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Kante’s Kolumne: ja spinnt ihr? Ich will doch nur in Ruhe Radlfahren

by Daniel
Ich freue mich sehr, Euch Kante zu präsentieren. Derjenige, der mich zum Radlfahren gebracht hat und einer der besten Männer an meiner Seite. Kante ist unkonventionell. Ganz und gar kein typischer Rennradfahrer. Ein Mann des offenen, ehrlichen und humorigen Worts. Sehr erfrischend das Ganze. Kante, auf geht’s..

 

001 Kante Kolumne

Da sitz ich nun. In einem Fitnessstudio. Nennen wir es Mc BodyInjoyFitnessSoulFit oder so ähnlich. Ist ja auch wurscht. Es ist 5:45 Uhr morgens an irgendeinem Tag im Dezember und ich spinne. Also ich sitze auf einem Spinningbike. Ich bin quasi alleine. Nur die Videoleinwand mit einem deutlich zu muskulösen Spinning-Instruktor, der im 60 bzw. 45 Minutentakt immer und immer wieder dasselbe Programm „fährt“.  „Der nimmt doch im echten Leben bei jeder Gelegenheit den Aufzug“ denke ich mir.

Hauptsache immer schön grenzdebil grinsen und so tun, als würde man nichts lieber tun, als hier vor einer Blue-Box den Hampelmann für überambitionierte Doppeltrinkflaschenradler spielen.

Der Typ nervt!  Also Ipod rein und Kopf nach unten in Zeitfahrstellung. Der nächste Stundenweltrekord kann kommen!

Meine treuesten Begleiter in dieser Jahreszeit sind zwei Trinkflaschen- ich bin schon kurz davor ihnen Namen zu geben. Wie etwa Obermayer und Lance. Meine Pulsuhr (natürlich von Polar und mit den neuesten Ergebnissen aus meiner Leistungsdiagnostik gefüttert), die bei jedem übertreten der eingestellten „OwnZone“ piepst wie ein Rauchmelder und meinen Systempedalschuhen. Das ist übrigens neben den zwei!! Trinkflaschen und den Hosen mit dem Sitzpolster, das einzige, was einen von den anderen „Ich geh jetzt auch zum Spinning- der nächste Sommer kommt bestimmt“ Idioten unterscheidet.

Es ist mittlerweile 6:35 Uhr und die ersten Spinner trudeln ein. Den Schlaf noch in den Augen, den Kissenabdruck noch im Gesicht und natürlich nichts gefrühstückt. „Das ist super für den Stoffwechsel“ – und das aus dem Munde eines leicht-bis mittelübergewichtigen, der nagelneue, weiße Sportschuhe von KIK trägt und sich das Fahrrad so niedrig einstellt, dass er seine Beine beinahe an das Kinn schlagen kann. Aber ok, das übersehen wir mal.  Hauptsache der Stoffwechsel stimmt.

Kante Kolumne-2

Gott, bin ich genervt!! Ich will doch nur in Ruhe Radlfahren.

Dann kommt auch schon der nächste Spezialist zur Türe rein. Ein asiatisch (ca.165cm groß) anmutender Zeitgenosse mit Pulsuhr und einer Lycrahose, immerhin. Aber auch der sportliche Tiefflieger verschwendet keinen Gedanken daran, das Fahrrad, das zum Zeitpunkt des Besteigens eine Einstellung für einen zwei Meter Riesen hat, mit den vorhandenen Schrauben und Rädchen an seine Größe anzupassen. Ich denke nur: viel Spaß bei dem Ritt.

Zeit für einen Apfel. Ich habe zum Glück, auch gegen die Stoffwechselthese, etwas Essbares dabei. Fahre ja auch bisschen länger als 16 Minuten. Beiße genüsslich in den Apfel als plötzlich alle aufspringen und „Jumps“ machen. JUMPS? Um 7:15 Uhr morgens? Im Winter? Was soll das denn? Der Winter gehört der Grundlage. Ich fühle mich in der Verantwortung lauthals die Trainingslehre kund zu tun, die ich mir die letzten Jahre durch gefühlt 300 Bücher, Magazine und endlose Internetrecherche angeeignet habe.

