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Guilty76-Präsident Florian Jöckel über seinen Club, überambitionierte Hobbysportler und armselige Doper!

by Daniel

Eins steht mal fest: Florian Jöckel von Guilty76 fällt auf. Nicht nur durch sein markantes Äußeres – nein, vor allem durch seine authentische und unkonventionelle Art sticht der Musikmanager aus Frankfurt a.M. aus der Masse der Rennradfahrer in Deutschland heraus. Denn, wenn man mit Florian spricht, redet man nicht über Wattwerte, gekletterte Höhenmeter oder nerdige Technik – in unseren Gesprächen ging es vor allem um die simple Kraft und Freude, die das Rennradfahren ihm und seinen Teammitgliedern von Guilty76 bereitet. Florian ist zudem einer der sagt, was er denkt, der sich nicht um Konventionen schert und keine Probleme damit hat, bestehende Strukturen im Radsport aufzubohren. Tolle Voraussetzungen für ein Interview…

Ich freue mich wirklich sehr, dass es mit dem Gespräch jetzt noch vor dem RiderMan geklappt hat. Wer Florian kennt, weiß, wie prall gefüllt sein Kalender ist. Denn neben seinem stark wachsenden Rennrad-Club Guilty76racing ist Florian vor allem Manager des Musikers Shantel. Von ihm kennt ihr sicherlich den Song „Disko Devil“ – der war ganz vorne in den Charts dabei. Jetzt am 11. September erschien das neue Album von Shantel: „Viva Diaspora“ – das die beiden wieder sehr weit vorne in den Charts abgeliefert haben.

Also, reinhören! Aber vorher noch: Durchlesen!

Guilty76 Florian Jöckel

Das Interview mit Guilty76 Präsident Florian Jöckel:

Speed-Ville.de: Hallo Florian, wie zufrieden bist du mit der Entwicklung deines Clubs Guilty76racing?
Wir sind wirklich sehr zufrieden. Das bedeutet aber nicht, dass wir hier im Frankfurter Race-Office jetzt die Füße hoch legen.  Michael Benner

Speed-Ville.de: Wer seid IHR konkret? Du redest im Plural.
Wir sind eine ganze Menge Leute bei Guilty76 – natürlich mit einem Innercircle. Dazu gehört vor allem Michael Benner von der Internetstores GmbH (Bruegelmann.de). Mit ihm zusammen habe ich das Guilty76 Racing-Team gegründet. Wir beide tauschen uns fast täglich aus. Darüber hinaus gibt es aber noch viele andere Member, die Guilty76 weiter voranbringen. Und natürlich unser Design-Department. Die Desres Design Studios, geleitet von Michaela Kessler.

Von daher: Guilty76racing ist definitiv eine Mannschaftsleistung, wie der Radsport eben auch.

Speed-Ville.de: Wie kamen damals Guilty76 und Bruegelmann zusammen?
Über Michael Benner. Bruegelmann sponsert die komplette Ausrüstung unserer Member. Also jeder, der bei uns aufgenommen wird, bekommt einen kompletten Satz Trikots for free.

Entstanden ist das aber damals in Eschborn-Frankfurt, wo wir zusammen Rund um den Finanzplatz Eschborn Frankfurt gefahren sind und schnell der Meinung waren, dass man das etwas besser machen kann und auch besser machen muss. In dem Zuge habe ich dem Michael damals  gesagt, dass ich gerne mal ein Team gründen möchte. Ein halbes Jahr lang hatte ich dann nichts mehr von ihm gehört. Dann bekam ich einen Anruf ob ich denn immer noch ein Team machen möchte? Meine Antwort: „Selbstverständlich“.

Anschließend wurden die Parameter definiert – also, wie das Team auszuschauen hat. Ein zentraler Punkt ist, dass jeder der bei uns Member ist, einen kompletten Trikotsatz gestellt bekommt.

Ganz wichtig: Hier muss die Qualität stimmen. Beim Design hat wirklich kein Mensch Mitspracherecht – schon gar nicht irgendeine Firma oder ein Sponsor. Das liegt bei uns! Das macht niemand so gut wie Michaela Kessler von den Frankfurter Desres Design Studios. Sie genießt als einziger Designer unser vollstes Vertrauen.

So ist Guilty76 entstanden – quasi im Schnelldurchlauf.

Speed-Ville.de: Mit deinem Äußeren fällst du in der Rennrad-Szene auf. Wie wichtig ist dir Style? Was dich selber und deinen Club anbelangt…
Ich muss vorweg sagen, dass mir Style wirklich scheißegal ist. Mir ist der Style von anderen Leuten egal, mir ist auch mein eigener Style relativ egal. Style ist ein superstrapaziertes Wort. Und jedes Jahr ist was anderes stylish.

Ich steh aber definitiv auf Qualitätsprodukte. Ob du es glaubst oder nicht: Ich schneide mir sogar meine Haare selbst – mit der Küchenschere. Und der Bart wird auch sehr unregelmäßig gestutzt.

Man muss zum Bart vorab sagen, dass der schon seit 8-9 Jahren dran ist. Nicht wie bei den ganzen „Kollegen“, die jetzt aus Fashiongründen einen Vollbart tragen und in einem halben Jahr dann eine Schlaghose. Fakt ist: Mein Bart bleibt auch dran, wenn der Modetrend wieder vorbei ist.

Was den Style von Guilty76 anbelangt: Dadurch, dass wir durch die Beschaffenheit dieser Gang sehr interessante Leute zusammenziehen, haben wir eine Ansammlung von Leuten, die von außen betrachtet vielleicht cooler wirken als der Finanzbuchhalter oder der Angestellte im Landratsamt.

