[Auszug aus den SpeedVille Interview Sessions #011] Der absolute Wahnsinn: Ganze vier Mal bereits gewann Christoph Strasser das wohl härteste Radrennen der Welt, das Race Across America (RAAM). Knapp 5.000 km und gute 50.000 Höhenmeter gilt es bei diesem Ritt von der West- an die Ostküste der USA, mit möglichst wenig Pausen, in Bestzeit zu absolvieren. Die Distanzen und Höhendifferenzen sind dabei nicht der größte Gegner: Der schmerzende Schlafmangel über 7-8 Tage bricht so manchem top Trainiertem das Genick. Nichts für Weicheier. Nichts für Menschen ohne starken Willen. Christoph Strasser lässt uns in seine Gedankenwelt eintauchen. Was braucht es, um das RAAM zum fünften Mal in 2018 zu gewinnen? Ein Lehrbeispiel für all diejenigen, die wissen wollen, wie man ohne große Umwege seine Ziele erreicht.
Christoph Strasser über sein Training für das RAAM
Wie lange hast du gebraucht, bis du den richtigen Sattel gefunden hast?
Christoph Strasser: Coole Frage (lacht). Ich fahre einen Sattel aus 2010. In dem Jahr gab es ein Model von Specialized, welches perfekt für meinen Hintern passt. Das Problem ist nur, den gibt es jetzt nicht mehr und mir ist in 2015 tatsächlich der Sattel gebrochen, weil der einfach irrsinnig viel Kilometer drauf hatte.
Specialized konnte mir leider keinen neuen mehr schicken und das Marketing in Holzkirchen hat in ganz Europa einen Aufruf unter den Händlern gestartet.
In Weißrussland hat sich dann ein Händler gefunden, der noch einen letzten 2010er-Sattel auf Lager hatte. Der hat mir diesen dann geschickt und ich habe ihm als Dankeschön ein signiertes Trikot rüber geschickt – dann waren beide glücklich.
Den Sattel nutzt du aber vermutlich nicht im Training?
Christoph Strasser: Genau, im Training fahr ich den Sattel gar nicht mehr, weil er wirklich was Besonderes ist und ich hoffe, dass der bis zum Ende meiner Karriere durchhält. Die neuen Modelle sind ja auch großartig, aber wenn sie die Form um 1mm ändert, passt er zu meinem Hintern eben nur mehr zu 99%.
Es gibt so lustige Geschichten von den Radprofis zum Thema Sattel – die fahren teilweise auch Sättel, mit denen sie in Ihrer Jugend groß geworden sind.
Christoph Strasser: Das ist ein ganz sensibles Teil.
Du bist ja eigentlich Fußballer und hast mit 18 oder 19 erst mit dem Radsport angefangen, richtig?
Christoph Strasser: Fußballer in dem Sinne war ich nicht, ich habe halt Fußball gespielt, ein durchschnittlicher Kicker. Wie man halt als junger Bursch bei einem kleinen Verein im Heimatort mitspielt. Ich musste aber schnell feststellen, dass ich nicht wirklich das große Talent habe und es hat zum Schluss auch nicht mehr so viel Spaß gemacht. Dann ist aus dem Hobby „mit dem Rad zum Training fahren“ mehr geworden.
Wie kam es, dass du gesagt hast, diese Ultradistanzen, das könnte so meine Nische werden?
Christoph Strasser: Zunächst war es einfach das Mitverfolgen, wenn man den Wolfgang Fasching gesehen hat, der in Österreich ja sehr bekannt war und auch immer noch ist – wie der Wolfgang damals in Amerika eben so erfolgreich war. Das habe ich in jungen Jahren immer so mitverfolgt, seine Bücher gelesen. Ich war begeistert von den Sachen und habe eigentlich nie ernsthaft gedacht, dass ich das selbst machen kann. Das war so weit weg.
Dann bin ich einfach aus Spaß das erste Rennen meines Lebens gefahren, das war ein 24-Stunden-Rennen auf einem Rundkurs und habe dort gesehen, eigentlich ist das eine ziemlich coole Sache und eine spannende Herausforderung – ich habe dann wirklich Schritt für Schritt, Jahr für Jahr, versucht, das Ganze ein bisschen voran zu treiben.
Am Anfang nicht so mit einem Ehrgeiz oder professionellem Training, sondern einfach nur als Hobby. Irgendwann habe ich gedacht, naja, eigentlich kann ich mir das schon vorstellen, dass hier mehr geht. In 2005 habe ich das Training umgestellt auf 1000 Trainingsstunden pro Jahr und sehr viele Einheiten mit 10 Stunden aufwärts gemacht.
In 2005, da warst du mit 22 jüngster Finisher des RATA. Du hast eben gesagt, das hat dir irrsinnig Spaß gemacht. Aber macht das wirklich Spaß so lange auf dem Fahrrad zu sitzen? Oder ist Spaß das falsche Wort?
Christoph Strasser: Mittlerweile hat den Titel „jüngster Finisher des RATA“ ein anderer, der Fritz Geers aus Deutschland, seit einem oder zwei Jahren. Den Titel darf ich jetzt nicht mehr beanspruchen. Es macht schon Spaß, man darf natürlich nicht glauben, dass man auf dem Rad sitzt und die ganze Zeit lacht.
