- Ketogene Ernährung findet ähnlich wie der Begriff „Lowcarb“ in den Medien immer wieder Erwähnung
- Felix beschreibt im heutigen Blogpost, was Keto genau ist
- und wie der menschliche Körper in die sogenannte Ketose kommen kann
- extrem wichtig – wer sollte hiervon dringend die Finger lassen? V.a. alle, die ambitioniert trainieren und durch das Training dringend Kohlenhydrate zu sich nehmen MÜSSEN!
Von Felix Kummer
Die ketogene Ernährungsweise wird seit geraumer Zeit vor allem bei Sportlern, die Langdistanzwettkämpfe absolvieren, immer populärer.
Sicher hast du auch schon einmal von ihr gehört.
Heute möchten wir darauf eingehen, wie man sich eine Ketodiät zunutze machen kann und welche Vorteile sie möglicherweise bringt.
Wichtig zu Beginn: Die ketogene Ernährung soll nicht im Widerspruch zur klassischen Trainingslehre oder einer üblichen Ernährungsstrategie stehen. Gerade im klassischen Radsport ist eine kohlenhydratreiche Ernährung unumgänglich. Wer an Radrennen teilnimmt oder ambitionierter trainiert, sollte dringend hiervon die Finger lassen!!!
Sie stellt lediglich einen weiteren Ansatz dar, der für einige (wenige) Athleten als Experiment durchaus interessant sein kann.
Ob eine Ketostrategie funktioniert und Erfolge einfährt, hängt nicht zuletzt vom Stoffwechseltyp, der Genetik und den Gewohnheiten eines jeden Sportlers ab.
Was bedeutet „ketogen“?
Unter einer ketogenen Ernährung respektive einer Ketodiät versteht man eine besondere Kostform, bei der weitgehend eine Kohlenhydrataufnahme vermieden wird.
Klassische Lebensmittel wie Brot, Obst oder die bei Radsportlern berühmte Pasta, sind also tabu. Auch Sportgetränke, Kohlenhydratriegel oder Gels dürfen in diesem Falle nicht konsumiert werden.
Die besondere Herausforderung liegt darin, nur 20g-30g Kohlenhydrate pro Tag zu verzehren. Es muss dementsprechend auch auf Lebensmittel verzichtet werden, die nur geringe Teile Carbs enthalten, wie zum Beispiel viele Gemüsesorten.
Das einzige Fenster, in dem Kohlenhydrate aufgenommen werden dürfen, ist gegebenenfalls zugunsten der Regeneration, direkt nach der Belastung oder dem Training.
Für wen kann ketogene Ernährung was sein – und für wen auf keinen Fall?
OK: Personen oder Hobbysportler, dir vor allem moderat trainieren
OK: Gesundheitsorientierte Menschen, die einige Stunden Ausdauersport pro Woche zusätzlich machen und ihre Körperzusammensetzung optimieren wollen
Zum Teil: Einige sehr gut trainierte Ausdauersportler auf der Langdistanz, z.b. für Ironman, Race Across America, wo Intensität keine Rolle spielt.
Absolutes No-Go: Reine Radsportler, die strukturiert intensiv trainieren oder Wettkämpfe mit harten Anteilen fahren. Sobald Glykogen benötigt wird, z.b Tempopace oder höher.
Wie ernähre ich mich ketogen und was darf ich essen?
In der ketogenen Diät dienen vor allem Fette als Hauptenergieträger für den Körper. Erlaubt sind also fettreiche Lebensmittel, die möglichst keine oder nur sehr wenige Kohlenhydrate enthalten.
Beispiele sind vor allem tierische Lebensmittel wie Käse, Fleisch oder Fisch als Hauptenergieträger, ergänzt von zuckerarmem Gemüse und Nüssen.
Nicht selten werden zur Deckung des Energiebedarfs spezielle Fette und Öle als Nahrungsergänzung eingesetzt. Vielleicht hat der ein oder andere schon von sogenannten MCT-Ölen gehört.
Dies sind Flüssigkeiten die vorwiegend aus mittelkettigen Fettsäuren bestehen, die unser Körper sehr effektiv verstoffwechseln kann.
Die Grundidee der Ketodiät
Klar ist, dass es wissenschaftliche Gründe geben muss, die eine derart eingeschränkte Ernährung rechtfertigen. Wie aus der Ernährungsphysiologie unseres Körpers bekannt ist, gewinnen wir unsere Energie aus 4 verschiedenen Quellen.
