Wie geil ist bitte die diesjährige Tour de France? Freddy Böna nennt uns in diesem Kommentar fünf Gründe, warum ihr euch auf die letzte Tourwoche in den Alpen – wie Sau – freuen dürft.
Von Frederik Böna
In den letzten Jahren folgte die Tour de France eigentlich immer einem ähnlichen Schema:
Das Team Sky diktierte spätestens mit den ersten echten Bergetappen fast nach Belieben das Geschehen und sorgte dafür, dass relativ schnell feststand, dass einer ihrer Fahrer – meistens Chris Froome – als Träger des Gelben Trikots in Paris ankommen würde.
Sky Dominanz seit 2012 mit Wiggins & Froome
2012 gewann mit Bradley Wiggins der erste Sky-Fahrer die Tour und leitete damit eine Vorherrschaft des Teams für die kommenden Jahre ein, die lediglich von Vincenzo Nibali im Jahr 2014 kurz unterbrochen wurde.
Seitdem heißt es:
Vier Mal Chris Froome, 1 Mal Geraint Thomas, so die beeindruckende Bilanz des Teams bei der Tour seit 2013.
Die Überlegenheit des Teams war so groß, dass andere Fahrer oft gar nicht erst auf die Idee kamen, anzugreifen und wenn doch, wurden sie bereits nach kurzer Zeit wieder vom Sky-Zug einholt.
Letztendlich war oft schon nach der ersten Bergetappe klar, dass der Sieger wieder einmal aus dem Team Sky von der Insel kommen würde.
Kurze Unterbrechung durch Nibali
2014, als Chris Froome verletzungsbedingt sehr früh aufgeben und Sky danach kopf- und mehr oder weniger auch planlos war, dominierten Astana und Vincenzo Nibali das Geschehen fast ähnlich dominant.
Die letzte Tour de France, die wirklich bis zum Schluss Spannung bot, war vermutlich die im Jahr 2011, als Cadel Evans erst am vorletzten Tag im Zeitfahren Andy Schleck noch das Gelbe Trikot abnahm.
Dieses Jahr scheint bis dato – nach der furiosen 15. Etappe – die Tour von 2019 die von 2011 allerdings sogar noch einmal zu übertreffen, was die Spannung anbelangt.
Dafür gibt es mehrere Gründe:
1) Julian Alaphilippe wird kämpfen
Julian Alaphilippe wird das Gelbe Trikot mit aller Gewalt verteidigen wollen.
Vermutlich wird er in den Alpen noch etwas Zeit auf seine direkten Verfolger in der Gesamtwertung verlieren, aber er hat immerhin noch über eineinhalb Minuten Vorsprung auf seinen nächsten Konkurrenten Geraint Thomas – und dieser wirkte in den Pyrenäen nicht in Topform.
Für mich ist es mehr als fraglich, ob Thomas dazu in der Lage ist, auf den verbleibenden drei Etappen in den Alpen noch an Alaphilippe vorbeizuziehen.
Etwas problematisch könnte jedoch werden, dass Alaphilippe vermutlich sehr früh keine Helfer mehr an seiner Seite haben wird, sollte Enric Mas sich nicht wieder fangen.
2) Thibaut Pinot wird attackieren
Ganz klar: Thibaut Pinot wird weiterhin attackieren.
Nachdem er auf der Windkante ordentlich Zeit (ca. 1:40 Minuten auf 10. Etappe) verloren hatte, schien die Tour fast schon gelaufen für ihn.
Ein ordentliches Zeitfahren, vor allem aber seine Leistungen in den Pyrenäen, führten ihn zurück in den Kreis der Sieganwärter.
Stärkster Fahrer in den Pyrenäen
Pinot war bei den Bergetappen bisher der stärkste Fahrer und trotz eines Rückstands von knapp zwei Minuten auf Alaphilippe ist es ihm durchaus zuzutrauen, dass er sich in den Alpen doch noch das Gelbe Trikot holt.
Vorausgesetzt er behält die aktuelle Form und wird nicht krank, was in der Vergangenheit bei ihm bei dreiwöchigen Rundfahrten ja schon häufiger vorkam.
Vorsicht vor der Hitze
Zu schaffen könnte ihm die angekündigte Hitze (soll 40 Grad werden in Frankreich) machen, mit der er oft genug schon große Probleme hatte.