Es kommt immer drauf an, mit welchem Setup man das Ganze bestreitet. Wenn man coole Jungs im Betreuerteam dabei hat und wenn ich z.B. beim Robert Petzold lese, wie die das immer berichten und schreiben, ihn wirst du auch kennen oder?
Den kenne ich gut.
Bei ihm kommt das auch immer so rüber, dass er dann doch Spaß daran hat, obwohl es natürlich super anstrengend und hart ist. Man muss auch sehen, die Vorbereitung ist sehr erfüllend, das „auf ein Ziel hin arbeiten“ macht Freude. Dann hat man beim RATA diese 24 Stunden, die man durchtauchen muss, aber wenn man dann merkt, dass die ganzen Mühen und der ganze Aufwand fruchtet, dann bereitet es schon Genugtuung bzw. Spaß.
Genauso ist der King oft he Lake in dieser einen Stunde kein Spaß. Es ist einfach nur brutal hart, diese eine Stunde Zeitfahren. Trotzdem wird ein jeder am Ende sagen, es war irgendwie geil, obwohl es brutal anstrengend ist.
Du hast jetzt scheinbar eine neue Bestmarke bei deiner FTP, mit 400 Watt, dann kannst du ja beim King oft the Lake im Herbst ganz vorne mitfahren.
Christoph Strasser: Ich war voriges Jahr schon Vierter bei den Amateuren. Ich finde es ist immer spannend, wenn man sich so einer Herausforderung stellt, in der man nicht der Beste ist. Beim RAAM weiß man, wenn alles gut geht, ist man ganz vorne dabei. Meine FTP ist momentan bei genau 394 Watt, also 5W/kg.
In 2018 ist dein oberstes Ziel der fünfte Sieg beim Race Across America. Das müsste irgendwann im Juni sein?
Christoph Strasser: Am 12. Juni geht es los.
Das sind noch ca. 3 Monate, da bist du ja jetzt in der komplett heißen Phase in deiner Vorbereitung?
Christoph Strasser: Momentan ist es sehr intensiv, ja.
Wieviel Stunden trainierst du pro Woche?
Christoph Strasser: Die letzten 12 Wochen waren es immer 25 Stunden, auch in den lockeren Wochen, bis hoch auf maximal 33 Stunden im Trainingslager auf Zypern. In der umfangreichsten Woche werden 43-45 Stunden zusammenkommen. Konstante 25 Stunden plus, das ist jetzt ganz wichtig, die Regenerationswochen sind dann halt ausschließlich im lockeren Bereich, aber trotzdem sehr viel Umfang.
Ich habe jetzt auch in diesem Jahr einen neuen Trainer. Der hat eine etwas andere Philosophie: Grundlagentraining langsamer und Intervalle noch härter als früher.
Markus Kinzlbauer…
Christoph Strasser: Richtig.
Das ist ein sehr interessanter Punkt, den ich mir vorab notiert hatte. Dein neues Training ist ja relativ untypisch, oder? Weil du ja eigentlich ein Grundlagenfahrer bist. Beim RAAM wirst du ja kaum über deine Grundlage hinausgehen?
Christoph Strasser: Da muss ich kurz ausholen. Ich habe früher auch oft sehr viele intensive Intervalle trainiert. Bis 2015 hatte ich einen Trainer gehabt, der ein ähnliches Konzept hatte: viele intensive Intervalle, Sweetspot-Intervalle.
Dann habe ich mich drei Jahre selber trainiert und wenn man sich selber trainiert, dann wird man halt, nicht jetzt gemütlich oder nachlässig, aber ich habe im eigenen Training diesen hochintensiven Bereich doch etwas vernachlässigt.
Eine Trainingsumstellung braucht Vertrauen, oder?
Christoph Strasser: Ja, ich habe dem neuen Trainer von Anfang an vertraut und dass das, was er vorgibt, Sinn macht. Aber ich habe einige Male im Training echt gelitten. Es war unfassbar, wie schwierig es ist, 4×4 Minuten All-Out zu fahren. Das klingt so kurz, aber das ist unglaublich hart, ich musste die eine oder andere Einheit tatsächlich abbrechen.
Trainierst du die Intervalle auf deinem Zeitfahrrad möglichst wettkampfnah oder hast du dafür ein normales Rennrad?
Christoph Strasser: Im Training fahre ich ein normales Rennrad von Specialized, momentan das Tarmac ohne Aufleger. Ich versuche zuerst ohne Aufleger und wenn alles passt, kommt der Aufleger drauf.
Wie viel Watt drückst du im Schnitt beim RAAM?
Christoph Strasser: Die Durchschnittsleistung bei meinem schnellsten RAAM betrug…
Fotos: limeART (Manuel Hausdorfer)
Dies war ein Auszug des Interviews mit Christoph Strasser aus dem aktuellen e-Magazin (PDF) Interview Sessions 011. Veröffentlichung war am 9. April 2018.
Weitere Interviewgäste im e-Magazin sind Mario Kummer (ehem. Sportlicher Leiter Team Telekom/ T-Mobile) und Bloggerkollege Daniel Lambertz.
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