Aber es würde mich erstens keiner hören und zweitens auch nicht verstehen. Ich spreche kein asiatisch und auch kein adipositas. Egal denke ich mir. Macht ihr nur so weiter. Umso besser sehe ich auf dem Ding hier aus und auf meiner Hausstrecke bin ich eh Trainingsweltmeister. Also leckt mich an meinem wunden Hintern. Der hat schon mehr Zeit auf einem Fahrradsattel verbracht, als ihr bei Mutti am Sonntagstisch.

Ich beruhige mich wieder, schließe die Augen und denke an all die schönen Momente in Freiheit da draußen: Eibsee, Starnberger See, Mittenwald, Spitzing, Bayrisch Hell, das Tramuntanagebirge auf Mallorca etc. laufen an meinem geistigen Auge vorbei. Die frische Luft, die Berge, unbeschreiblich. Das ist es, was den Radsport zu einer der wenigen Sachen macht, die mein Leben wirklich lebenswert machen und mich immer wieder auf´s neue erdet und mir Kraft für den Alltag gibt.

Das nächste, was ich spüre ist, dass mich ein feuchter Sprühregen aus einer Desinfektionsflasche meines asiatischen Nachbarn jäh aus der Traumwelt der mallorquinischen Gebirgsregion holt.

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Super.

Er sagt irgendwas auf Englisch, fuchtelt mit dem Papiertuch, mit dem er seinen Sattel gerade abgewischt hat herum und geht.

Es ist nun 7:59 Uhr. Ich schaue auf meine Pulsuhr und denke mir: Noch eine Stunde und eine Minute und dann hat das hier für heute auch ein Ende.

Dann: Wasser leer. Beide Flaschen leer und die Blase drückt. Also runter von dem Bock, Pulsuhr auf „Training unterbrechen“ und mit den Systempedalschuhen wie auf rohen Eiern in Richtung Umkleide tänzeln, wie eine Transe auf High Heels. Tak tak tak.

Vorbei an den ganzen Fleischbergen mit 65er Bizeps aber 21er Oberschenkel. Testosteron liegt in der Luft. Blase leer, dafür Flasche voll. Zurück zum Rad. Aufgesessen und „Training fortsetzen“ drücken. Na Gott sei dank. Ich bin wieder in meiner Wohlfühlzone.

Puls unter 90! Yeah! Bin super in Form. Wenn der Puls so schnell fällt, dann klappt`s auch mit dem Stoffwechsel ;)

Mittlerweile ist der Spinningraum leer. Es riecht aber wie in einem Pumakäfig. Kein Fenster. Klar-warum auch? Aber zwölf Monitore für Mister Bizeps zum da vorne rumhampeln auf seinem Radl.

Egal. Endspurt.

Ich hab noch etwa 30 Minuten. Ich esse meine Banane und trinke einen Schluck.

Da kommt eine junge Dame in den Raum. Sportlich im Gang. Radklamotten und ZWEI!! Trinkflaschen! Yeah. Mein Leben macht wieder einen Sinn. Sie setzt sich genau auf das Rad vor mir. Sie stellt es auf ihre Größe ein! Fummelt an ihrer Pulsuhr herum (ich bin einer Ohnmacht nahe) und beginnt mit leichtem und rundem Tritt ihr Training.

Endlich jemand meinesgleichen denke ich und freue mich über den Anblick vor mir.

In dem Moment sagt meine Uhr. Drei Stunden vorbei. Ich muss gehen. Muss ins Büro. Fuck. Lief grade so gut. Egal. Ich komme wieder. Bin zwar jedes Mal wieder genervt aber der nächste Sommer kommt bestimmt.

Euer Kante!

 

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