Puh, war das heiß! Auf bis zu 35° Grad stieg das Thermometer bei der Premierenausgabe der weltweiten GFNY-Rennserie in Deutschland. 170 Rennkilometer mit knapp 1.900 Höhenmetern galt es im ständigen Auf und Ab zu meistern. Ein hartes Unterfangen, bei dem ich bis 13 km vor dem Ziel noch ganz gut mithielt, dann aber kam das kleine Männchen mit dem Hammer und gab mir schön eins auf die Mütze…
Sonntag am frühen Nachmittag: Die Anzeige im Auto zeigt gnadenlose 35° Grad. Im Radio warnen die Behörden vor anstrengenden Aktivitäten im Freien. Aha. Zu groß sei die gesundheitliche Gefahr. Aha. Hätte ich das mal vorher gewusst. Trotz Klimaanlage wische ich mir den Schweiß von der immer länger werdenden Stirn. Ich kann nicht aufhören zu schmunzeln – trotz oder gerade wegen der Hitze? Manche würden es Grinsen nennen, andere vermutlich Sonnenstich. Und ich musste hier eben einen auf Helden machen. Typisch Müller, einfach geht anders. Aber egal, nur die Harten kommen in den Garten. Soll mir keiner sagen, dass ich nicht alles reingeworfen hätte.
Aber wart mal, war das nicht eben dein bestes Rennen? Jep! Ever? Jep!
Bei der Erstausgabe des GFNY Deutschland schaffte ich es tatsächlich zum ersten Mal unter die besten Zehn zu fahren, am Ende landete ich nach knapp 4:47 Stunden auf einem fantastischen 8. Platz. Man mag es kaum glauben. Wie kam es dazu? Wie war die GFNY Premiere in Deutschland und wie geht’s in den nächsten Wochen weiter?
GFNY Deutschland: Premiere in Hameln
Auf die Premierenausgabe des GFNY in Deutschland war ich sehr gespannt. Zum einen lag das am Interview mit Veranstalter Paul Fasse, das ich in der Erstausgabe der Interview Sessions durchgeführt habe: Gerade einmal vier Jahre vom Rennradvirus befallen, scheute sich Paul nicht – immerhin schon 57 Jahre jung – zusammen mit Mitorganisator Kenny Abel, sein erstes Radrennen zu organisieren. Die Idee dazu kam ihn als Teilnehmer beim GFNY in Puerto Rico. Spannend wie beeindruckend! Entsprechend interessiert hatte ich die Entwicklung in den letzten Monaten mitverfolgt und konnte es kaum erwarten die Herrschaften mal in Persona in Hameln zu treffen.
Der zweite Grund lag ganz klar im Höhenprofil des GFNY Deutschland: Für einen wie mich – mit gut 81 kg – ist die Topographie des Rennens nahezu ideal: Zahlreiche kurze, teils auch giftige, Anstiege, die ich an einem guten Tag einigermaßen wegdrücken kann. Natürlich abhängig vom angeschlagenen Tempo vorweg. Erinnert also sehr an das Rund um Köln Rennen oder einen Ardennenklassiker.
Bevor es mit dem Rennen losgeht, lasst mich noch kurz über Hameln sprechen: Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in dieser Stadt. Und Paul hatte im Interview nicht zu viel versprochen. Hameln ist in der Tat der ideale Austragungsort für ein Radrennen: Nicht zu groß und stressig, nicht zu klein und boring! Hameln besticht durch seine wunderschöne historische Altstadt mit Kopfsteinpflastern, Fachwerkhäusern sowie den zahlreichen Restaurants. Abends wird’s definitiv nicht langweilig!
Geografisch liegt Hameln ebenfalls hervorragend: Innerhalb von nur wenigen Rad-Minuten in Richtung Süden fangen auch schon die ersten fiesen Hügel an.
Und jetzt sind wir beim Rennen.
Rennverlauf des GFNY Deutschland
Der GFNY Deutschland ist ein knallhartes Ausscheidungsrennen – zumindest vorne in der Spitze. Und zum ersten Mal hatte ich die Wahl diese Spielchen, von denen man immer hört und liest, selbst mal mitzumachen oder ganz brav, aber auch etwas langweilig, mich da raus zu halten.
Meine Optionen:
- a) Heulsuse: Schön korrekt nach Vorschrift fahren, die Schwelle nur in Ausnahmefällen und nach voriger schriftlicher Genehmigung von Philipp überschreiten
- b) Scheißegal: Hau raus, was geht Junge! Jeden Hügel am Limit mitgehen – die anderen werden genauso leiden!
