Daniel Knyss vom Team Merkur würde, wenn er denn dürfte, gerne mal beim Cyclassics Hamburg Profirennen mitmachen. Der Kurs liegt ihm. Sagt er. Er ist flach, hat aber höllisch viel Gegenwind. Um am Ende den Kösterberg, zumindest bei den Jedermännern. Wer hier Plätze gut machen will, der muss den knapp 2 km langen Buckel schnell wegdrücken. SpeedVille Leser Johannes war bei der offiziellen Streckenbesichtigung dabei und zeigt worauf es ankommt. Denkt er.
Wow, das werden ja immer mehr!
Bereits sechs internationale Radrennen mit ca. 50.000 Startern sind es, die der Veranstalter Ironman auf die Beine gestellt hat.
Und das nicht irgendwo.
Neben den in Deutschland bestens bekannten Veranstaltungen in Hamburg (Cyclassics) und Berlin (Velothon) bieten die „Eisenmänner“ noch weitere vier UCI-lizensierte Rennen in Cardiff (Wales), Edmonton (Kanada), Sunshine Coast (Queensland, Australien) und Stockholm (Schweden) an (siehe Übersicht der Rennen).
Alleinstellungsmerkmal?
Neben der UCI-Lizensierung ganz klar die komplett gesperrten Strecken und die wirklich sehr speziellen Locations. Wer träumt nicht mal davon, im Herzen einer pulsierenden Großstadt vor tausenden von Zuschauern zu finishen? Oder an der glitzernden Sunshine Coast? Oder, oder, oder… Geht sicherlich schlechter.
Geilste Zielgerade Deutschlands
Daniel Knyss (Team Merkur) bezeichnete die Zielgerade des Velothon Berlins in den Interview Sessions #005 gar als die eindrucksvollste Zielgerade Deutschlands. Aber auch die Cyclassics Hamburg stehen beim Top-Sprinter der Jedermannszene ganz hoch im Kurs – schließlich das Rennen, das er, wenn er einen Wunsch frei hätte, am liebsten mal mit den Profis fahren würde (hier geht’s zum Interview mit Daniel Knyss).
Grund ist sicherlich die Topographie – denn für Fahrer mit Normalgewicht bieten sich die Cyclassics an, die ja eher flach sind, perfekt an.
Ein Rennen für Sprinter & Allrounder.
Aber Obacht, nicht unterschätzen: Der natürliche Feind heißt in Hamburg nicht Höhenmeter, sondern Gegenwind – und am Ende dann doch Berg, und zwar Kösterberg. Wenige Kilometer vorm Ziel die letzte Chance, nochmal auszubrechen und einem Massensprint zu entgehen.
Im Frühjahr wurden wir von den Cyclassics Hamburg eingeladen, uns die Strecke, zusammen mit ein paar Journalisten, anzugucken.
SpeedVille Leser Johannes machte sich auf den Weg und berichtet von seinen Eindrücken aus Hamburg.
- was macht für ihn die Faszination Cyclassics aus?
- Erlebnis Hamburg
- Scharfrichter Kösterberg kurz vorm Ziel
Cyclassics Hamburg: Alle Infos zur Strecke
Du fährst ja eigentlich eher die Radmarathons in den Bergen, hast aber schon 6 Mal bei den Cyclassics teilgenommen. Was macht die Faszination für dich aus?
Es ist wie ein richtiges Radrennen, das hohe Geschwindigkeiten garantiert und abgesperrte Strecken hat. Man kann Vollgas fahren und sich einfach mal ausprobieren in einem großen Feld und fühlt sich mehr oder weniger wie im Profiradrennen.
Bei den Alpenmarathons geht es ja meisten die ersten Kilometer zusammen, dann geht es rechts weg und man ist im Anstieg und dann kämpft man gegen sich selbst. In Hamburg hat man eben das Radrennen, das man aus dem Fernsehen kennt. Und natürlich auch die Metropole Hamburg; also durch eine Millionenstadt hindurch ein Radrennen zu bestreiten, ist natürlich geil!
