Am 19.8. gehen bei den EuroEyes Cyclassics in Hamburg wieder bis zu 20.000 Teilnehmer an den Start. Die Cyclassics sind ein Rennen für die Kraftmeier im Feld: flach, fieser Gegenwind, aber dafür überschaubare Höhenmeter. Einzige nennenswerte Erhebung ist der Kösterberg in Blankenese, an dem sich Jahr für Jahr die Spreu vom Weizen trennt. Was muss man hier und andernorts treten, um nicht den Anschluss zu verpassen?
Die perfekten Zutaten für ein schnelles Radrennen.
Eine traumhaft schöne Stadt, komplett gesperrte Straßen, Gänsehautstimmung bei Start und Ziel und mit den Kösterberg (kleine und große Runde) eine fiese kleine Erhebung, die auch Radfahrer mit normalem Gewicht „wegdrücken“ können.
Der Rest ist Gegenwind und ständige Positionskämpfe im roten Bereich.
Wir reden von den Cyclassics in Hamburg.
Adrenalin und Vollgas statt Watt pro Kilo in den Bergen.
Was für die Kraftmeier.
Wäre ich in diesem Jahr vollfit, wären die Cyclassics sicherlich ein perfektes Rennen für mich. Mit einer Schwellenleistung von 330+ Watt (aus 2016) hätte ich vermutlich sogar mal bei den ersten 50 oder 100 reinlunsen können.
Vielleicht im nächsten Jahr.
Ab Okt./November plane ich wieder mit dem strukturierten Training an den Start zu gehen. Zusammen mit Coach Philipp Diegner (siehe unsere Analysen auf YouTube) und dem einen oder anderen weiteren Coach werden wir euch hier coole Angebote schnüren – gemeinsam und motiviert trainieren, statt alleine vor sich hinwurschteln.
Dieses Jahr würde ich aber nochmal „einfach so“ an den Start gehen.
Das Gefühl aufsaugen, in einer der schönsten Städte Deutschlands zu ballern. Soweit mich meine Beine eben bringen.
Dabei sein ist alles.
Was aber müssen die (ambitionierteren) Radsportler auf die Kette bringen, um bei den Cyclassics richtig einen rauszuhauen?
Wie viel Watt müssen sie a) über das gesamte Rennen und vor allem b) beim entscheidenden Anstieg, dem Kösterberg, drücken, um vorne mit dabei zu sein?
Ähnlich wie bei unserer Ötztaler-Analyse haben Philipp Diegner und ich uns die Leistungsdaten der EuroEyes Cyclassics in 2017 auf Strava angeguckt.
Cyclassics Hamburg: Das musst du auf die Kette bringen!
Wie viel Watt musste man bei den Cyclassics leisten, um „vorne“ zu finishen?
Bei der 100km-Strecke und auch der langen Distanz über offiziell 160km sind es zwischen 230 und 280W, die man leisten muss.
Die Kurzstrecke schwankt stets sehr stark, aber es sind dort etwas höhere Wattwerte: Bis zu 300W im Schnitt über die Renndauer.
Normalisiert ist es jeweils noch etwas mehr, bis zu 320W bei den längeren Distanzen.
Als Beispiel können wir hier unseren Trainingsathleten Heiko Katzler beleuchten: Im Jahr 2016 erreichte er auf der Langdistanz einen tollen 12. Platz, zeitgleich mit dem Sieger.
Seine Leistungswerte: 260W für 3:42:45 Stunden mit 41.5km/h im Schnitt. Normalisiert leistete er sogar 320W.
Bei welcher W/kg Ratio fährt man um den Sieg mit?
Da kann man für die Durchschnittsleistung dementsprechend zwischen 3 und 3,5W/kg ansetzen. Insgesamt ist das, aufgrund des Profils, ein recht niedriger Wert, der entsprechend durch den flachen Kurs zustande kommt.
Was mussten die Pros an Watt leisten für eine Platzierung/ Sieg?
Interessanterweise sind die Durchschnittsleistungen bei den Profis sehr ähnlich.
Natürlich aber bei einer deutlich längeren Renndistanz und -dauer. Bei ihnen geht das Rennen erst auf den letzten 50km richtig los.
Und dann sieht man an den Anstiegen in Blankenese sehr hohe Werte.
Der Kösterberg gilt bei den Jedermännern als Scharfrichter. Wie „knackig“ ist er?
In der Tat ist der Kösterberg die entscheidende „Steigung“ auf den 60er und der 160er Distanzen: Er besteht aus einer knapp 2km-langen Phase mit 2% im Schnitt, bevor es dann über zwei 500-700m lange Rampen mit knapp 6-7% geht, unterbrochen von einer ebenso langen Abfahrt.
Drei Faktoren machen ihn hart:
- Erstens wird meist die flache Anfahrt zu den Steilstücken schon mit rasantem Tempo gefahren
- Zweitens gilt es dann das Momentum über die beiden Rampen mitzunehmen. Wer da das Tempo verliert, kann so viele Watt treten, wie er will, ans Feld kommt er nicht mehr ran
- Drittens kommt er bei beiden Rennen fast am Ende, so dass viele schon mit müden Beinen dorthin kommen.
Was muss man hier an Watt leisten, um vorne dran zu bleiben?
Im Schnitt für die gesamten 3,2km zwischen 350 und 400W – an den Steilstücken sogar bis zu 550W! Das ist schon ziemlich intensiv.
2016 fuhr unser „SpeedVille Trainingsathlet“ Heiko hier im Schnitt mit 392W und an den Rampen jeweils mit über 500W. Dort waren es auch immer noch fast 30km/h. Ein rasantes Tempo und eine richtig starke Leistung.
Welche Eckwerte hat der Kösterberg?
Knapp 3.2km mit 2,5% Steigung. Maximal bis zu 9%!
Bei den Profis ist der Waseberg DER Anstieg. Wie viel Watt tritt das Peloton hier?
Im entscheidenden Moment um die 700-800W für circa 45s!
Jasha Sütterlin von Movistar kam im letzten Jahr sogar auf imposante 956W für 42s. Das waren 12.1W/kg!
Und er kam trotzdem nur auf 21.4km/h.
Welche Eckwerte hat der Waseberg?
Die relevanten knapp 230m sind ungefähr 15% steil. Dazu kommt eine 300m lange Anfahrt mit 4.5%.
Nur im Rennmodus schaffbar oder auch an „normalen“ Tagen?
Auch an normalen Tagen schaffbar, aber es ist stets ein großes Leiden damit verbunden!
Mit 250W geht da nicht viel.
Das Ziel der Cyclassics ist auf der Mönckebergstraße. Welche Peak-Wattwerte sehen wir bei den Schlusssprints?
Die besten Jedermänner kommen im Sprint über 20s auf 750-1000W und maximal in der Regel nicht über 1200-1300W hinaus. Da gibt es aber natürlich auch Ausreißer nach oben.
Sprinter, wie der Sieger in 2017 Elia Viviani leisten über die gleiche Zeit mindestens 200W mehr, je nachdem wie der Sprint verläuft und kommen als Maximum häufig deutlich über 1500W.
Und das nach über 5 Stunden.
Weitere passende Links:
– Philipp & ich analysieren die Leistungen bei der TDF 2018 (auf Youtube gucken & abonnieren!)
– unsere Ötztaler Analyse (Link)
– Interview mit dem Veranstalter der Cyclassics (Link)
– Philipp Diegner auf Twitter folgen (Link)
Fotos: Getty Images for VELOTHON/CYCLASSICS