Im Wesentlichen sind das vor allem Kohlenhydrate (aerobe und anaerobe Glykolyse) und Fette (Lipolyse). Auf die Energiebereitstellung durch Kreatinkinase sowie Umwandlung von Proteinen wird hier nicht weiter eingegangen, denn das spielt in diesem Fall nur eine untergeordnete Rolle.
Wir verstoffwechseln Kohlenhydrate am leichtesten, deshalb stellen diese in der Regel und bei einer normalen Ernährung die meiste Energie für unseren Körper bereit – zumindest kurzfristig bei hoher Belastung.
Parallel zu den Kohlenhydraten verbrennen wir bei moderater Belastung zunehmend Fette, denn Nahrungsfette oder Körperfett verstoffwechseln wir deutlich langsamer als Zucker.
Kohlenhydrate zunehmend bei höherer Belastung
Grundlegend kann deshalb gesagt werden: je höher die Belastung desto mehr verschiebt sich die Energiegewinnung in Richtung Kohlenhydratstoffwechsel.
Je niedriger die Belastung, desto eher laufen wir auch bei normaler Ernährung im Fettstoffwechsel.
Ein wesentlicher Grundgedanke, auf dem der Ansatz der Ketodiät beruht, ist die Tatsache, dass unser Kohlenhydratvorrat im Körper endlich ist.
Kohlenhydratvorrat im Körper ist begrenzt
Jeder der schon einmal vom gefürchteten „Hungerast“ heimgesucht wurde, war in der Situation, dass der Kohlenhydratspeicher aufgebraucht war.
Der Grund warum dann „nichts mehr geht“ liegt darin, dass unser Energiestoffwechsel immer mit allen Energieträgern parallel arbeitet und sich je nach Belastung nur die Gewichtung verschiebt.
Selbst wenn wir also noch genügend Fettreserven haben, benötigen wir einen kleinen Teil Kohlenhydrate, damit unser Motor läuft.
Beim Wettkampf oder Training heißt das: je länger wir Kohlenhydrate im Speicher haben, desto länger können wir eine Belastung aufrecht halten, denn unsere Fettspeicher sind zumindest in der Praxis nahezu unerschöpflich.
Ein paar Zahlen sollen verdeutlichen, wie es im Körper um unsere Treibstofftanks bestellt ist
Als Faustregel können wir annehmen, dass ein gut trainierter 70Kg schwerer Ausdauerathlet ca. 500 Gramm Kohlenhydrate in seiner Muskulatur speichern kann.
Zucker/Kohlenhydrate besitzen eine Energiedichte von 4 kcal/1g. Das bedeutet, der Athlet kann 2000kcal Energie aus Kohlenhydraten schöpfen (ohne eine zusätzliche Nahrungsaufnahme).
Gehen wir von einem Körperfettanteil des Athleten von ca. 10% aus, resultiert das in 7Kg Körperfett.
1 Gramm Fett liefert eine Energiemenge von ca. 9kcal
In Körperfett ist immer ein gewisser Teil Wasser gebunden, deshalb können wir die Faustregel heranziehen, dass 1g Körperfett ca. 9 kcal liefert. Unser Athlet kann also (7kgx9000kcal) 63000 Kcal aus seinen Fettreserven schöpfen.
Unser Athlet kann also (7kgx7000kcal) 49000 Kcal aus seinen Fettreserven schöpfen.
An den Zahlen sehen wir sehr deutlich, dass die Kohlenhydratspeicher deutlich eher aufgebraucht sind, als die Fettreserven eines Athleten.
Beachtet man zusätzlich die Tatsache, dass bei hoher Belastung fast ausschließlich Carbs verbrannt werden, wiegt dieser Umstand umso gravierender.
Die Grundidee besteht also darin, eine Strategie zu entwickeln, bei der wir möglichst wenige Kohlenhydrate verbrennen.
Je weniger Carbs wir verbrauchen, desto länger kann unser Stoffwechsel mit allen Energieträgern parallel arbeiten.
Mit der Ketodiät Kohlenhydrate einsparen
Jedem ist sicherlich bekannt, dass wir die Belastung vermindern müssen, damit weniger Kohlenhydrate verbrannt werden, oder anders ausgedrückt, sich dann der Stoffwechsel in Richtung Fettverbrennung verschiebt.
