Der KOTL, Abkürzung für King of the Lake, hat sich zu einer echten Institution in der Jedermannszene entwickelt. Knapp 48 km Zeitfahren um den abgesperrten Attersee: Strecke geil, sportliche Challenge geil und Wetter meist auch immer geil! Vier Teilnehmer, zwei davon aus der absoluten Spitze, geben uns Einblicke in Taktik, Leistungswerte und ihr Material – beim Zeitfahren zählt bekanntlich jedes noch so kleine Detail, um möglichst wenig Luftwiderstand zu erzeugen.
Von den Besten lernen!
Das Rad braucht man nicht immer neu zu erfinden, lieber mal auf die schnellen Jungs gucken, wie die das so machen!
Training, Strategie, Zeitfahr-Setup & Co.!
Nach der KOTL Ausgabe in 2018 sprach ich unter anderem mit Tino Beck und Holger Koopmann, beide in den Top 10 beim KOTL, über ihre Herangehensweise für das knapp 48 km lange Zeitfahren um den Attersee.
Ebenfalls sehr interessant fand ich die Antworten, die ich von Christoph Bath und Marcus Leinweber bekommen habe – insbesondere Christoph interessierte mich persönlich sehr; vor ca. 3-4 Jahren waren wir beide einigermaßen auf „Augenhöhe“ bei den kürzeren Radmarathons wie z.B. dem Arlberg Giro, in den Jahren danach legte Christoph aber mächtig einen drauf, beim Ötzi im letzten Jahren finishte er bei etwas über 7:50 Stunden – der absolute Wahnsinn!
Allen vier Teilnehmern stellte ich die gleichen Fragen, mal gucken, wie ihre Antworten ausfallen.
Übersicht der vier Teilnehmer und ihrer Zeiten beim KOTL 2018
1) Tino Beck (Platz 5): 1:00:36 (46,7 km/h)
2) Holger Koopmann (Platz 7): 1:01:10 (46,3 km/h)
3) Christoph Bath (Platz 273): 1:12:15 (39,2 km/h)
4) Marcus Leinweber (Platz 308): 1:13:10 (38,7 km/h)
Holger Koopmann und Christoph Baths Antworten findet ihr auf dieser Seite, die von Tino Beck und Marcus Leinweber auf der zweiten Seite dieses Artikels (zur zweiten Seite!).
KOTL 2018: Vier Teilnehmer über ihre Performance!
Freies Feedback vorweg, wie war dein KOTL 2018? Was bleibt hängen?
Holger Koopmann (Team Strassacker): Das war wirklich eine superschöne und mit ganz viel Herzblut top organisierte Veranstaltung. Dazu die fantastische Location mit dem Attersee und eine Strecke, die sich toll fahren lässt und doch ein paar kleine Herausforderungen parat hält.
2018 war aber auch einfach alles perfekt: Es blieb trocken, die Sonne schien und der Wind blies aus der richtigen Richtung.
Christoph Bath (RV Sturmvogel München): Lass‘ es mich so formulieren: Der KOTL hat es auf Anhieb in die Merkliste meines übervollen Hobbyluschen-Veranstaltungskalenders für die kommende Saison geschafft!
Überzeugend ist vor allem die professionelle Aufmachung – näher werde ich „Feel-like-a-Pro“ in diesem Leben wohl nicht mehr kommen (Startrampe!).
Auch die Fan Zones entlang der Strecke und die Möglichkeit, Zuschauer und Starter in einem zu sein, machen einen besonderen Reiz aus.
Wahnsinn, wie die Bundesliga-Teams und „Schorschi“ Preidler da langbügeln.
Leider hat sich auf dem Heimweg aber auch einmal mehr die Frage gestellt, warum solche Veranstaltungen insbesondere in Bayern regelrecht verhindert werden?
Hast du deine Zielzeit erreicht? Was war deine Zielzeit?
Holger Koopmann (Team Strassacker): Ich hatte mir im Vorfeld vorgenommen, unter die Top 10 zu fahren und mit der Zeit unter 1h02m zu bleiben, also so ungefähr eine 46er Schnitt. Da war man in den Vorjahren immer ganz vorne mit dabei.
Letztendlich bin ich nach 1h01m10s im Ziel gewesen und habe auch lange die Bestzeit gehalten. Aber die Bedingungen waren dieses Jahr so gut, dass viele Fahrer persönliche Bestzeiten gefahren sind und so blieben diesmal sogar 14 Fahrer unter der 01h02m Grenze. Für mich hat es aber zum angestrebten Ziel gereicht.
