Während Du in anderen Sportarten durchaus mal einen „Lucky Punch“ setzen kannst – trotz eines schlechten Tages gewinnst Du ein Spiel aufgrund eines genialen Moments oder der jahrelangen Erfahrung – ist der Radsport gnadenlos: Hast Du es mit dem Training in den letzten Wochen nicht so genau genommen, dann nimmt Dich Radsport-Gott „Pedalis“ gerne auch mal volley: Klatsch! Mein erstes German Cycling Cup Rennen – Rund um Köln – war einer dieser Tage: Von Krämpfen geplagt, schleppte ich mich vollkommen außer Form gut 20 km ins Ziel nach Köln. Trainingsexperte und Sportwissenschaftler Philipp Diegner zeigt uns das ganze Elend einmal in Zahlen auf und gibt Trainingstipps, damit die Saison doch noch in die richtige Richtung geht.
Ach du Scheiße! Jetzt krampft auch noch die rechte Wade. Nicht nur, dass seit Kilometer 42 die linke Wade zwickt, kurz vorm zweiten Anstieg zum Schloss Bensberg – bei etwas über Kilometer 100 – steigt jetzt auch noch die rechte Wade mit ein: Zwick – zwack – zwick – zwack. Jede Pedalumdrehung ein Krampf. Na herzlichen Glückwunsch Herr Müller! Da ist ja einer in der Form seines Lebens! Nicht.
Dabei fing alles so vielversprechend an.
Traumhafte Tage in der Eifel
Nein, nicht mein Leben, ich rede vom Rund-um-Köln-Wochenende. Geboren und aufgewachsen bin ich in der Eifel – dieser durch und durch grüne Landstrich, der inmitten des Dreiecks Aachen – Koblenz – Trier liegt.
Eifel, ein herrliches Stück Natur: Viel Wald, viel Vieh und sehr wenig Mensch. Ein- bis zweimal im Jahr bin ich dort, um die Familie zu besuchen. Eigentlich viel zu selten. Aber wie das halt so ist, wenn man ca. 600 km entfernt wohnt. Und an dieser Stelle kommt das Rund-um-Köln-Rennen genau zur richtigen Zeit – der Familienbesuch konnte prima mit dem Rennen verbunden werden. Jaja, man mag’s kaum glauben, aber ich war tatsächlich zum ersten Mal mit dem Rennrad in der Heimat – garantiert aber nicht zum letzten Mal. Warum? Ganz einfach: Die Eifel ist ein traumhaftes Rennradrevier: Knackige Anstiege, wenig Verkehr, vernünftig ausgebaute Straßen und eine sensationelle Idylle. Das Ganze wurde obendrein noch dadurch versüßt, dass Petrus ausnahmsweise mal ein paar gute Tage hatte – das Wetter war eine glatte Eins. So macht Rennradfahren Spaß!
Bevor es dann nach Köln ging, gab’s noch vom Franz aus Prüm – er ist Mitbegründer des Prümer Radsportvereins und Inhaber des lokalen Fitnessstudios – eine Kühltasche mit auf den Weg, prallgefüllt mit selbstgemachten veganen Energiegels, die er in Zusammenarbeit mit der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Hamburg (HAW) entwickelt hat.
„Wir wolle net, dat de Jung vom Rad fällt!“
Euch seine Powergels demnächst vorzustellen, darauf freue ich mich jetzt schon. Die Dinger sind echt lecker und sehr verträglich! Bis dahin hat Franz aber noch ein paar Hausaufgaben vor sich, denn es gilt einen Onlineshop zu bauen. Mehr Infos von meiner Seite, wenn es soweit ist.
RAD RACE Crit als Heißmacher
„Let’s do this!“ Ingo Engelhardt sitzt am Samstagabend, der Abend vor dem Rund um Köln Rennen, im Moderationshäuschen und heizt die Meute an. Die Stimmung ist gut. Neben Ingo’s kreativer Moderation sorgen coole Beats für einen höheren Puls bei Zuschauern und Fahrern. RAD RACE ist kein Mainstream – Helene Fischer und The Final Countdown sucht man bei RAD RACE vergeblich. Hier nicken jetzt die Köpfe im Takt fetter Hip Hop Beats aus den 90ern. Gute alte Zeiten!
