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Knapp 4.000 km in 3 Monaten: Wie Bastian Marks Neuling André für den Arlberg Giro fit machte!

by Daniel

Bastian Marks ist Physiotherapeut. Über seinen Job lernte er André kennen, der dort sein Patient war. Zunächst hatten die beiden noch eine normale „Geschäftsbeziehung“, schnell merkten sie aber, dass sie auf der gleichen Frequenz funken – sie wurden Freunde. Mittlerweile trainieren sie wie die Bekloppten auf dem Rennrad – denn André, den seine Jungs im Spaß eine Rennrad-Wurst nennen, hat eine Wette laufen: Wer schafft es, in einer bestimmten Zeit die meisten Watt zu treten? Eine Mentorenaufgabe wie gemalt für Bastian, den ihr vielleicht noch vom Canyon Night Ride kennt. Dort trat er auf 300 km einen 36er Schnitt. Nachts. Bei kaltem Dreckswetter. Noch irgendwelche Fragen?

Bastian Marks und André

Silvretta-Pass, Arlberg Giro

Von Bastian Marks | (c) Fotos: Bastian Marks, Adobe Stock

Wie bist du zum Radsport gekommen?

Man bekommt die Frage ja öfter gestellt, wenn man viel fährt und einem der Ruf vorauseilt. Jeder von uns hat seine Geschichte. Vermutlich denkt ihr auch gerade daran, was euch damals in die Sekte gezogen hat…

Ich selbst habe meine eigene unkonventionelle Geschichte: Ein moppeliger 15-Jähriger, der ein Rennrad von den Nachbarn bekommt, bevor sie es auf den Sperrmüll geben, weil sie ihn seit ein paar Wochen ein paar Mal zu oft um den Block rennen sahen. Sie dachten, vielleicht kann er es ja gebrauchen – und sie hatten verdammt Recht. Bereits wenige Wochen später und das eine oder andere Kilo leichter fuhr ich meinem bis heute besten Freund über den Weg, der bereits Rennen fuhr und naja, ich bin nie mehr abgestiegen.

Dennoch nehme ich Radsport bis heute als einen schwer zugänglichen Sport wahr. Fahren kann jeder, aber ihr wisst, wer in der „Sekte“ aufsteigen will, lernt immer mehr dazu. Es gilt 1000 Dinge zu wissen, und genauso viele Fehler haben wir alle mit den Jahren gemacht, bis wir es dann besser wussten.

Dinge, die jeden von uns beschäftigten…

Welches Rad kaufe ich mir? Welche Rahmengröße brauche ich wirklich, welche Übersetzung ist die richtige für Tempo im Flachen, dafür nicht zu schwer in den Bergen? Warum ist die Oberrohrlänge wichtig, was ist ein Sitzwinkel, welche Vorbaulänge, was ist eine Zero-Offset-Stütze? Welche Kleidung? Wie ernähre ich mich wann? Wie trainiere ich wann und wann trainiere ich besser nicht? Warum sind die anderen schneller? Warum bin ich grade heute schneller als sonst? Was machen eigentlich diese Profis? Was ist eine Relaisstation? Und die wichtigste aller Fragen: Warum soll ich mir die Beine rasieren???

Viele, viele „Was“ und „Warums“.

Stick to the Rules – always

In den letzten Jahren habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, Neulingen zu helfen. Es frustriert mich zu sehen, wie andere die gleichen Fehler machen, die ich gemacht habe. Ich versuche aufzuklären. Hole auch mal weit aus, erkläre logisch oder mit einem Augenzwinkern, wenn ich auf die „Rules“ verweise. Zu den Rules kann man stehen wie man will. Ich habe den Radsport allerdings im Jugendalter von Leszek, dem Vater meines Freundes, einem ehemaliges polnischen Profi gelernt, und als ich vor ein paar Jahren zum ersten Mal die Velominati Regeln (Link) las, konnte ich bei jeder nur zustimmend nicken. Radsport ist nun mal traditionell und eher konservativ. Wer schnellen technischen Fortschritt möchte, muss zum Triathlon.

Denen ist nichts heilig.

Im Laufe der Jahre habe ich viele Freunde zum Radsport gebracht. Eher zufällig. Ich glaube man sieht mir meine Leidenschaft an. Meine Geschichten motivieren. Denke ich. Aber vor ein paar Monaten kam für mich die Möglichkeit, mich völlig auszutoben. Den perfekten Radfahrer zu erschaffen!

André ist seit ca. eineinhalb Jahren mein Patient und ab irgendeinem Zeitpunkt auch Freund. Wir verstanden uns schnell gut. Ich bin Physiotherapeut. Ursprünglich mal wegen seines Arms. Irgendwann kam ein Fersensporn hinzu, André konnte nicht mehr regelmäßig laufen. Von ärztlicher und von manualtherapeutischer Seite schöpften wir alle Behandlungsmöglichkeiten aus, kamen dem Problem aber nicht bei.

André wurde unruhig.