Christoph Bath (RV Sturmvogel München): Ein längerer krankheitsbedingter Ausfall hat meine zweite Saisonhälfte ziemlich durcheinander gewürfelt. Ich bin froh, überhaupt (so schnell) wieder auf dem Rennrad sitzen zu können. An ambitionierte Zielzeiten war aber erstmal nicht mehr zu denken.
Aber: Du hast mich im Frühjahr als Bergfloh (gegen diese Einordnung verwehre ich mich ausdrücklich!) auf unter 1:10 Stunden taxiert. Angesichts meiner Zielzeit von 1:12:12 Stunden wäre das auf jeden Fall drin gewesen.
Was war aus deiner Sicht der Grund, warum du sie übertroffen/nicht erreicht hast?
Holger Koopmann (Team Strassacker): Das ist schwer zu sagen und natürlich auch immer ein wenig tagesformabhängig. Ich denke aber, ich habe mir das Rennen ganz gut eingeteilt, habe es nicht, wie ich es sonst bei kürzeren Rennen ganz gerne mache, zu schnell angehen lassen und hatte somit hinten raus noch Reserven.
So habe ich in meiner, der eigentlich immer stärksten AK (U50), auf den letzten 2 km sogar noch die schnellste Rundenzeit fahren können.
Frage zur Vorbereitung: Wie hast du dich im Training auf das Zeitfahren vorbereitet?
Holger Koopmann (Team Strassacker): Ich habe in diesem Jahr generell das Zeitfahren sehr in meinen persönlichen Fokus gestellt. So hatte ich bereits im Mai bei der Tour de Kärnten (Anm. Daniel: Schaut euch mal unser GRATIS E-Book zur TdK Vorbereitung an!) ein Zeitfahren über 40 km und wusste was von der Streckenlänge her auf mich zukommt.
Die Zeitfahren, die ich sonst bestreite, sind allerdings immer nur so 15-20 km lang. Da ich aber in Köln regelmäßig an den Zeitfahren auf der „Panzerstraße“ am Köln/Bonner Flughafen teilnehme, kenne ich meine Leistungswerte recht genau und konnte daher auch gut einschätzen, was ich über „die Stunde“ treten kann.
In den letzten Wochen hatte ich allerdings einige muskuläre Probleme, nachdem ich meinte, meine Aeroposition vor der Master-WM in St. Johann noch verbessern zu müssen.
So war ich gezwungen im Training rauszunehmen und ich habe mich vor allem darauf konzentriert, dass sich meine Muskulatur in der linken Hüfte wieder erholt. Ich habe daher eher kürzere Sweet-Spot Einheiten und längere Grundlageneinheiten absolviert und habe nur am Dienstag vor dem Rennen eine kurze Generalprobe absolviert, um zu schauen wo ich stehe.
Christoph Bath (RV Sturmvogel München): Ich bin seit dem Maratona (1. Juli) bis Mitte/Ende August quasi gar nicht mehr Rad gefahren – daher war es auch nichts mit spezieller Vorbereitung.
Ich hätte aber auch sonst nicht viel an meinem Training gedreht, außer vermehrt in Unterlenkerhaltung oder ganz saganesk auf den Lenker gelegt, lange Intervalle zu fahren, um während des Zeitfahrens möglichst viel in diesen Positionen fahren zu können.
Was war deine größte „Sorge“ für den KOTL – womit hast du dich vorweg am meisten beschäftigt?
Holger Koopmann (Team Strassacker): Wie gesagt wusste ich durch das Zeitfahren der Tour de Kärnten ja ganz gut was auf mich zukommt. Ich hatte bei meinem Gewicht allerdings ein bisschen Sorge, dass mir das „mehr“ an Höhenmetern ggü. der TdK beim KOTL zu schaffen machen wird. Da ich mein Training aufgrund der o.g. Gründe in den letzten Wochen zurückfahren musste, hatte ich gewichtsmäßig nämlich einiges zugelegt.
Das Wetter ist ja immer etwas, was man nicht beeinflussen kann, und man auch erst kurzfristig sieht. Da muss man einfach mit Leben.
Aber ich habe mir tatsächlich viele Gedanken gemacht, ob meine Muskulatur mitspielt und ich aufgrund der Trainingsreduktion meine angepeilte Watt-Zielleistung von 370 Watt (die hatte ich bei der TdK getreten) würde halten können.
Letztendlich habe ich mein Zeitfahr-Cockpit nach der Master-WM in St. Johann wieder um 3 cm nach oben gebaut und ein paar Tage vor dem KOTL hatte ich zum ersten Mal wieder das Gefühl, das die Schmerzen in der linken Hüfte nachlassen und ich auf einem guten Weg bin. Wegen der Wattwerte war ich aber immer noch unsicher.