Selbstverständlich und ohne eine Sekunde drüber nachzudenken, entschiede ich mich für die ungesunde, aber geile Variante b). Wann hab ich schon mal wieder die Chance, bei einem Rennen so weit vorne mitzufahren? Bei einem reinen Bergrennen in den Alpen sicherlich nicht. Entsprechend gab’s gut was auf die Fratz bei über 30 Grad im Schatten!
Autsch.
Eine Besonderheit des Rennens (Strava Link) war, dass die „innere Runde“ zweimal gefahren wurde. Zweimal galt es also die höchste Erhebung des Tages zwischen Lüerdissen und Holzen-Ith zu meistern. Fühlte sich ein bisschen an wie ein Rundkurs bei einer WM. Am Anfang der zweiten Runde hätte ich noch alles drauf verwettet, dass ich einer der ersten wäre, denen am besagten Anstieg nach Holzen-Ith der Lichtschalter ausgeknipst würde. Zu hoch war das Tempo in der ersten Runde für mich – nur mit Mühe und Not schaffte ich es an der Gruppe dranzubleiben. Aber von wegen: Ich bekam nochmal die zweite Luft.
Der Niedergang setzte aber dennoch schleichend ein, was sich in diesen Zahlen ablesen lässt:
- Den ersten dieser beiden Anstiege nahm ich noch mit ca. 300W bei einer 171HF
- Die zweite Runde zeigte klar, dass ich mit knapp 280W (Stages Powermeter) und 175HF am gleichen Anstieg deutlich mehr malochen musste
Ein bisschen Restenergie war aber noch vorhanden.
Bis zum King of the Mountain Anstieg – 13 km vor dem Finale – konnte ich mich noch in der 10-köpfigen Spitzengruppe halten. Und ganz ehrlich? Das war für mich schon wie ein Sieg. Wie gesagt, wann bekomm ich mal wieder die Gelegenheit, so weit vorne mitzufahren?
King of the Mountain – wenn der Hammer fällt!
„Start King of the Mountain“ begrüßte uns das neonfarbene Schild von vorne – die immer intensivere Mittagssonne von oben. So ein Mist, da hatte ich mich mal ordentlich verkalkuliert, das Drecksding mit seinen gerade mal 94 Höhenmetern hatte ich nicht mehr auf dem Zettel, ich war davon ausgegangen, dass die Gesamt-Höhenmeter mit dem Anstieg zuvor vorbei gewesen wären.
94 Höhenmeter mit 5,6% im Schnitt? Was ist das schon?
Klar, mit frischen Beinen ist der Hügel kein Ding, nach viereinhalb harten Rennstunden türmte sich aber vor meinem inneren Auge der Mortirolo, Mont Ventoux und L’Alpe d’Huez auf. Nacheinander. Und oben auf der Kuppe, da wo der KOM endete, da winkte mir das kleine Männchen erwartungsfreudig mit dem Hammer zu: „Komm schön hoch Müller, dann kann ich dir damit einen verbraten!“
Klatsch!
Ist ja gut, ich hab’s verstanden. Es war an der Zeit rauszunehmen. Macht’s gut Jungs, viel Spaß beim Zielsprint, ich bin raus! Eine weise Entscheidung. Die letzten knapp sechs Kilometer bis ins Ziel wurden nochmal elendig lang, jeder Kilometer zog sich wie Kaugummi. Nach nie endenden neun Minuten durchquerte ich dann aber doch noch das Ziel in Hameln und hatte mein bis dato bestes Ergebnis in der Tasche: Platz 8 beim GFNY Deutschland!
Und jetzt sitze ich wieder im Auto, muss schmunzeln, Schweiß abwischen und wieder schmunzeln!
Herrlich bekloppt!
Fazit des GFNY Deutschland
- Sehr gut organisierte Veranstaltung mit komplett gesperrten Straßen, uns kam kein Auto entgegen!!
- Familiär gehalten; die Veranstalter hielten vor dem Rennen eine Ansprache an die Teilnehmer – GFNY-Gründer Uli Fluhme fuhr auch im Rennen als Teilnehmer mit
- Hügeliger Rennkurs für Fahrer aller Gewichtsklasssen geeignet
- Mit Hameln ein sehr schöner Start/Zielort
- Renntipp für all diejenigen, denen der Ötztaler Ende August zu hart und ggf. zu weit weg ist
- Einziger Verbesserungsvorschlag für kommendes Jahr: Organisation von Duschmöglichkeiten nach dem Rennen (öffentl. Schwimmbad, Radvereine, mobiler Duschservice, Gartenschlauch etc.)
Hinweis: Wer jetzt Lust auf das Rennen in 2017 bekommen hat, kann sich noch bis zum 31.8.16 sein Ticket zum vergünstigten Preis sichern. Ab September steigen die Preise dann wieder.