Spinning, Powermeter – dann die Challenge

Zum Ausgleich schickte ich ihn zum Spinning, da er eh ins Studio ging. Irgendwann legte ich ihm nahe, dass es langsam Zeit wäre, zum „Sport der Könige“ zu wechseln. Ich weiß, dass er damals dachte: „Rede nur, du beinrasierter Vogel ;)“

Der Gedanke schien ihm aber zu gefallen.

Er saß regelmäßig auf seinem Spinningrad mit Wattanzeige und erzählte mir immer fröhlich, auch ein bisschen stolz, dass er wieder eine Stunde lang 200 Watt gefahren war. Und ich dachte nur: Mhhhh, gar nicht mal so übel!

Jeder, der Rad fährt und ein Powermeter drauf hat, weiß dass man das nicht im Vorbeigehen schafft. André ist zwar nicht der geborene Ausdauersportler, war auch kein Spitzenläufer, aber er hat Biss. Ihr wisst, das zählt beim Radfahren.

Im Winter kam der Knackpunkt. Zwei seiner Freunde, die sich selbst für ernstzunehmende Rennradfahrer halten, trainierten mit ihm im Studio und es gab eine Challenge: Wer schafft es, innerhalb eines festgelegten Zeitraums die meisten Durchschnittswatt zu treten? Und was soll ich sagen? André gewann.

Die Reaktion seiner Freunde ist nicht schwer zu erraten. „Auf der Straße kannst du das nicht umsetzen, Junge. Du bist ne Wurst!“

„Wir müssen reden.“ Die nächste Physiositzung bei mir wurde zum Schlachtplan. Das Projekt war geboren. André hatte Feuer gefangen und wollte es drauf anlegen. Ich sowieso. Von wegen Wurst.

Wir brauchten ein Rad, Klamotten, einen Wattmesser (der war ihm wichtig) und los geht’s. Alles unter meiner Anleitung.

André brauchte Equipment – und dann den Arlberg Giro

Bastian Marks und AndréDie nächsten Wochen vergingen mit Beschaffungskriminalität. Das Rad wurde ein caad12 mit Ultegra und Stages Powermeter. Laufräder gab’s von meinem Freund, einem Kölner Laufradbauer. Da ich selbst seit einer Weile mit einer Londoner Radbekleidungsfirma verbandelt bin, bestellten wir den ersten Trikotsatz und einige Accessoires von Rapha. Nebenbemerkung: Am Abend der Klamottenorder sind wir übrigens ganz böse abgestürzt. Eine weitere bleibende Erinnerung. Die einzigen Schuhe, die André gefielen waren S-Works 6. Naja, wie man sieht, kleckerten wir nicht.

Ultegra Pedale, obligatorische Jawbreaker, S-Works Helm, alles mit den nötigen Informationen. Welche Sockenlänge, welche Farben, weiße Schuhe sind Pro, etc.

Als alles eingetroffen war, trafen wir uns vor unserem ersten Training, vor Andrés erstem Mal auf einem Rennrad, morgens in meinem Wohnzimmer zum Bikefitting.

Auf meiner Rolle, stellte ich André komplett ein (ich hab das mal gelernt, nach 17 Jahren Radsport und 7 Jahren Physio): Vorbau getauscht, ein anderer Sattel, Position genau bestimmt und bääm! Los ging’s!

Es ist super wichtig, einen Einsteiger bei den ersten Einheiten nicht zu überfordern. Auch diesen Fehler hab ich schon begangen. Mit André fuhr ich aber super locker. „Viel Frequenz. Versuch dich dran zu gewöhnen, auch hoch zu ziehen. Das Rad im Wiegetritt bewegen.“ Ich schirmte den Verkehr von ihm ab, gab ihm das Gefühl, das Tempo selbst bestimmen zu können.

Die erste, schon bergige Runde, endete mit einer 24er-Schnitt – und dem obligatorischen „Ampelumkipper“ am Ende. Aber auch mit Spaß und neu geborenem Ehrgeiz.

Ich kürze das hier jetzt ab. André weiß, was Grundlage ist, als zügige Entwicklung der Tempohärte und der Lunge haben wir 40/20 geübt und er sitzt nun alleine, mit mir oder anderen 4 mal in der Woche auf dem Rad.

Er weiß, dass er die meisten Defizite in der Radbeherrschung hat: Windschatten fahren, bergab und so weiter, aber er arbeitet daran. Er kennt die Rules und er verhält sich vorbildlich im Straßenverkehr.

Das Ziel, seine Jungs zu ärgern, das bleibt. Und seit neuestem haben wir ein gemeinsames Ziel: den Arlberg Giro Ende Juli: 150 km mit drei echten Bergen. Wir haben Bock und ich bin sehr gespannt.

Ich werde berichten!

Also, wieder ein Mitglied mehr in der Sekte und eines, das ich ausbilde. Und wieder ein Freund mehr zum „dumme Sachen auf zwei Rädern da draußen machen“! Ich denke, jeder bräuchte einen solchen „Ausbilder“ und ich versuche es, so oft es geht, dieser zu sein.

Interessante Links:
– Bastian Marks mit 36er Schnitt beim Canyon 300 k Night Ride (Link)
– mein Arlberg Giro 2016 (Link)
– Übersicht der Leistungsdiagnostik & Bikefitting Institute (Link)

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