Exakt 44 Teilnehmer stehen am Start des RAD RACE Kriteriums (Open Kategorie) in Köln. Zwanzig Runden à 1,4 km gilt es im Start/Zielbereich des traditionsreichen deutschen Klassikers zu meistern. Und die Jungs meistern das Rennen bravourös: Sieger Maxime Haot aus Belgien gewinnt das RAD RACE Crit im Schlusssprint gegen Benedict Herzberg (Team Standert) und Christian Rose (Merkur Druck). Sieger Haot legt mal ganz nonchalant einen 50er Schnitt aufs Parkett. Krass. Noch krasser finde ich aber, dass er nicht nur am nächsten Tag bei der Langdistanz von 126 km an den Start geht, sondern diese auch noch unter den Top 100 finisht. Am Ende landet Maxime Haot auf Platz 81 mit einer Zeit von 3:11 Stunden. Der Dritte des RAD RACE Kriteriums, Christian Rose (Merkur Druck), landet auf Platz 297 mit einer Zeit von 3:24 Stunden. Ebenfalls: Hut ab. Ich fuhr für einige Kilometer an der Seite von Christian. Aber auch ohne die Vorbelastung des Kriteriums konnte ich am Ende die Geschwindigkeit bzw. die Leistung nicht halten.
Bravo Christian, Bratwurst Daniel!
Fazit RAD RACE Kriterium
Für mich war es nach dem Canyon Battle in Koblenz das zweite RAD RACE Event, das ich besucht habe. Und dieses war komplett anders. Größer und weiter. Also räumlich gesehen. Während es in Koblenz ein Kampf Mann gegen Mann, auf einer Strecke von 150 m, war, flogen in Köln die gut 40 Teilnehmer über den knapp 1,5 km langen Rundparcours. Das RAD RACE Team überzeugte vollends in der gewohnten Lockerheit und Professionalität – mir hatte jedoch, aufgrund der Kompaktheit und der deswegen aufgeheizteren Stimmung, das Canyon Battle in Koblenz etwas besser gefallen: Enger, lautere Musik, kürzeres Rennen – einfach mehr Adrenalinbombe!
Rund um Köln in der Langdistanz: auf geht’s!
Der Velodom 100 – die Langstrecke über 126,5 km – kann losgehen. Das Wetter ist ideal. Fast Fritz Walter Wetter, nur ohne den Regen. Komplett bewölkt, etwas kühl, jedenfalls nicht zu heiß. Gott sei Dank. Sehr angenehm, um mal richtig auf das Pedal zu treten. 126 km aufs Fressbrett. Keine langen Anstiege, immer hoch und runter. Klassiker eben.
Heutige Klamottenwahl? Ich probiere es mal mit lang/kurz. Wird schon passen. Beim Start sehe ich, dass ich einer der wenigen Weicheier bin, die was langes anhaben. Heute trägt man kurz/kurz. Heute wird gekesselt.
Egal, auf geht’s!
Ich bin zum ersten Mal bei einem German-Cycling-Cup-Rennen. Ungewohnt, aber mir gefällt es. Bis dato fuhr ich meine Rennen fast ausschließlich im angrenzenden Österreich. Da, wo die richtigen Berge sind. Nicht diese Hügelchen, wie hier. Ich nehme das Ganze vielleicht nicht ernst genug. Davon ahne ich zu dem Zeitpunkt aber noch nichts.
Schauen wir uns mal die anderen Kollegen an. Viele alte, kaum junge Fahrer. Wie überall. Leider. Der Radsport hat definitiv ein Nachwuchsproblem. Ich hoffe, dass Degenkolb, Kittel und Co. wieder dafür sorgen, dass mehr Kids aufs Rennrad kommen. Die Alten hier kommen noch aus der Ära Ulle & Co. aus den Neunzigern. Ist klar, seitdem ist wenig passiert in Deutschland, was Lust aufs Radfahren gemacht hat.
Wie viel Teilnehmer hier wohl am Start stehen? Im Fahrerfeld weiß man es nicht so genau. „4.000“ meint der eine, rechts von mir, aus Luxemburg. „Locker 2.000 werden es sein“ sagen die Locals zu meiner Linken. Ist auch wurscht. Das Ding ist definitiv groß.
