, der eher in die Breite geht als in die Länge. So hat ein 28er Reifen bei 6.5 bar denselben Rollwiderstand wie ein 25er Reifen bei 7.5bar.

Das Endurace CF SLX kommt in allen Varianten per Scheibenbremse. Was war hierfür der Grund?
Komfort! Warum? Weil ein 28er Reifen auf einer 18c Felge effektiv über 30mm in der Breite misst, sind Felgenbremsen platztechnisch einfach nicht mehr möglich! Mit Scheibenbremsen existiert dieses Problem nicht mehr. So gesehen haben Scheibenbremsen die Kategorie der Marathon-Komfort-Rennräder erst wirklich ermöglicht, denn für den Komfort und die Vielseitigkeit spielt der Reifen eine absolut entscheidende Rolle!

Ganz persönliche Abschlussfrage: In welchem Setting gefällt es dir selbst am besten?
Mein Testrad in „Kerosene Red“: Mit Di2, Disc-Brakes, Schwalbe-Tubeless Reifen (Test-Setting, nicht Serie) ein zukunftsweisender State-of-the-Art Renner, der zu mir als „Langbeiner“ geotechnisch einfach perfekt passt!

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