Der Reiz der Tour de Kärnten ist ein ganz besonderer: In Anlehnung an den Giro d’Italia und die Tour de France können sich Amateur- und Hobbyfahrer eine Woche lang unter „profiähnlichen“ Bedingungen duellieren. Über sechs Etappen (400 km, 7.000 hm) lang untereinander, aber vor allem im Kampf gegen sich selbst: Einzelzeitfahren, Bergzeitfahren und knackige Anstiege fordern den Teilnehmern im wunderschönen Kärnten alles ab. Die Wahl der richtigen Strategie ist entscheidend: Wer die ersten Etappen zu hart angeht, leidet hintenraus wie ein Hund, wer es jedoch zu ruhig angeht, für den ist der Zug schnell abgefahren. Mit vier Fahrern des letzten Jahres, u.a. den beiden Siegern Gunther Zechmann und Janine Meyer, habe ich mich über die spezielle Herausforderung der Tour de Kärnten unterhalten, welche in gut zwei Wochen fünfjähriges Jubiläum feiert.
Der besondere Reiz der Tour de Kärnten – vier Teilnehmer berichten
Könnt Ihr Euch den Lesern bitte einmal mit Eurem „Radsport-Steckbrief“ (wie lange fahrt Ihr Rennrad, was waren Eure größten Erfolge) vorstellen?
Janine: Ich bin Janine Meyer und fahre seit ca. 10 Jahren Rennrad. Mein erstes Rennen war die Transalp 2007. Damals habe ich schon gemerkt, dass ich eher die Bergfahrerin bin. So langsam habe ich mich dann Schritt für Schritt an die ganze Sache rangetastet – und mit meinem Mann habe ich einen tollen Trainingspartner gefunden. Mittlerweile geht es z.B. auch nicht mehr ohne das Rennrad in den Urlaub. In meiner „Radkarriere“ gibt es viele Highlights für mich. Hier nur ein paar davon: 1. Platz Endura Alpentraum (lange Strecke) 2013, 1. Platz Tour de Kärnten 2014, Weltmeisterin im Einzelzeitfahren und Straße bei den Masters Cycling Classics in St. Johann 2014, 1.Platz Amadé Radmarathon (kurze Strecke) 2015, 1. Platz Tour de Kärnten 2015, 1. Platz Dreiländer-Giro (lange Strecke) 2015.
Da ich sehr gerne mit dem Zeitfahrrad fahre, war für mich auch ein Highlight bei der Deutschen Meisterschaft im Einzelzeitfahren 2014 starten zu können. Von 2011 bis 2015 war ich für das Team cycle-basar.de unterwegs. Ab 2016 werde ich für das Team LeXXi unterwegs sein.
Gunther: Angefangen hat alles als Student, als ich das Rennrad als Leidenschaft entdeckt habe. Das ist zwar schon sieben Jahre her, brennt aber immer noch wie ein Feuer in mir. Mittlerweile bin ich bei London Phoenix gelandet, einem vielseitigen Club mit einem sehr kameradschaftlichen Hintergrund. Highlights waren bisher die Siege bei der Tour of Cambridgeshire, Ras de Cymru und im Vorjahr der Tour de Kärnten.
Markus: 2007 kam ein Freund auf mich zu und fragte mich, ob ich das MTB nicht gegen das Rennrad eintauschen will, um mit Ihm den Ötztaler Radmarathon zu fahren. Super Idee dachte ich mir, gleich mit einem der härtesten Rennen anzufangen, wo ich vorher noch nie an einem Radmarathon teilgenommen hatte – so kam ich vom MTB auf die Straße. Im Anschluss folgten weitere Radmarathons und der Beitritt zum Team LAURA (Lauinger Radsport e.V.).
Rüdiger: Ich bin jetzt leider schon über 60, fahre erst seit ca. 10 Jahren ernsthafter Rennrad. Ich komme eigentlich vom Laufsport. Richtig Feuer gefangen für den Radsport hab ich mit den Rennen des German Cycling Cups in Münster und Osnabrück. Mein erstes Highlight in den Alpen war der Nauders Giro mit der unvergesslichen Auffahrt zum Stilfser Joch. Neben dem Rennradfahren sind Triathlon, sehr gerne auch Duathlon sowie Laufen meine weiteren sportlichen Hobbys – zum Klettern komm ich leider kaum noch. Mit meiner Leidenschaft für freien Jazz nerve ich meine Mitmenschen, ich höre ihn daher meist heimlich (schmunzelt).