Ich stehe im Startblock B, in einer der vorderen Reihen. Mit mir einer von Haberich Cycling, einer von Strassacker und noch ein paar andere Heißdüsen. Heute bin ich auch eine Heißdüse. 330 Watt, so meine eigene Kalkulation, da dürfte meine Schwelle zurzeit liegen. Ein kapitaler Fehler.
350 Watt aus der kalten Radhose raus
Der erste Tunnel unter der Severinsbrücke, so hieß es im Vorfeld, da musst Du aufpassen, das knallt es gerne mal. Alles klar, meine Taktik steht fest: Mit kalter Radhose geht’s direkt in den Vollsprint, um als einer der ersten in den Tunnel – und auch wieder rauszukommen. Die ersten eineinhalb Kilometer habe ich gleich mal 349 Watt im Schnitt bei einem ø Puls von 175 auf der Uhr. Soll mir jedenfalls keiner nachsagen, dass ich nicht motiviert bin.
In den Anfangsminuten geht die Taktik noch gut auf. Unfallfrei komme ich aus der Großstadt raus. Das ist erst einmal die Hauptsache. Jetzt sieh zu, dass Du vorne dran bleibst. Hinter den Haberich- und Strassacker-Jungs. Wenn einer von denen abhaut, gehst Du mit. Wie früher der Vorstopper beim Fußball.
Die ersten 30 Kilometer sind schnell. Viel zu schnell für mich am heutigen Tag. Ich habe mich überschätzt bzw. meinen Trainingsrückstand und meinen kleinen Klimaanlagen-Infekt vom USA-Urlaub unterschätzt. Bei einer Durchschnittsleistung von 250 Watt habe ich einen Puls von sage und schreibe 180! 250 Watt: Das wäre vor ein paar Monaten mein niedriger GA2-Bereich gewesen. Einen Puls von 150 hatte ich in diesem Bereich bei meiner Leistungsdiagnostik bei Staps im Januar. Heute 30 Schläge drüber. Was ist los?
Jetzt, beim Schreiben des Artikels, muss ich über mich selbst schmunzeln. Wie kann man bei diesem hohen Puls weiter draufdrücken? Das schmutzige Ende ist vorprogrammiert. Nimm raus Junge, doch Daniel will in dem Augenblick davon nichts wissen. Er drückt weiter drauf. Ohne Sinn und Verstand. Der Knockout ist vorprogrammiert.
Und der Knockout kommt.
K.O. am Schloss Bensberg
Wahrscheinlich setzte der Knockout schon etwas früher an, so richtig spürbar war er aber dann, als wir zum zweiten Mal das Kopfsteinpflaster von Schloss Bensberg hochfuhren.
Ich war am Ende.
Grüßte ich beim ersten Durchfahren noch meine Tante und meinen Cousin, war ich beim zweiten Durchfahren ein Schatten meiner selbst. Mir war es peinlich. Aufstehen ging nicht. Im Sitzen ging auch nicht. Überhaupt, es ging nix mehr. Aber es musste, irgendwie. Knapp 24 Kilometer mussten noch überwunden werden. Egal wie. Alles, nur absteigen und schieben war keine Option.
Was mir neben den eingangs erwähnten Krämpfen noch zu schaffen machte, war der Mangel an Getränken. Heute ärgere ich mich über mich selbst. Die beiden hätten mir ja locker eine Cola oder Wasser gereicht, im Stress zuvor hatte ich da überhaupt nicht dran gedacht und sie informiert. Mensch, was hätte ich in dem Moment für ein Getränk gegeben. Da stellt sich mir die Frage: Warum gab es eigentlich so wenig Verpflegungsstationen bei Rund um Köln? Ich war kurz davor, bei einer am Straßenrand sitzenden Familien zu fragen, ob sie mir die Flasche mit Leitungswasser vollmachen könnten. Kölsch hätte ich auch genommen.
Die „Flaschen-vollmachen“, das passierte dann tatsächlich bei der TOTAL-Tankstelle in Dingelskirchen. Ich weiß nicht mehr wie der Ort hieß. Ich musste auf jeden Fall raus. Fahrt ihr mal ohne mich weiter.
Da stand ich nun in der gut gekühlten Tankstelle. Keinen Cent in der Tasche, und um mich herum alles voll mit leckerer Cola, Snickers, Haribo & Co. Wie im Paradies, und Du darfst nichts anfassen. Ein böses Gefühl. Man kommt zurück zu den Urinstinkten – und dafür gibt es keine App: Das nennt sich Überleben. Wie bekomme ich meinen üblen Durst gestillt?
