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„Keine Zuschauer, kaum Atmosphäre und eine Handvoll Starter“ Henning vom Canyon Rad Pack über den Unterschied zwischen Lizenz- und GCC-Rennen

by Daniel

Henning vom Canyon Rad Pack fährt, ähnlich wie ich, erst seit ein paar Jahren Rennrad. Vorher war er einer von diesen verrückten Kerlen, die sich auf einem Brett mit vier Rollen furchteinflößende Treppengeländer & Co. herunterstürzten. Ein Austausch zwischen zwei Quereinsteigern mit interessanten Erkenntnissen.

Uette Rad Pack

Wer sich für den Radsport interessiert und einigermaßen auf den Socialmedia-Kanälen aktiv ist, der wird in den letzten Jahren kaum an den Jungs & Mädels vom Rad Race (siehe Interview mit Ingo Engelhardt) vorbeigekommen sein.

Ursprünglich als 12er-Gang gestartet, die zunächst im kleinen Rahmen wilde Radrennen veranstaltete, findet man die Crew und ihre Adrenalin-Veranstaltungen mittlerweile auch auf größeren Events an, wie z.B. den Berliner Six Days oder den Cyclassics in Hamburg.

Dabei fällt neben dem erfrischend neuen Konzept nicht nur der sehr professionelle Auftritt des Ganzen auf – man merkt schnell, dass da welche am Werk sind, die gut mit Bild und Ton umgehen können – nein, die aktiven Fahrer vom Rad Race, das sogenannte Canyon Rad Pack, die können auch verdammt gut Rad fahren. Im Winter habe ich einige von ihnen immer wieder virtuell auf Zwift getroffen – da sind richtig schnelle Biester dabei.

Einer, der mir dabei aufgefallen ist, das ist „Uette“. Im echten Leben hört er auf den Namen Henning. Ob er drauf hört weiß ich nicht, steht zumindest auf seiner C-Lizenzkarte vom BDR.

Warum fiel er mir auf?

Weil Henning früher ein richtig guter Skater war, einer von diesen Kerlen, die die wildesten Tricks auf dem Brett mit vier Rollen vollbracht hat. Auf Instagram sah ich einige Bilder von ihm, die mein Interesse weckten.

Und heute?

Heute nimmt Henning an Lizenz- und GCC-Rennen teil, rasiert sich die Beine und liegt mit Kompressionsstrümpfen vorm Fernseher. Im Trainingslager. Und trinkt nen Recovery Shake. Während er Strava checkt.

Eine sehr interessante Entwicklung, die mich in Teilen an mich erinnert.

Henning „Uette“ vom Canyon Rad Pack im Interview

Uette Rad Pack

Henning, wie kommt eigentlich ein Skater-Dude aufs Rennrad?
Dafür sind ganz klar die Videos aus San Francisco von Mash verantwortlich! Ein Großteil der Skateboard-Industrie sitzt in Kalifornien, speziell in San Francisco, und da es diverse Überschneidungen mit Collabs von Designern gab, stolperte ich irgendwann über die Videos von Mash-SF.

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich wirklich nichts mit dem Radsport am Hut – und wie die Jungs mit den Fixed-Gear-Bikes mit Vollgas durch die Stadt knallten, sah einfach nach Spaß aus. Also musste ich mir direkt ein Bahnrad organisieren und die Kleinstadt „skiddend“ unsicher machen.

Das hatte aber alles noch nichts mit Radsport zu tun. Irgendwann war der Schritt zum Rennrad einfach logisch, alleine durch die Tickets, welche man immer regelmäßiger mit dem Fixed einfuhr.

Wenn du die beiden Szenen miteinander vergleichst, wirst du bestimmt sehr interessante/skurrile Unterschiede feststellen…
Also rein äußerlich können die Szenen kaum unterschiedlicher sein! Skateboarding zieht schon eher Individualisten an und es gehen viel mehr Dinge einher wie Musik, Fotografie, Videografie oder Klamotten.

Radsport dagegen ist schon sehr glatt, wenn man Leute wie Sagan oder Morten mal ausklammert. Alleine die Interviews von Rad-Pros, die erzählen alle immer dasselbe und jeder hat Angst zu polarisieren und in irgendeine Richtung aufzufallen – außerdem ist Radsport schon ein „richtiger Sport“ mit Training usw. – davon ist Skateboarding schon etwas entfernt.

Feiern gehörte schon irgendwie immer dazu nach einem Tag auf dem Board, was man sich bei Radrennen nicht wirklich erlauben kann. Zumindest kann ich mir nicht vorstellen, vollkommen verkatert mit Restalkohol morgens um 10 an der Startlinie zu stehen.

Eine der schönsten Parallelen von den beiden Szenen, welche mich immer wieder begeistert und ein altes „zuhause“-Gefühl erzeugt, ist das „Gemeinsam unterwegs“ sein. Früher haben wir mit dem Auto immer ordentlich Kilometer gemacht, um zu verschiedenen Spots oder Contests zu fahren, jetzt sitzt man halt mit ein paar Leuten im Auto und fährt zu irgendwelchen Radrennen. Am Sonntagabend sitzt man dann wieder zuhause und ist vollkommen erledigt, sei es vom Rennen oder halt vom Kater der letzten Party.