Janine Meyer (Siegerin der Tour de Kärnten 2015)
Am 21. Mai startet die fünfte Tour de Kärnten – wie gut vorbereitet bist Du? Wie viele Kilometer hast Du schon in den Beinen?
Janine: Ich denke ich bin ganz gut vorbereitet für die Tour de Kärnten: Bisher habe ich rund 6.000 Kilometer (Stand: Mitte April) absolviert.
Gunther: Eins ist klar, mit einem Vollzeit-Job muss man immer Kompromisse eingehen. Trainingslager oder Entspannungsurlaub? Wochenende beim Radrennen oder bei Freunden und Familie? Wie bringe ich meine Trainingseinheiten mit den Arbeitsreisen unter einen Hut? Insofern könnte die Vorbereitung immer etwas besser sein. Verglichen mit dem Vorjahr ist die Formkurve aber sicher in Ordnung. Die Anforderung der Tour de Kärnten in diesem Jahr ist aber sicher noch ein Stück höher – mit den zwei langen Zeitfahren. Das muss man natürlich in den Trainingsplan mit einbauen und dazu die Etappen auch besichtigen. Und was die Konkurrenz macht, weißt du meist ohnehin nicht. Da bekommt die erste Etappe schon ein ganz besonderes Kribbeln. Bei mir werden es bis zur Tour de Kärnten ca. 10.000 km sein.
Markus: Wie immer nicht gut genug, um mit den Cracks wie u.a. Günther Flatscher mitzuhalten. Bis jetzt (Stand: Mitte April) habe ich in 2016 ca. 45 Stunden auf der Rolle und 600 km auf der Straße in den Beinen.
Rüdiger: Den Winter über laufe ich vornehmlich, zusätzlich fahre ich mit dem Mountainbike, beides aber moderat in den Umfängen, ich heiße ja schließlich Baum. Im Frühling kommt meine Zeit, zur Zeit bin ich jede freie Minute unterwegs. Ich werde – wie bisher jedes Jahr – eine Woche vor dem Start der Tour de Kärnten anreisen: Denn als Flachländer muss ich das Gefühl für kilometerlange Anstiege bekommen.
Gunther Zechmann (Sieger der Tour de Kärnten 2015)
Seid Ihr in diesem Jahr in einem Trainingslager gewesen? Wenn ja, wo?
Janine: Ich war im Januar mit meinem Mann zusammen drei Wochen auf Gran Canaria und dann noch vier Tage über Ostern in Südtirol, um mal wieder etwas Bergluft zu schnuppern, da wir hier in Köln nicht so viele Möglichkeiten haben, länger bergauf zu fahren.
Gunther: Zum ersten Mal habe ich dieses Jahr auf ein Trainingslager in der Vorsaison verzichtet. Bisher war ich immer auf Mallorca, Teneriffa, in Murcia oder Genua unterwegs – stattdessen habe ich mir im April eine Woche Heimaturlaub zur Streckenbesichtigung in Kärnten genehmigt. Im „Basislager London“ hat es aber auch im Winter kaum unter Null Grad und ist mit entsprechender Kleidung durchaus fahrbar.
Markus: Leider nein.
Rüdiger: Ich war mit meinem Laufverein auf Texel (Niederlande), ich hab die Zeit für Mountainbike-Training genutzt.
Euch alle vereint, dass Ihr letztes Jahr schon einmal bei der Tour de Kärnten mitgefahren seid – was macht diese Mini-Tour-de-France so interessant?
Janine: Wie Du schon richtig sagst: Mini-Tour-de-France. Das trifft es sehr gut. Für mich ist gerade die Mischung aus Einzelzeitfahren, Bergzeitfahren und Etappenrennen – über mehrere Tage hinweg – so interessant. Etwas Vergleichbares gibt es ansonsten nicht. Wie vorhin schon erwähnt, liebe ich das Einzelzeitfahren und als Bergfahrerin natürlich auch das Bergzeitfahren. Seit 2013 bin ich bei der Tour de Kärnten dabei und ich muss sagen, dass es eine sehr nette Veranstaltung ist, die bisher auch sehr familiär geprägt war. Wenn man Probleme oder Vorschläge hat, dann wird einem zugehört, und wenn möglich auch umgesetzt.