Trotzdem ist Pinot für mich nach dem bisherigen Verlauf der Tour inzwischen der Topfavorit. Um sich aber tatsächlich noch den Sieg zu holen, wird er in den Alpen attackieren müssen.
Als sehr spritziger Fahrer, der versucht, seine Kontrahenten durch ständige Tempowechsel abzuhängen, verspricht das großes Spektakel.
Mit Reichenbach und vor allem Gaudu hat er außerdem zwei starke Helfer für die Berge, die ihn unterstützen werden.
3) Emanuel Buchmann wirkt sehr stark
Ich sage: Buchmann wird sich am Ende unter die besten fünf Fahrer in der Gesamtwertung vorschieben.
In den Pyrenäen war Buchmann nach Pinot gemeinsam mit Bernal der stärkste Fahrer.
Behält er diese Form auch in den Alpen, kann er womöglich sogar noch das Podium erreichen. Insgeheim träumt er vermutlich auch bereits davon, obwohl er nach außen brav Understatement betreibt.
Lieber so als andersrum.
Einbruch in Woche 3 bleibt hoffentlich aus
Mit einem Einbruch rechne ich persönlich nicht mehr mit ihm, dafür zeigte er sich bisher zu souverän. Dass er meistens recht früh ohne Helfer unterwegs ist, scheint ihm bisher auch recht wenig auszumachen.
Nach wie vor wird er von der Öffentlichkeit und womöglich auch von einigen Konkurrenten noch nicht so richtig ernst genommen, davon könnte er noch profitieren.
Dass er den Mut hat, auch die Topfavoriten anzugreifen, bewies er bereits am Tourmalet. Ich rechne damit, dass auch in den Alpen noch mindestens ein Angriff von Buchmann folgen wird, der einigen Konkurrenten richtig weh tun wird.
4) Schwächendes Team Ineos – starkes Jumbo-Visma
Team Ineos schwächelt, Jumbo-Visma macht Tempo.
Während in der Vergangenheit Sky insbesondere mit Kwiatkowski und Pouls am Berg das Tempo diktierte, zeigte sich Jumbo-Visma bei dieser Tour bisher als das stärkste Team, wenn auch nicht ganz mit der Dominanz des Teams Sky in der Vergangenheit.
Starke Helfer für Kruiswijk
Trotzdem kann sich Kruiswijk als einziger Podiumskandidat oft noch sehr lange auf bis zu zwei Helfer verlassen, die die Gruppe der Favoriten anführen und immer weiter ausdünnen.
Auch das Team Movistar zeigte sich als Team am Berg bisher recht stark, fiel aber insbesondere dadurch auf, dass es mit Nairo Quintana am Tourmalet ihren eigenen Kapitän abhängt.
Jumbo-Visma führte Kruiswijk dagegen bereits auf den dritte Platz in der Gesamtwertung und es ist davon auszugehen, dass das Team noch mehr will.
5) Thomas vs. Bernal
Ineos wird sich zwischen Bernal und Thomas entscheiden, und dann alles auf eine Karte, setzen müssen.
La Planche des Belles Filles flog Thomas förmlich nach oben. Danach waren sich fast alle darüber einig, dass er rechtzeitig zur Tour doch noch in Bestform gekommen war.
Am Tourmalet schwächelte Thomas dann erstmals und bei der folgenden 15. Etappe ebenfalls.
Egan Bernal am Berg stärker
Bernal erwies sich bisher am Berg als der stärkere Fahrer von beiden.
Sollte dies so bleiben, muss Ineos alles auf Bernal setzen, um doch noch das Gelbe Trikot angreifen zu wollen. Dann müsste Thomas früher oder später als Helfer für Bernal einspringen.
Für mich nicht ganz ausgeschlossen, ist aber auch, dass Thomas – ähnlich wie Chris Froome beim Giro d’Italia im letzten Jahr – genau in der dritten Woche seine Höchstform erreicht und sich dann doch noch das Gelbe Trikot schnappt.
Fazit
Die letzte Tourwoche verspricht auf jeden Fall sehr interessant zu werden. Bis zu Emanuel Buchmann, der aktuell den sechsten Platz in der Gesamtwertung belegt, könnte sich jeder Fahrer noch das Gelbe Trikot holen.
Voraussichtlich werden sich der Gesamtsieg und auch das Podium tatsächlich erst am Samstag entscheiden.
Bis dahin wird es hoffentlich genauso spannend weitergehen wie bisher.
Vive le Tour!
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