Nein, wir klauen nix. Das wäre keine gute Idee. Mit Nummer auf dem Helm erst recht keine gute Idee. Auch ohne Nummer auf dem Helm macht man das nicht. Gott sei Dank war die Tankwärtin aber eine sehr, sehr nette Person und erbarmte sich meiner. Ob sie mir denn die beiden, von meinem Schweiß vollgesifften, Flaschen vollmachen könnte?
Ja sischer dat!
Super! Nach einer Cola traute ich mich aber nicht zu fragen. Ich hätte ihr das Geld auch am gleichen Abend per Paypal überwiesen. Egal, zurück auf die Strecke. Ich wollte nur noch eins: den Dom sehen! Noch nie in meinem Leben hatte ich mir so sehr den Anblick der bekannten Kapelle gewünscht wie jetzt. Ein bisschen musste ich aber noch. 20 Kilometer in etwa. Ich schaffte es kaum, den Windschatten von Frauen, alten Männern und Fahrrädern mit Schutzblech zu halten. Das i-Tüpfelchen waren aber später die kleinen Kinder, die bei der Einfahrt nach Köln die Hände ausstreckten und von den Fahrern abgeklatscht werden wollten. Bei den Fahrern vor mir riefen sie irgendwas wie „Hey, Hey!!!“ – bei mir rief einer tatsächlich „Komm, du schaffst das!“ Nochmal: „Du schaffst das!“ Wir reden von einer komplett flachen Straße, die nach Köln reinführt. Dieses „Du schaffst das“ kenne ich höchstens als Anfeuerungsruf, wenn man einen Bergmarathon fährt und noch 3.000 Höhenmetern vor sich hat.
Gut gemeint vom kleinen Bengel, ich war aber gedemütigt.
Als ich endlich das Ziel, nach etwas über 3:30 Stunden, durchquerte, schwor ich mir, dass mir so etwas nicht mehr passiert. Denn mit dem King of the Lake Zeitfahren wartet Ende September mein persönliches Saison-Highlight, bei dem ich das Maul jetzt schon zu weit aufgerissen habe: Im Interview mit Organisator Erwin hatte ich gewettet, eine Zielzeit von 1:08 Stunde zu schaffen, was einer ø Leistung von ca. 310 Watt entspricht. Oweia, bei der Betrachtung meiner Rund-um-Köln-Performance ist das noch ein weiter Weg.
Ab jetzt bin ich wieder fleißig!
Mein Fazit für Rund um Köln
- + Tolle Strecke; eigentlich genau mein Profil, da keine allzu langen Anstiege
- + Super Organisation, alle Straßen gesperrt; es gab keine Autos auf der Strecke
- + Gute Stimmung im Feld; von der angespannten Team-Thematik (Strassacker, Merkur und Co.) konnte ich (auf den hinteren Plätzen) nichts feststellen
- + Tolle Stimmung am Straßenrand im Bergischen Land; es hatte definitiv etwas von Klassiker-Stimmung
- + Schönes Gefühl durch Köln und das Umland zu fahren
- – Ein bis zwei weitere Verpflegungsstationen wären gut gewesen
Das Elend in Zahlen – die Rennanalyse mit Philipp
Beeindruckt von Philipps Paris–Roubaix Rennanalyse kam mir die Idee, ihn mal zu fragen, ob er mein Rund um Köln Rennen einmal analysieren und vergleichen würde mit den besten Jedermannfahrern sowie Profis. Aus sportwissenschaftlicher Sicht bestimmt interessant zu sehen, wie ich mich beständig dem Abgrund nähere.
Von Philipp Diegner
Allgemeiner Trend für Rund um Köln
Die ersten 69KM fuhr Daniel mit einer Leistung von 227W im Schnitt und sogar 256W normalisiert in einer Zeit von 1:48 Stunden. Für die verbleibenden 56KM mit deutlich weniger Anstiegen brauchte er dann noch einmal 1:41 Stunde bei nur noch 148W (177W NP).