Christoph Bath (RV Sturmvogel München): Aufgrund meiner Fokussierung auf Radmarathons absolviere ich viele (sehr viele!) lange Intervalle an der Schwelle und weiß wie anspruchsvoll es körperlich und mental ist, die Leistung über eine so lange Zeit hochzuhalten.
Und das über 70 Minuten? Puh …
Hinzu kommt, dass ich meine aktuelle Schwelle bestenfalls grob schätzen konnte.
Auch was die Motivation angeht, war ich mir ziemlich unsicher: Kann ich die über die Renndauer aufrecht halten, so ohne konkrete Zielsetzung?
Alles in allem also beste Voraussetzungen für ein 47 Kilometer langes Zeitfahren!
Wie war es dann in der Realität? Traf(en) diese Befürchtung(en) zu? Wie bist du damit umgegangen?
Holger Koopmann (Team Strassacker): Im Nachhinein muss ich sagen: völlig unbegründet. Ich habe durchschnittlich sogar 2 Watt mehr als bei der TdK getreten und hatte eine NP von 374 Watt.
Damit war ich sehr zufrieden. Ich habe die Durchschnittswatt an meinem Garmin in der Displayanzeige eingestellt.
So kann ich zu Beginn des Rennens ganz gut steuern, das ich nicht überpace und zum Ende hin, als ich merkte, dass es läuft, hat es mich motiviert, die Wattzahlen zu halten.
Christoph Bath (RV Sturmvogel München): VIEL besser als erwartet – oder besser gesagt: befürchtet.
Ich habe meine aktuelle Leistungsfähigkeit irgendwo zwischen 250 und 270 Watt verortet. Dazu hat gefühlt jeder Mensch in Seewalchen gemahnt, die Sache anfangs tunlichst nicht zu hart anzugehen.
Wegen der Hügel auf dem zweiten Teil der Strecke, weißt du? Die Hügel! Darunter auch Christian Grasmann – direkt nach seiner Zieldurchfahrt. Und Ratschläge dieses Kalibers beherzigt man lieber.
Meine Strategie war somit denkbar einfach: Erste Rennhälfte Autopilot auf 255 Watt, Herzfrequenz im Auge behalten und dann “Ma’ gucken, was geht”.
Und da es erstaunlich gut ging, habe ich die zweite Hälfte angezogen.
Ungemein hilfreich war der Modus: Aufgrund der engen Startzeiten war man zu keiner Zeit allein auf der Strecke. Auch die Zuschauer, insbesondere auf der zweiten Hälfte, haben einen immer wieder motiviert.
Insgesamt, muss ich sagen, hätte ich es mir wesentlich härter vorgestellt, nix mit Kotzgrenze (Anm. Daniel, wer nicht kotzt oder längere Rotzefäden am Kinn hat, hat eindeutig noch Luft nach oben!).
Vielleicht bin ich es auch zu konservativ angegangen. Allerdings hatte ich nicht das Gefühl, ich hätte schneller fahren können.
Zeitfahren ist immer eine Materialfrage. Kannst du uns dein Setup beschreiben?
Holger Koopmann (Team Strassacker): Ich hatte ein paar Jahre mit dem Zeitfahren ausgesetzt und nach ganz guten Ergebnissen 2016, wo ich nur ein Rennrad mit Aufliegern nutzte, mir dann doch nochmal die Frage gestellt „Was geht mit vernünftigem Material?“.
Ich wollte aber auch nicht die Welt investieren. Es wird da ja eh immer ein ziemlicher „Marketing“-Hype ums Material gemacht, aber teuer ist nicht immer = gut!
Ich habe dann hier im Köln Jan Smekal kennengelernt, der mit seiner Firma Lambda-Racing die TT-Rahmen der Marke AVENGER vertreibt (Du Daniel hattest den Rahmen bei Deiner Fotosession beim letztjährigen KOTL ja auch schon bewundert!).
Das sind wirklich klasse Rahmen, die zu einem vergleichsweise günstigen Preis zu haben sind.
Dazu habe ich mir dann aber doch eine elektronische Schaltung gegönnt und bin mit der SRAM Etap super zufrieden. Kein Vergleich zum Schalten mit Schalthebeln. Man kann sich einfach nur aufs Fahren konzentrieren. Die Laufräder fahre ich von Fast Forward (vorne ein 90mm Carbon Clincher Laufrad und hinten die Carbon Clincher Scheibe), die ein klasse Preis-Leistungsverhältnis und tolle Qualität bieten.
Mein Zeitfahranzug kommt über mein Team von unserem Partner MAISCH SPORTSWEAR, die mir den Anzug in diesem Jahr extra für die Zeitfahren der zweiten Jahreshälfte angefertigt haben.