Beachtet man jedoch, dass auch bei moderater Belastung beziehungsweise beim Sport grundsätzlich, der Kohlenhydratverbrauch verhältnismäßig hoch ist, kommt dieser Ansatz schnell an Grenzen.
Als Experiment könnte man einmal eine längere Grundlageneinheit ohne Nahrungsaufnahme fahren, um zu sehen nach wie viel Kilometern oder Stunden spätestens die Erschöpfung eintritt.
Der Stoffwechsel und welche Energiequelle verbrannt wird, lässt sich allerdings nicht nur durch die Intensität der Belastung verschieben, sondern auch durch die Ernährungsweise – und hier kommt die Ketodiät ins Spiel.
Energieträger laufen parallel
Wie bereits erwähnt, verbraucht unser Körper immer alle Energieträger parallel. Je nachdem welche Nahrung wir vorwiegend zu uns nehmen, passt er sich mit der Verbrennung der Energieträger auch im Ruhezustand an.
Trivial kann gesagt werden, dass so lange wir Kohlenhydrate essen wir auch Kohlenhydrate verbrennen. Kohlenhydrate werden am schnellsten verstoffwechselt und liefern dadurch am schnellsten Energie – darum wählt unser Körper diese Strategie.
Im Ruhezustand hat unser Organismus allerdings Ausweichmechanismen und kann in aufwendigen Prozessen auch aus anderen Energieträgern Kohlenhydrate herstellen oder eigene Energieträger produzieren.
Wäre dies nicht der Fall, würden wir innerhalb weniger Stunden verhungern, wenn wir nicht ständig Kohlenhydrate zuführen würden.
Wenn wir in einer Ketodiät also auf Kohlenhydrate verzichten, passt sich unser Stoffwechsel in Richtung Fettverbrennung an. Wir verbrauchen dann bereits im Ruhezustand deutlich weniger Kohlenhydrate als üblich.
Studien haben gezeigt, dass der Kohlenhydratverbrauch für die Grundfunktionen unseres Körpers (z.B. Gehirnfunktion) um bis zu 70% bei ketogener Ernährung sinkt.
Diese Effekte übertragen sich auch auf Belastungszustände. Eine Studie mit 2 Gruppen von Ausdauerathleten (normale vs. Ketogene Ernährung) hat etwas vereinfach dargestellt folgendes Ergebnis geliefert:
Während bei der normalen Gruppe ein deutlich erhöhter Kohlenhydratbedarf ab 50% der VO2max zu verzeichnen war, hatte die ketogene Gruppe einen ähnlichen Kohlenhydratverbrauch erst bei 70% der VO2max.
Folglich wurde also im Bereich von 50-70 Prozent der VO2max wesentlich mehr Energie aus den Fettspeichern gewonnen.
Was bedeutet das für sehr moderates Grundlagentraining?
Nehmen wir das gerade beschriebene Ergebnis heran und verdeutlichen anhand einiger Zahlen die Bedeutung im Training. Es wird zum besseren Verständnis wieder etwas vereinfacht betrachtet.
Wir nehmen an, ein Athlet verbraucht bei einer Intensität von 70% der VO2max ca. 750 kcal pro Stunde. Bei normaler Ernährung bezieht in diesem Bereich ungefähr 70% der Energie aus Kohlenhydraten, wobei dieser Wert je nach Trainingsstatus und Fahrertyp schwanken kann.
Das bedeutet, er verbraucht 525 kcal aus seinem Kohlenhydrattank pro Stunde. Mit dem eingangs erwähnten Speicher von 2000 Kalorien, wäre also nach etwas weniger als 4h Schluss mit Training.
Der gleiche Athlet bezieht nun durch Unterstützung der ketogenen Diät nur 50% der Energie aus Kohlenhydraten und leert seinen Tank mit 375 kcal pro Stunde. Er kann jetzt über 5 Stunden trainieren.
Exkurs Ketonkörper
Ein wichtiger Effekt, der bei einer strikten Ketodiät eintritt, ist die Bildung von sogenannten Ketonkörpern.
Ketonkörper sind Energieträger die unser Körper bei Kohlenhydratmangel aus Körper- oder Nahrungsfetten herstellen kann. Ketonkörper werden ähnlich gut wie Kohlenhydrate verwertet, dass bedeutet, ein Athlet kann seinen Kohlenhydratbedarf bei moderater Belastung oder im Ruhezustand auf nur wenige Prozent des Gesamtenergieverbrauchs senken.