Vergleich zu den besten Jedermännern
Auf den ersten 20KM in Richtung Hügel verlor Daniel ca. 1:30 min. auf die Spitze. Im mittleren Part, der mit 6 signifikanten Anstiegen gespickt war, kamen wiederum moderate 6 min. dazu – ein guter Trend, auf dem Weg zu einem guten Ergebnis. Danach kam jedoch der erkennbare Einbruch und am Ende waren es knapp 25 Minuten, die er auf die Spitzenfahrer eingebüßt hatte.
Vergleich zu den Profis bei Rund um Köln
Die Profis fuhren zu großen Teilen die gleiche Strecke, wie die Breitensportler, was eine nette Gegenüberstellung der Leistungen zulässt:
- Am ersten längen Anstieg „Oberkirsbach“ erbrachte Daniel 330W (3,98W/kg) über 5:54min, gerade einmal 16% langsamer als der schnellster Profi, Carl Soballa von LKT Team Brandenburg (5:04min: 427W bzw. 5,85W/kg)
- Beim letzten längeren „Hindernis“ auf der Jedermannstrecke, bei Oberkülheim, brachte Daniel noch 238W und damit 2,87W/kg auf die Kette, eine Zeit von 8:56min. Team Katusha‘s Nils Politt brauchte hier 6:32min mit 415W (5,19W/kg) Leistung, was ca. 37% schneller war
- Bemerkenswert: Top-Breitensportler Julian Horstmann (Bürstner-Dümo Cycling) war hier sogar noch schneller unterwegs als die Profis. Er fuhr den Anstieg in 6:25min mit einer relativen Leistung von 5,36W/kg (316W)
Vergleich zu früheren Leistungen
- Ein FTP-Test auf Lanzarote am 29. Januar 2016 ergab eine 20min-Leistung von 339W (4,19W/kg bei 81kg) und eine Herzfrequenz (HR) von 181bpm. Daraus ergab sich ein FTP/Schwellenleistung (60min) von ca. 325W
- Noch am 10. März fuhr Daniel eine 8min Belastung mit 330W am Kloster Andechs mit eine HR von 176bpm im Schnitt
- Bei Rund um Köln fuhr er seine stärksten 20min mit 268W (3,23W/kg bei 83kg) und hatte dabei eine durchschnittliche Herzfrequenz von 182bpm. Diese war damit sogar höher als bei seiner 20min Bestleistung im Januar, bei fast 1W/kg gesenkter Leistung. Dabei muss erwähnt werden, dass im Wettkampf kein stetiger Effort gefahren wurde, sondern Leistungsspitzen und -täler enthalten waren. Dennoch ist dies ein deutlicher Indikator für einen Rückgang der Leistungsfähigkeit
- Seinen längsten vollständig stetigen Anstieg fuhr Daniel über knapp 6min mit 330W, nach 30min Wettkampf und wies eine durchschnittliche Herzfrequenz von beeindruckenden 189bpm auf. Er war hier bereits tief im Roten Bereich – mit noch 100KM Rennen zu fahren
- Der unvermeidliche Einbruch kam nach ca. 75km, als er am 2.7KM langen Anstieg nach Oberkülheim nur noch 238W (2,87W/kg) für 8:56min herausfuhr. Dabei schlug sein Herz immer noch mit 182bpm, Daniel konnte hier einfach nicht mehr leisten und rettete sich danach angeschlagen ins Ziel
HOCHRECHNUNG für Rund um Köln:
Bis der „Mann mit dem Hammer“ zuschlug, hatte Daniel ungefähr 7 Minuten auf die besten Jedermänner verloren, obwohl er nicht mit den Besten aus Startblock A gestartet war. Hätte er diesen Trend bis ins Ziel aufrecht erhalten können, wäre seine Endzeit vermutlich um die 3:19-3:20 Stunden gewesen. Eine Zeit in den TOP 200 der Gesamtwertung wäre damit möglich gewesen. Durch den Einbruch verlor er jedoch auf den letzten 40KM über eine Viertelstunde. Mit seiner Endzeit von 3:31:14 platzierte sich Daniel auf dem 439. Rang von 1202 gewerteten Männern.
Woran lag’s? Philipp Diegner im Kurzinterview
Philipp, Du hast dir mein Rennen per Garmin-Leistungsdatei angeschaut, was sind Deine Erkenntnisse?