Im Prinzip ist der Anzug wie mein bisheriger Castelli Anzug. Nur das MAISCH den halt auch für jedes Team im individuellen Design fertigt. Da bin ich wirklich sehr zufrieden mit! Das war der richtige Weg und ab 2019 hat MAISCH den auch offiziell im Angebot.
Aber man steht ja nie still … für 2019 bin ich gerade dabei mit dem Berliner Technikguru Robert Kühn ein wenig am Innenlager und den Schaltröllchen zu optimieren. Dazu werde ich auf 1-fach Kettenblatt mit 58 Zähnen umrüsten. Ich bin schon sehr gespannt, was da so geht!?
Christoph Bath (RV Sturmvogel München): Meine materialbezogene zeitfahrspezifische Vorbereitung bestand darin, mein engstes Trikot anzuziehen und die Reifen ganz besonders hart aufzupumpen.
Ansonsten bin ich, mangels Alternativen, mit meinem Standard-Setup gefahren: Cervelo R3 mit Reynolds-Laufrädern.
Ich fahre grundsätzlich ohne Spacer unterm Vorbau (das R3 hat aber auch eine halbwegs humane Geometrie) – mehr Aero geht für mich also nicht.
War der KOTL dein Saisonabschluss oder kommt noch was?
Holger Koopmann (Team Strassacker): Noch nicht ganz. Am kommenden Wochenende starten wir mit dem Team noch beim RiderMan in Bad Dürrheim. Die Sauser Brüder stellen da eine ebenso tolle Veranstaltung wie den KOTL auf die Beine. Nur kommen nach dem Zeitfahren halt noch zwei Etappen Strassenrennen am Rande des Schwarzwalds. Ein Jedermannrennen unter Profibedingungen sozusagen.
Für uns als TEAM STRASSACKER immer der goldene Saisonabschluss und ein Rennen, welches uns leistungsmäßig einfach sehr entgegenkommt.
Die Woche drauf fahre ich in Köln dann noch bei der „kölschen WM“ am Eigelstein im Master II Lizenzrennen mit. Dann reicht es aber auch für dieses Jahr.
Christoph Bath (RV Sturmvogel München): Winter is coming, Cross Season is coming! Ende Oktober steht der Munich Supercross im Olympiapark an.
Und da ich kommendes Jahr Klassiker fahren will, geht ab November sowieso schon die neue Saison los.
Würdest du in 2019 wieder an den Start gehen beim KOTL? Wenn nein, warum? Wenn ja, was würdest du ggf. ändern?
Holger Koopmann (Team Strassacker): Ja, auf jeden Fall … bzw. ich muss da leider auch ein wenig schauen, wann der Termin 2019 im Rennkalender liegt.
Wenn es sich wie in den Vorjahren mit dem RiderMan kreuzt, dann muss ich schauen, ob das möglich ist, da die Teamrennen für mich i.d.R. oberste Priorität haben. Aber der Reiz mit optimaler Vorbereitung an den Start zu gehen, und zu sehen was geht, wäre natürlich da.
Am Rennen selbst muss man nichts ändern, das ist alles perfekt. Ich würde mir lediglich wünschen, dass es für die Daheimgeblieben, die den Wettkampf aus der Ferne online verfolgen eine weitere Zwischenzeit nach 24 km gibt und die Kilometerpunkte der Zwischenzeiten zur besseren Orientierung auch entsprechend gekennzeichnet sind.
Und vor Ort fehlte mir nach meinem Rennen ein wenig der Überblick, wie meine Zeit nun war und an welcher Position ich liege und wie sich das im weiteren Verlauf des Wettkampfes entwickelt. Da wären ein paar Monitore mit einer Übersicht der Zwischenstände toll!
Christoph Bath (RV Sturmvogel München): Auf jeden Fall!
Das war mein erstes Zeitfahren und es war geil!
Natürlich möchte ich auch wissen was geht, wenn ich in persönlicher Bestform am Start stehe – idealerweise mit einem Zeitfahrrad (wenn also jemand noch eine gute Tat vollbringen will ;D).
Außerdem stellen die Veranstalter im Salzkammergut einfach immer wieder tolle Events auf die Beine – auch der Eddy Merckx Classic gehört zu meinen Favoriten. Ein großes “Dankeschön!” und “Weiter so!” an dieser Stelle an die Organisatoren.
Und natürlich an dich, Daniel!
Fotos: Sportograf, Gottfried Gärtner
>> Hier geht es zum zweiten Teil mit Tino Beck (Platz 5) und Marcus Leinweber (Platz 308)