Rennanalyse GFNY Deutschland von Philipp Diegner
Das Training
Der 3-Wochen Trainingsblock nach dem Arlberggiro setzte dort an, wo der 4-Wochen Aufbau im Juli begonnen hatte. Mit dem großen Ziel „King of the Lake“ Ende September und ansonsten nur langen Radmarathons im Kalender stehen aerobe Langzeitausdauer und muskuläre Ausdauer im Fokus. Für Daniel standen weiterhin lange Intervalle im Bereich 90-105% seiner Schwelle (jetzt bei ca. 320W) auf dem Plan; dazwischen nun auch erste Ausflüge in höhere Intensitätsbereiche. Unter den Kerneinheiten waren z.B. eine 150min Ausfahrt mit 60min am Sweetspot (ca. 90% FTP) und eine Intervalleinheit mit 4 x 12min (mit je 4x 1min @ 110% gefolgt von 2min @90-95%).
Nachdem die Vorbereitung auf den Arlberg Giro völlig problemlos verlaufen war, sorgten diesmal Wetter und Termine für einige Kompromisse in der Trainingsplanung. Die wichtigsten Reize konnte Daniel aber alle vorbildlich absolvieren: Es zeigt sich am Resultat!
Das Rennen: GFNY Deutschland
Die erste, relativ flache halbe Stunde konnte Daniel mit 183W noch locker im Grünen Bereich bleiben, bei einer doch recht zügigen Pace von 37.8km/h. Danach begannen die ersten Hügel. Mit insgesamt 11 Anstiegen (3-10min Länge) hat der GFNY den Charakter eines Ardennenklassikers. Die Rampen werden meist mit Intensitäten jenseits der Schwellenleistung attackiert. Damit entsteht ein Ausscheidungsfahren, bei dem die Fahrer an der Spitze verbleiben, die die wiederholten Belastungen am besten wegstecken.
Daniel musste dabei schon am ersten kurzen Anstieg nach 20KM seine neue 2min Bestleistung aufstellen: 407W und damit 5W/kg! Danach war er in der Lage, ein sehr kontrolliertes und dennoch schnelles Rennen zu fahren. An den Anstiegen bewegte er sich wiederholt knapp über der IANS: z.B. 330W für 8:30min beim ersten Mal über den „Ith“ oder 333W für 6:05min an der Bergwertung nach ca. 90KM (8 Platz). Das sind jeweils über 4W/kg.
Erst beim zweiten Mal den „Ith“ hinauf musste er seine Pace leicht reduzieren und fuhr hier und auch den letzten Hügel in Völkerhausen noch mit 302W. Die einsetzende Erschöpfung machte sich auf dem finalen Flachstück (8KM) bemerkbar. Mehr als 248W waren hier nicht mehr möglich, bei einer immer noch stolzen Geschwindigkeit von 41.4km/h.
Am Ende steht ein 8. Rang! Ein tolle TOP-10-Platzierung, die zeigt, wie Daniel‘s stark verbesserte aerobe Konditionierung eine hohe Pace auch nach über 3h intensiver Rennbelastung zulässt. Die durchschnittliche Herzfrequenz über 4:40h von 163 Schlägen/min verdeutlicht die hohe Belastung, die er über das gesamte Rennen aufrechterhalten konnte. Mit einer spezifischeren Vorbereitung auf die Anforderungen des GFNY mit Fokus auf kurze, anaerobe Efforts, wäre vermutlich noch mehr drin gewesen. Der Rückstand auf den Sieger, Christian Zucker, betrug gerade einmal dreieinhalb Minuten, und entstand fast ausschließlich an der letzten Kletterpartie.
Während der entscheidenden Phase vor dem KOTL werden wir die Intensität noch ein wenig erhöhen und gleichzeitig weitere Adaptionen an der Schwelle stimulieren. Die längeren Intervalle werden nun größtenteils mit oder jenseits der Zielleistung im Zeitfahren absolviert. Ziel ist die optimale Vorbereitung auf eine einstündige, konstante Schwellenbelastung. Leistungssprünge, wie noch in der initialen Periode des Wiederaufbaus nach Rund um Köln sind nicht mehr zu erwarten. Stattdessen wird Daniel‘s aerobes System immer effizienter und seine IANS „kriecht“ Watt für Watt weiter nach oben.
Als magische Zahl für den KOTL stehen die 4W/kg Durchschnittsleistung (ca. 325W)! Mit dieser Leistung ist eine sehr gute Platzierung möglich!
Zur Person: Philipp Diegner
- Sportwissenschaftler und Certified Sports Nutrionist; Master of Science (MSc) in Sports and Health Sciences (University of Exeter)
- Spezialisiert auf Trainingsplanung und Leistungsanalyse, insbesondere im Radsport
- Coaching diverser Elite-/Cat-1 Athleten in Deutschland/International
- Anfrage für ein Coaching hier
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