Nicolas Saurenz war für eine Woche als SpeedVille Reporter zu Gast bei Velotour Berlin eingeladen – geführte Rennradreisen in der Toskana. In diesem Erfahrungsbericht beschreibt er seine Rennradwoche unweit von Arezzo und für wen das Angebot genau das richtige ist – und für wen eher nicht.
Von Nicolas Saurenz
Italien ist das ideale Ziel für Radsportler.
Mildes Klima im Frühjahr und Herbst, landschaftlich abwechslungsreich, perfektes Essen und eine große Radsportkultur.
Für viele Deutsche endet der Trip gen Süden jedoch schon häufig am Gardasee. Dabei gibt es in Italien einige weitere Regionen, die man als Radsportler unbedingt bereisen sollte, bevor man das nächste Mal wieder auf Mallorca aufschlägt.
Ich war im Mai mit Bernd Hoppe und „Velotour Berlin“ in der Toskana und möchte an dieser Stelle einen Bericht über ein recht spezielles, aber lohnenswertes Konzept bieten.
Warum speziell?
Bernd bietet für Kleingruppen von acht bis zehn Personen seit einigen Jahren ein „Komplettpaket“ in der Toskana an.
D.h., er bucht und organisiert die Unterkunft, plant Touren, Stopps und Sehenswürdigkeiten, führt die Gruppe, steht am Herd und hilft im Zweifel auch als Mechaniker aus.
Speziell ist auch die Zusammensetzung der Gruppe – total bunt gemischt – Mann, Frau, circa 25-50 Jahre und dementsprechend auch unterschiedliche sportliche Voraussetzungen.
Es fahren alle zusammen, was auch recht gut funktioniert – dazu später mehr. Damit ist jedoch recht schnell klar, dass sich Bernds Angebot nicht an ambitionierte Sportler richtet, die ein Trainingslager in der Toskana abreißen wollen und nach Plan oder Watt ihre Kilometer abspulen möchten.
Dennoch kommt man auch sportlich auf seine Kosten.
Derzeit bietet Bernd drei Wochen im Jahr an, an denen Radsportler mit ihm die Toskana entdecken können. Der nächste Termin ist im Mai 2019. Ansonsten führt Bernd in Berlin einen Radladen mit dem passenden Material:
Handgefertigte Stahlrahmen aus Italien.
Der Reihe nach…
Rennradurlaub in der Toskana mit Velotour Berlin
Die Touren führen in die Toskana, südlich von Florenz.
In meinem Fall waren wir rund 15 Kilometer von Arezzo untergebracht. Die Region würde ich als wellig bis bergig bezeichnen.
Es gibt zahlreiche Hügel und Anstiege auf den Touren, die in der Regel aber weniger steil sind als beispielsweise in der Emilia-Romagna, also um die beliebte Radregion bei Cesenatico.
Ein typischer Anstieg auf unseren Touren hatte 200-300 Höhenmeter und 4-5 Prozent Steigung im Schnitt. Bis auf wenige Ausnahmen findet man in der Region wenige Anstiege mit Steigungen über 10 Prozent.
Aber nicht zu früh urteilen…
Es gibt auch einige „echte“ Berge in der Toskana, wie den „Monte Amiata“ mit 1700 Metern, den wir auf unserer Reise jedoch nicht ansteuerten.
Das Klima ist im Landesinneren weniger mediterran als an der Küste. Zu Beginn hatten wir recht sommerliche 25 Grad am Tag und kühle Nächte. Zum Ende kippte das Wetter etwas und tagsüber lag die Temperatur unter 20 Grad, bei recht feuchter Luft.
Die Anreise ist eigentlich nur mit dem eigenen PKW sinnvoll möglich. Über die Autobahn Mailand-Florenz ist die Anbindung sehr gut.
Bei Anreise über die Schweiz fielen in Italien rund 25 Euro Maut pro Weg an. Sinnvollerweise lässt sich der Trip in die Toskana mit einem Stopp am Gardasee verbinden.
Unsere Unterkunft: echt italienisch
Wir waren in einem großen Haus, sehr idyllisch auf einem Hügel am Rand eines kleinen Ortes untergebracht.
Jeder Gast hat ein eigenes Zimmer und eigenes Bad. Für alle zugänglich waren Küche, Esszimmer, Wohnzimmer, eine große Terrasse und die Außenanlage, die sich rund um das Haus erstreckte.
Hier war neben einem sehr schönen Grill auch eine Liegefläche mit Pool. Wer also in Ruhe abschalten wollte, hatte genug Platz und Ruhe.
Das Haus war aus meiner Erfahrung für italienische Hotel-Verhältnisse sehr modern und hochwertig ausgestattet. Bernd mietet die Häuser nach Verfügbarkeit. Die Ausstattung kann also abweichen, sollte aber ebenso hochwertig sein.
Touren für jedes Tempo
Die Touren lagen zwischen 70 km mit 900 hm und 120 km mit 1500 hm. Die Durchschnittsgeschwindigkeit lag bei mir zwischen 23 und 26 Km/H. Damit würde ich das Tempo als moderat bezeichnen.