Ihr seid einen Teil der Strecke nachgefahren. Statt Höhenmeter heißt der Gegner hier Wind. Wie war das mit dem Wind bei deinen bisherigen Cyclassics?
Da man im großen Feld unterwegs ist, gilt es taktisch zu fahren. Nicht die Nase zu früh in den Wind halten, aber natürlich seine Ablösungen fahren. Gerade der neue Streckenabschnitt bietet die Möglichkeit für Windkanten, ist aber auch sehr kurvig, um hier schon die Entscheidung zu suchen und das große Feld vielleicht zu sprengen. Bei der Besichtigung war der Wind schon extrem – wer hier dann alleine fährt, hat keine Chance mehr.
Was sind für dich die Highlights der Cyclassics Strecke?
Keine Frage: Der Start in der Speicherstadt gehört zu den Highlights. Wenn die Sonne zwischen den alten Speichern durchblinzelt und der Himmel blau ist, ist das schon ein Gänsehautmoment. Zweiter Höhepunkt ist die Köhlbrandbrücke, es lohnt sich im Anstieg den Blick schweifen zu lassen, meiner Meinung nach hat man von hier aus den besten Blick auf Hamburg mit seinen vielen Kirchtürmen und den Hafen.
Dazu das glitzernde Wasser der Elbe: Traumhaft und wieder Gänsehaut. Dann geht es raus in die Lüneburger Heide, viele kleinere Orte werden durchfahren mit ihren Reetdächern – für den geneigten Bergfex mal eine schöne Abwechslung.
Am Ende der Südschleife fährt man wieder durch Hamburg, um auf die Ostschleife zu gelangen. Hier überquert man die Kennedybrücke und hat wiederum einen schönen Blick auf Binnen- und Außenalter sowie das Rathaus. Die letzten Kilometer sind dann nochmals Highlight pur, die Elbchaussee mit den Villen im edlen Blankenese und dann der sofortige Kontrast mit der Reeperbahn. Hier wird alles von Hamburg gezeigt.
Und das Beste kommt zum Schluss, die Mönckebergstraße. Man fährt hinter dem Rathaus vorbei durch die Hochhäuser der Innenstadt und es sind noch nicht viele Zuschauer da, aber wenn man durch die letzte Kurve fährt und der Blick sich weitet, stehen tausende von Leuten bereits an der 500m-Marke und feuern einen an. Das ist unglaublich und man kann nicht beschreiben was man hier fühlt.
Die Jedermänner fahren ja nicht über den Waseberg, stattdessen über den Kösterberg in Blankenese. Knapp 2 km lang und bis 7% steil. Wie würdest du den Anstieg beschreiben?
Dieser Anstieg wurde von mir unterschätzt. Vor allem, wenn man ihn auf der großen Runde nach 130 km fährt. Denn hier geht dann richtig die Post ab und man muss vorne sein. Das war mein Fehler, ich war ganz hinten im Feld und konnte nicht mehr reagieren. Der Berg ist ziemlich lang gezogen und wird immer steiler und tut nochmal richtig weh. Also, man muss den Kösterberg schon sehr, sehr ernst nehmen.
Wenige km vor dem Ziel eignet sich dieser Anstieg perfekt, um eine gut durchdachte Schlussattacke zu setzen, bevor es ins Ziel geht. Ist der Kösterberg für dich auch der Scharfrichter?
Ja, es ist der Scharfrichter. Da vorher nicht viel passiert. Ich wunderte mich schon, warum auf den langen breiten Straßen keiner versuchte eine Attacke zu setzen. Wie oben beschrieben, wusste ich dann wieso: Der Kösterberg ist dann im vollen Tempo doch sehr selektiv, vor allem wenn man nicht vorne dabei ist.
Bei welcher Streckenlänge möchtest du in 2017 an den Start gehen?
Ich bin noch nicht ganz sicher, da eine Woche später der Ötztaler ansteht. Aber eigentlich möchte ich alles erleben und das solange wie möglich. Stand jetzt sind 180 km geplant, das ist Hamburg einfach wert, auch wenn ich dann beim Ötztaler fünf Minuten langsamer bin.
Fotos: Cyclassics Hamburg, Ironman