Du bist das Rennen sehr schnell und motiviert angegangen. Deine Durchschnittsleistung in ersten Stunde von fast 240W mit einer normalisierten Leistung von 265W war ein starker Beginn. Danach begann jedoch ein stetiger Abbau, Du konntest Deine Performance einfach nicht bis zum Ende aufrecht erhalten. Vor allem auf den letzten 50KM musstest Du Tribut zollen und verlorst viel Zeit. Es ist erkennbar, wie sehr Du hier gelitten hast, während du nur noch knapp 135W im Schnitt erbrachtest.
Deine Herangehensweise an das Rennen basierte auf veralteten Annahmen über Deine Leistungsfähigkeit.
Wo habe ich das Rennen Deines Erachtens verloren?
Eine bessere Platzierung hast Du mit dem furiosen Beginn verschenkt. Deine Herangehensweise an das Rennen basierte auf veralteten Annahmen über Deine Leistungsfähigkeit. Diese Pacingstrategie konnte natürlich nicht gut gehen, ein Einbruch war unvermeidlich. Wenn wir uns Dein „Training“ in den letzten Wochen anschauen, lässt sich erkennen, dass Du seit Ende April/Anfang Mai 3 Wochen überhaupt nicht gefahren bist und Dein Gesamtumfang gerade einmal 32 Stunden auf dem Rad beinhaltete. In den Monaten zuvor hattest Du noch deutlich mehr KM angesammelt und zusätzlich die solide Grundlage aus Deinen Lanzarote und Mallorca Trainingslagern in den Beinen. Insbesondere die 2 Wochen „Radfrei“ Ende Mai, während Deiner Amerikareise haben Dir natürlich einiges an Fitness Einbußen eingebracht. Dennoch ist der Leistungsverfall bemerkenswert.
Bereits nach 42 km hatte ich den ersten Krampf in der linken Wade – wie erklärst du dir das? Die letzten 20 km hatte ich gar bei jeder Pedalumdrehung Krämpfe in den Waden und im Quadriceps – eine Tortur.
Wir haben immer noch keinen Konsens über die physiologischen Gründe von Krämpfen. Sie stehen aber vermutlich teilweise mit ungewohnten Belastungen im Zusammengang. Für Dich war die intensive Startphase mit den regelmäßigen steilen Anstiegen bei Rund um Köln natürlich ein „Schock für das System“. Dass das Ganze dann durch unzureichendes Trinken und Essen während der Fahrt noch befeuert wird, steht außer Frage. Du warst natürlich auch nicht davon ausgegangen, dass diese Leistungswerte eine so starke Beanspruchung für deinen Energiestoffwechsel darstellen würden.
Mein Saisonhöhepunkt wird Ende September der King of the Lake sein – was ist Deine Trainingsempfehlung, damit ich einen guten Saisonabschluss schaffe?
Glücklicherweise ist bis dahin ja noch einiges an Zeit vorhanden. In 2-3 Monaten sollte es bei angemessener Hingabe möglich sein, Dein altes Niveau wieder zu erreichen, und vielleicht sogar noch ein bisschen was oben draufzusetzen. Der King of the Lake ist ein relativ flacher Zeitfahrkurs, für den die Besten ca. 1 Stunde brauchen. Hierfür sollten wir nach einer 2-3 Wochen langen Grundlagenphase langsam wieder spezifische Intensitäten in dein Training einbauen. Hier stehen vor allem verschiedene Belastungen rund um Deine Schwelle im Vordergrund, damit Du Deine stetige Leistung über die Dauer des Zeitfahrens auf ein wettkampftaugliches Level heben kannst.
Wenn Du Dir meine Leistungsdaten der letzten Monate anschaust, welche Zeit hättest Du mir bei „Rund um Köln“ zugetraut, wenn alles gepasst hätte?
Wie aus der Analyse hervorgeht, wäre mit der Pace aus den ersten 60KM eine Zeit von unter 3:20 Stunden drin gewesen. Für eine nachhaltige Leistung hättest Du aber etwas langsamer angehen müssen, mit ungefähr 5-8% weniger Leistung, gerade an den Anstiegen. Eine Zeit um die 3:25 wäre wohl derzeit realistisch. Hättest Du auf dem Weg zurück nach Köln eine gute Gruppe gefunden, mit der Du kooperiert hättest, hätten vielleicht noch einige Minuten weniger auf der Uhr gestand
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