Es wird penibel darauf geachtet, dass das Tempo für alle in der Gruppe passend ist. Am Berg fuhr dann jeder sein Tempo.
Neben den weiten und welligen Landschaften haben wir auch einige Orte und Städte angesteuert. Hier sind Pienza, Montepulciano und Siena hervorzuheben. Dabei haben wir uns natürlich die Zeit genommen und die Orte besichtigt.
In Montepulciano, Siena & Pienza per Rennrad
Dies ist ein weiterer großer Unterschied zu einem klassischen Trainingslager. Auf der Tour mit den Zielen Pienza und Montepulciano hatte ich beispielsweise 100 km Distanz, knapp vier Stunden Fahrtzeit und über 3 Stunden „Pause“ auf dem Tacho.
Neben einer größeren Mittagspause standen meist auch 1-2 größere Kaffeestopps auf dem Programm. Aus touristischer Sicht sind diese Orte natürlich absolute Highlights. Hier gibt’s quasi im Schnelldurchgang ein komplettes Programm an italienischer Kultur.
Während viele Touristen mit Bussen angespült wurden, hatten wir definitiv das elegantere Fortbewegungsmittel.
Bernd kennt diese Region der Toskana in-und-auswendig. Wir haben uns ohne Navi kein einziges Mal verfahren oder sind falsch abgebogen.
Wir waren fast ausschließlich wenig befahrenen Straßen unterwegs, was in Italien aus meiner Erfahrung keine Selbstverständlichkeit ist.
Wer auf eigene Faust fährt, kann planungstechnisch auch mal daneben liegen.
Meine Erfahrungen mit italienischen Autofahrern
Ich war in Italien vom Gardasee bis Neapel auf dem Rad unterwegs und habe dabei das eine oder andere Mal totales Verkehrschaos (Neapel), katastrophale Straßen oder stark befahrene Industriestraßen (rund um die Ballungsräume) mitgenommen.
Bernd als Guide war ein massiver Pluspunkt dieser Rennradreise.
Der Asphalt war Italien-typisch häufig relativ schlecht. Es bietet sich also an eher ein Komfort-Rennrad einzupacken und mindestens 25mm Reifen aufzuziehen.
Auf der Tour nach Siena, die mit 120 Kilometern die längste Etappe war, standen auch einige längere Schotterpassagen an. Dabei waren wir teilweise auf der Strecke der legendären L’Eroica unterwegs und auch das Strade Bianche der Profis findet auf diesen Wegen statt.
Ansonsten sieht man auf den Touren häufiger das typische Toskana-Postkarten-Panorama – ein Traum!
Das gilt auch für die Verpflegung auf den Touren: In den Pausen kann man sich je nach Geschmack mit allem eindecken, was die Italiener kulinarisch in ihren Städten auffahren.
Und das ist bekanntlich ne Menge.
Verpflegung
Bernd und seine Frau Dana sorgen täglich für Frühstück und Abendessen. Das war im Preis inbegriffen, ebenso wie non-alkoholische Getränke, Kaffee und Snacks/Obst nach der Radtour am Nachmittag.
Bier, Wein und Aperol-Spritz wurden nach Bedarf fair abgerechnet.
Das Frühstück war sehr vollwertig. Neben Müsli und Obst gab es qualitativ hochwertig Käse, Salami, Wurst und Eier.
Das Abendessen war radsporttypisch vollwertig, also reichlich Nudeln und Kartoffeln. Fleisch und Fisch standen jedoch auch fast täglich auf dem Speiseplan.
Angesichts der Voraussetzungen, also keinen professionellen Koch im Team zu haben, schafft Bernd hier ein super frisches und ausgewogenes Angebot.
Das Highlight war der Abend am Grill, der bei milderen Temperaturen am Abend sicher häufiger genutzt wird.
Perfekt für Genussradler
Die spezielle Ausgestaltung dieses Rennradurlaubs hat natürlich auch Besonderheiten. Das Tempo auf den Radtouren, kann ebenso wenig zu jeder Zeit für jeden perfekt sein, wie das Abendessen immer zu 100 Prozent den Wünschen aller entspricht.
In meiner Wahrnehmung hat das jedoch für die komplette Gruppe sehr gut funktioniert. Nach den Touren und nach dem Abendessen saß die komplette Gruppe bei Bier oder Wein zusammen – also alles sehr entspannt.
Am Vorabend stand die Routenplanung zur Diskussion, wer also Wünsche hatte, konnte diese äußern.
Das gilt sicher auch für die Verpflegung oder andere Aspekte. Wer also Wünsche oder Fragen hat, schreibt Bernd am besten im Voraus an und stimmt alles unkompliziert ab.
Fazit der Rennradwoche mit Velotour Berlin
Ich würde die Reise mit Bernd jedem empfehlen, der die Toskana auf dem Rad entdecken will und mit den kleineren Besonderheiten kein Problem hat.
Dafür gab es ein tolles Landhaus, eine entspannte Gruppe und Touren in einer traumhaften Gegend.
>> Mehr Infos zu den Reisen direkt bei Velotour Berlin (Link)
Fotos: Nicolas Saurenz