In der Praxis können dann sehr lange Belastungen bei VO2max bis ca. 70% gefahren werden. Es gibt viele Beispiele in denen Sportler Ultradistanzen absolviert haben, ohne Nahrung aufzunehmen.
Mit der Ketodiät die Grundlagenausdauer maximieren – die Praxis
Zusammenfassend ist festzustellen, dass wir mit der Ketodiät eine Verschiebung des Energieverbrauchs in Richtung Fettstoffwechsel erreichen können.
Unsere Kohlenhydratspeicher bleiben bei mittlerer Belastung also länger gefüllt.
Extrem wenig Kohlenhydrate verbrauchen wir, wenn unser Stoffwechsel die Ketose erreicht hat und unser Organismus Ketonkörper herstellt und verbrennt.
Auf unsere Leistung haben jetzt 2 Faktoren eine positive Auswirkung
Die erste ist unabhängig vom Training.
Läuft unser Fettstoffwechsel auf Hochtouren bzw. verbrennen wir Ketonkörper werden wir Grundsätzlich deutlich längere Distanzen fahren können.
Weiterhin, können wir auch, wie in der VO2max Studie gezeigt, mehr Leistung aus dem Fettstoffwechsel generieren und sind dadurch schneller, ohne unsere Carbs zu verbrauchen.
Wir können also den Grundlagenbereich im übertragenen Sinne, was die VO2max angeht, nach oben verschieben.
Der zweite Effekt ist der Trainingseffekt, der sich durch sehr lange Grundlageneinheiten einstellt. Denn laufen wir im Fettstoffwechsel werden wir ungleich mehr Trainingsstunden absolvieren können, als bei Normalkost.
Natürlich gibt es Methoden, die mit weniger Zeitaufwand die Leistung steigern. Allerdings kann es in einigen Fällen trotzdem sinnvoll sein über eine gewisse Zeitspanne „Kilometer“ zu machen und extreme Langdistanzen ins Training einzubauen.
Auch in einem Trainingslager ohne lange Regenerationsphasen und mit hohen Umfängen wird sich eine Ketodiät mit hoher Wahrscheinlichkeit als vorteilhaft erweisen, sofern im moderaten aeroben Bereich trainiert wird.
Praxistipp 1: Zur Umstellung des Stoffwechsels sollte mindestens 1 Woche auf Kohenhydrate verzichtet werden. Schon eine kleine Menge Carbs verhindert die Ketose. Ob man in der Ketose läuft, merkt man an einem speziellen Geschmack im Mund, den man nur wahrnimmt, wenn sich Ketonkörper im Blutkreislauf befinden. Als Faustregel gelten maximal 20-30 Gramm Carbs pro Tag.
Praxistipp 2: Unser Körper benötigt auch während einer Ketodiät eine geringe Menge Kohlenhydrate. Diese ist theoretisch mit 20-30 Gramm pro Tag erreicht. Ein Trick mit dem wir auch mehr Carbs vertragen: direkt nach dem Training oder einer Belastung 50 Gramm extra Carbs zu sich nehmen. Dies fördert die Regenration und beeinträchtig nicht den Fettstoffwechsel. Der Grund hierfür ist, die Kohlenhydrate werden nicht direkt verstoffwechselt, sondern gespeichert. Der zweite Vorteil besteht darin die Lebensmittelpalette etwas erweitern zu können. Somit ist zum Beispiel auch Obst in einer Ketodiät drin.
Eine Ketodiät kann also in Trainingsphasen mit hohen Umfängen Sinn machen und die Grundlagenausdauer erheblich steigern.
Durch die Ernährungsumstellung und die extreme Ausweitung der Umfänge (z.B. täglich Einheiten von mindestens 5h) über einen längeren Zeitraum, ergibt sich eine besondere Belastung, die nur in Teilabschnitten des Trainingsplanes Sinn machen.
Die genaue Planung einer solchen Phase sollte immer stattfinden beziehungsweise mit deinem Coach abgestimmt sein.
Wir danken Felix für diese interessanten Einblicke, weisen aber nochmal drauf hin, dass für unsere Kernzielgruppe von SpeedVille (ambitionierte Radsportler) eine ketogene Ernährung dringend (!) abzuraten ist. Siehe hier auch nochmal unser Interview mit Profi-Ernährungsberater Robert Gorgos, der auf die nicht zu unterschätzenden Gefahren hinweist!!