Früher Lifestyle à la Dinosaur Jr., Interpol oder Modest Mouse – heute Pulsmesser, rasierte Beine und Trainingslager. Musst du manchmal selbst schmunzeln?
Der Musikgeschmack ist zum Glück eine Konstante in meinem Leben, aber es hat sich schon einiges geändert: Hätte man mir vor ein paar Jahren erzählt, du wirst 5-6 Mal die Woche trainieren, dir die Beine rasieren, keinen Alkohol trinken, am Wochenende nicht feiern gehen – oder mit Kompressionsstrümpfen vor dem Fernseher liegen, hätte ich wahrscheinlich lachen müssen. Man könnte das schon als einen Lebenswandel bezeichnen.

Canyon Rad Pack

Gibt’s da manchmal auch ‘nen dummen Spruch von deinen alten Jungs? Neeeerd!
Dumme Sprüche kommen natürlich, wenn man der Einzige mit einem alkoholfreien Bier am Tisch ist. Die meisten finden es eher interessant, da es einfach eine ganz andere Welt ist, und man auch dank der Rennen und den Rad-Race-Aktionen ordentlich rumkommt.

Wer kennt das nicht: „Jo wir fahren nach Mallorca“ – „Geil, eine Woche Party“ – „Ehm… Nein“…. Auf diese Art den Urlaub zu verbringen, das können sich natürlich nur wenige vorstellen.

Was ich bei dir sehr interessant finde, ist, dass du sowohl Lizenzrennen (C-Lizenz) als auch Jedermann-Rennen (v.a. GCC) fährst. Wie unterscheiden sich diese beiden Szenen aus deiner Sicht?
Als absoluter Neuling muss ich natürlich schon sagen, dass die Lizenzrennen irgendwie sehr altbacken sind, wenn nicht sogar erschreckend: Du hast keine Zuschauer, kaum Atmosphäre, eine Handvoll Starter, steife Organisatoren, steckst meist in einem Dorf oder einem Industriegebiet und schrubbst stumpf deine Runden.

Bei den GCC-Events ist das hingegen eher ein Happening und alles etwas aufregender gestaltet, wobei das von Veranstalter zu Veranstalter noch stark variiert. Das Leistungsniveau kann ich nicht so gut bewerten, da ich weder Top-10 beim GCC fahre noch bei Lizenzrennen auf dem Podium stehe. Allerdings trifft man natürlich die top GCC-Fahrer auch bei den C-Lizenzrennen – komischerweise steigen die nie auf ;-)

Was veranlasste Euch eigentlich, mit dem „Rad-Pack-Team“ in den RSV Münster „einzutreten“?
Nach den ersten GCC-Rennen in 2016 wollten wir einfach mehr Rennen fahren, am liebsten zusammen als Canyon Rad Pack und in unseren Trikots. Damit das funktioniert, und nicht der eine im RSV Münster und der andere im St. Pauli Trikot fährt, mussten wir eine RG gründen und können nun offiziell zusammen starten.

Canyon Rad Pack

Du hast ja vermutlich auch mitbekommen, dass viele Lizenzsportler bedauern, dass eine starke Abwanderung zu den Jedermann-Rennen stattfindet. Wie siehst du das Thema?
Wen wundert’s? Wer will nicht auf großen Runden und gesperrten Straßen fahren? Vielleicht sehen wir in der Zukunft öfter die Integration von Lizenzrennen in eine GCC-Veranstaltung wie beim Münsterland Giro. Ich halte das für eine gute Lösung für alle – so fahren die Lizenzfahrer für sich und das Jedermannrennen ist auch ein richtiges Jedermannrennen.

Interessiert dich eigentlich der Profi-Radsport mit all seinen (komplizierten) Eigenarten oder juckt dich das nicht wirklich? Ingo meinte im Interview mit mir, dass ihn das komplizierte Punktesystem „abtörnt“.
Ich bin super interessiert was den Profi-Radsport angeht, es gibt glaube ich kaum ein Rennen, das ich nicht gesehen habe. Allerdings kann ich es gut verstehen, wenn man sich das nicht alles reinzieht und langweilig findet.

Ich war noch nie gut darin, mich mit Dingen halbherzig zu beschäftigen, deswegen sauge ich eigentlich alles auf. Ich finde es ähnlich wie beim Fußball: Mal hat man ein Spiel, das ist total langweilig und andere Spiele sind wieder die absoluten Thriller.

Weiterführende Links:
– Interview Ingo Engelhardt über RAD RACE (Link)

– Dominik Merseburg über Lizenzrennen & Jedermannszene (Link)
– Herbert Schwaninger über den BDR, der einen Trend verpasst hat (Link)
– Henning’s Instagram-Account (Link

(c) Fotos im Artikel: Carlos Fernandez Laser 

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