Es ist eine einmalige Gelegenheit, eine Woche nur für den Radsport zu leben und sich zu messen. Gerade für Amateursportler gibt es nur ganz wenige solcher Ereignisse im Rennkalender. Das macht die Tour de Kärnten sicher zu einem Highlight.
Gunther: Die Tour de Kärnten ist eine ganz eigene Herausforderung. Mit sechs Etappen, meist gebirgig, fühlst Du Dich wie ein Profi in seiner eigenen Welt. Es ist eine einmalige Gelegenheit, eine Woche nur für den Radsport zu leben und sich zu messen. Gerade für Amateursportler gibt es nur ganz wenige solcher Ereignisse im Rennkalender. Das macht die Tour de Kärnten sicher zu einem Highlight.
Markus: Man kämpft eine komplette Woche gegen sich selbst und die anderen. Man muss sich die Kräfte einteilen, wenn man an einem Tag übers Limit geht, wird man am nächsten Tag doppelt bestraft. Ein weiterer Punkt ist, dass man seine Mitstreiter über mehrere Tage sieht und sich hier Leidensgemeinschaften bilden. Das Rennen ist persönlicher wie ein Eintagesrennen – auch aufgrund der Größe.
Rüdiger: Sechs Tage Rennrad, Rennrad, Rennrad! Ich liebe es! Und die Tour de Kärnten ist einfach toll, weil man ein festes Domizil buchen kann und nicht umziehen muss. Zudem ist es landschaftlich großartig und sportlich eine wirkliche Herausforderung.
Markus Dottl (Platz 32 bei der Tour de Kärnten 2015)
Aufgrund der unterschiedlichen Etappen (Bergfahren, Einzelzeitfahren) macht es durchaus Sinn, das Zeitfahrrad bzw. den Zeitfahrlenker einzupacken. Wie geht Ihr mit dem Thema um?
Janine: Ich freue mich schon das ganze Jahr darauf, mein Zeitfahrrad zu benutzen – und natürlich wird das dann auch mit nach Kärnten genommen.
Gunther: Für das flache Zeitfahren, ganz klar, da macht es Sinn, mit dem Zeitfahrrad zu fahren. Beim Bergzeitfahren würde ich mich wundern, wenn jemand mit Aufsetzern kommt. Die Flachstücke auf den Dobratsch sind zu kurz, um den Gewichtsnachteil durch aerodynamische Vorteile wettzumachen. Also ganz normales Rennrad bei der Etappe.
Markus: Das Zeitfahrrad wird ganz klar eingepackt. Vor allem, da es in diesem Jahr fast über die doppelte Distanz geht, im Vergleich zum Vorjahr.
Rüdiger: Für das Bergzeitfahren braucht man meines Erachtens kein Zeitfahrrad, fürs Einzelzeitfahren macht es schon Sinn. Ich beschränke mich aber auf einen Auflieger – das muss reichen.
Welche Etappe war letztes Jahr die anstrengendste für Euch? Was war der Grund dafür?
Janine: Eigentlich waren alle Etappen anstrengend. Die erste Etappe war das Einzelzeitfahren, auf das ich mich schon so gefreut hatte. Leider ging es mir an dem Tag nicht gut und ich war mir auch nicht sicher, ob ich überhaupt starten sollte – das Wetter war aber super, und so habe ich mich dann doch aufs Rennrad geschwungen. Die nächsten Tage waren vom Wetter her leider sehr, sehr schlecht. Wir hatten extrem viel Regen und es wurde auch recht kalt, so dass einem die Kälte zusätzlich die Kraft aus dem Körper gezogen hat, was es sehr anstrengend gemacht hat. Ich hoffe, dass wir dieses Jahr besseres Wetter haben werden.
Als Etappenzweiter haben mir auf den Sieger Jürgen Pansy am Ende 0,9 Sekunden gefehlt – das zeigt schon, wie eng es da zugeht. Und im „Rennen der Wahrheit“ muss man sowieso das Letzte rausholen, da gibt’s keine Gnade.
Gunther: Sicherlich das Einzelzeitfahren. Es war die erste Etappe, gnadenlos heiß und eng umkämpft mit vielen guten Zeitfahrern. Als Etappenzweiter haben mir auf den Sieger Jürgen Pansy am Ende 0,9 Sekunden gefehlt – das zeigt schon, wie eng es da zugeht. Und im „Rennen der Wahrheit“ muss man sowieso das Letzte rausholen, da gibt’s keine Gnade. Daneben war, und ist, die Bergankunft in Buggl am Bach natürlich knochenhart. Durchschnittlich über 10% Steigung auf 5 km, das fährt man nicht alle Tage – und schon gar nicht, wenn man in London lebt (schmunzelt).
Letztes Jahr hatte ich noch dazu am Hochrindl einen Reifenplatzer, und habe dann in der Anfahrt zum Schlussanstieg mehrere Minuten gutmachen müssen – das tat weh.
Markus: Die erste Etappe nach dem Zeitfahren. Ganz klar. Top motiviert und dann auch noch gute Beine. Super Sache, also gleich mal zusammen mit Patrik Grassnig attackiert. Nach ungefähr 1 Stunde im dunkelroten Bereich, wurden wir ca. 10 km vor dem Ziel an einem Anstieg eingeholt. Die Kräfte reichten noch, um mit Kirchmeier und Co. über die Kuppe zu gehen, aber an der nächsten Steigung war der Ofen aus. Das steckte in den nächsten zwei Etappen noch in den Beinen. Dumme Entscheidung also, gleich in die Vollen zu gehen – aber lustig war es.
Rüdiger: Die Dach der Tour, mit dem abschließenden 5 km langen, sehr steilen Anstieg nach Buggl am Bach. Brutal. Irgendwann werde ich Bernd Neudert (Organisator) dafür erwürgen, bisher fehlte mir jedoch oben in Buggl immer die Kraft dazu (lacht).
Rüdiger Baum (Platz 132 bei der Tour de Kärnten 2015)
Welche sportlichen Ziele hast Du für die Tour de Kärnten 2016? Um welchen Platz möchtest Du mitfahren?
Janine: Ich werde dieses Jahr die Tour de Kärnten 2016 als Vorbereitung für die Tour Transalp mitnehmen, mein Bestes geben und gucken, was sich ergibt. Man muss ja auch erst einmal gesund und gut durchkommen.
Gunther: Als Ziel kann es nur die Titelverteidigung geben. Wenn irgendwas schief geht, ist der Plan B, Etappen zu gewinnen.
Markus: Keine Angabe.
Rüdiger: Ich gebe, was ich kann. In der Mastersklasse sind für 2016 Verabredungen getroffen worden, und 2016 sind in der Klasse einige mehr an Startern. Ich bin gespannt!
Die Frage geht an Gunther und Janine, wer werden Eure größten Konkurrenten in diesem Jahr bei der Tour de Kärnten sein?
Janine: Ich glaube dieses Jahr sind starke Mädels am Start. Genau einordnen kann ich es zwar noch nicht, aber da lasse ich mich mal überraschen.
Gunther: Das ist die Millionen-Euro-Frage. Bei einem bunt gemischten Feld ist das schwer vorherzusagen: Nach dem Einzelzeitfahren wird sich das definitiv herauskristallisieren. Ich rechne aber ganz klar mit Günther Flatscher und Teamkollege Richy Pointer.
Abschlussfrage: Wie schaut Euer weiterer Rennkalender für 2016 aus? Was ist Euer Saisonhighlight?
Janine: Für mich ist das Saisonhighlight die Tour Transalp im Mixed mit meinem Mann. Wir sind zwar bisher schon fünfmal dort mitgefahren, es reizt uns aber immer noch an den Start zu gehen, da es ja auch ein Etappen-Rennen ist, von denen es nicht so viele gibt. Darüber hinaus werden wir noch den Giro delle Dolomiti fahren, ebenfalls ein Etappenrennen mit sieben Etappen. Als weiteres folgt dann noch im August der Ötztaler Radmarathon.
Gunther: Nach der Tour de Kärnten stehen noch einige Straßenrennen aus dem englischen Rennkalender an, sowie ausgewählte Veranstaltungen in Österreich und Frankreich. Dazu noch ein paar Einzelzeitfahren, um eine gewisse Grundgeschwindigkeit beizubehalten. Die Saison ist noch lang, das wichtigste ist aber gesund zu bleiben.
Markus: Meine Highlights sind die Tour de Kärnten, der SuperGiroDolimiti und Eddy Merckx Classic.
Rüdiger: Für mich ist die Tour de Kärnten das Saisonhighlight, ich werde aber auch im Mixed-Team die Tour Transalp fahren. Sollte ich im Laufe der Saison richtig Power entwickelt haben, werde ich im August bei den Deutschen Meisterschaften in der Duathlon-Langdistanz im Ulm starten.