Unsere Member können aber auch alle sehr gut Radfahren. Sie müssen einfach zu unseren Werten passen. Das ist ganz wichtig. Klar, da sind dann auch völlige Narzissten dabei, extrovertierte Künstler, Innenarchitekten, Wirtschaftsanwälte, die alle eint, dass sie von den Charakteren dazu passen. All denen kann man tatsächlich das „Rock n Roll“ auf den Arsch schreiben.

Das ist tatsächlich das Hauptkriterium, um bei Guilty76 mitzumachen. Das ist unser Style.

Speed-Ville.de: Wenn bei Euch einer mit einem „Ötzi-Trikot“ aufläuft, dann hat er ein Thema, oder?
Sagen wir mal so: Wenn du bei uns mitmachen möchtest, hast du zwei Bürgen und kommst zu mir ins Büro. Ich bin gar nicht der Messias, will ich auch gar nicht sein. Aber in diesem Gespräch mit dem Bewerber, den Bürgen und mir, findet man ziemlich schnell raus ob man einen gemeinsamen Nenner hat, oder nicht.

Wenn dann so ein super „Heißi“  mit seinem Ötzi-Trikot kommt und was weiß ich was allem – und seine erste Frage ist: „Wann sind denn eure Trainingsfahrten?“, dann muss ich ihm sagen: „Ganz einfach – bei uns gibt’s keine!“

So ein Kandidat ist also bei Guilty76 an der komplett falschen Adresse. Bei uns gibt es nämlich nicht die typischen Trainingsgruppen nach dem Feierabend. Wir sind einfach kein Verein.

Unsere Leute eint ganz simpel: Die Liebe zum Radsport. Viele davon sind beruflich viel unterwegs, mal 6 Monate in China oder andere Verpflichtungen. Also, keine festen Trainingszeiten bei Guilty76. Das ist auch ein Grund, warum das Ganze entstanden ist. Sonst wären wir nämlich das, was es schon tausendfach gibt: Ein ganz normaler Verein. Wir haben weder Trainer, Trainingsstunden, noch eine Kasse oder andere Vereinsämter.

Speed-Ville.de: Gibt es bei Euch eine Quote, wie viele Bewerber ihr NICHT akzeptiert?
Eine offizielle Quote gibt es nicht, aber durchaus eine ganze Menge an Leuten, die wir nicht akzeptieren. Das ist nicht böse gemeint aber es passt oftmals nicht. Je größer die mediale Aufmerksamkeit geworden ist, desto mehr Anfragen gibt es natürlich. Aber auch mehr Absagen.

Als Guilty76 zum Beispiel im SPIEGEL stand, kam es täglich zu 50 Anfragen. Das geht einfach nicht – das kann ich nicht mehr neben meinem normalen Job leisten. Von daher mussten wir hart filtern und selektieren. Sonst leidet die Glaubwürdigkeit.

Speed-Ville.de: In Interviews von dir fällt auf, dass du genervt bist von der Verbissenheit und der Einzelkämpfermentalität innerhalb der Rennrad Jedermann-Szene. Bei Euch, nehme ich mal an, sollte niemand hungrig ins Bett gehen. Was passiert eigentlich, wenn du mitbekommst, dass einer auf die „falsche Bahn“ gerät? 
Bei Guilty76 ist Gott sei Dank noch keiner auf die falsche Bahn gekommen. Ich verstehe aber, was du meinst. Das Thema Übermotivation ist weit verbreitet aber unserer Meinung nach natürlich vollkommen absurd!  Diese Leute filtern wir schnell in den eben beschriebenen Gesprächen raus. Ein vollkommen verrücktes Thema, wenn man sich vor Augen führt, dass die Hobbyfahrer ja meilenweit von den Radprofis entfernt sind.

Und diese Typen, ich nenne sie jetzt mal „Superheißis“: Was auch immer bei denen im Leben schiefgelaufen ist: Es muss doch mehr im Leben geben, als es auf dem Rennrad zu kompensieren? Die sind ja auch meistens komplett spaßbefreit, „laktovegan“, ohne Gluten, das letzte Gramm runterhauen – nur um dann festzustellen, dass sie trotzdem nur 3 Watt pro Kilogramm treten? Wahnsinn.

Klar, Menschen brauchen bis zu einem gewissen Grad die Challenge. Bis zu einem gewissen Punkt ist das ja auch total ok, wenn das dann aber in Absurditäten abdriftet, und komplett spaßbefreit ist, dann sind die bei Guilty76 komplett fehl am Platze. Als Präsident würde ich da natürlich sofort einschreiten: „Junge, so geht es nicht! Mach dich mal locker“.

Wenn wir zum Beispiel eine Ausfahrt haben, gehen wir danach gerne mal in eine Bar und gemeinsam essen. Und dann muss man auch nicht drüber nachdenken, ob man jetzt ein Müsli essen soll oder 5 Stangen MAOAM. Das macht man dann halt einfach! Oder trinkt so viel Bier oder auch Cola wie man Lust hat.

Speed-Ville.de: Mit Tim Böhme und John Degenkolb hat ihr aber zwei prominente Namen bei Guilty76 dabei, wo der eine oder andere Member vielleicht etwas gepusht werden könnte, oder? Nach dem Motto: Sich mal mit dem Pro messen!
Ganz ehrlich? Wer sich mit den beiden „battlen“ möchte, dem ist nicht mehr zu helfen. Jeder weiß, dass die beiden absolute Ausnahmetalente sind und für fast alle weltweiten Radfahrer komplett „Out of Reach“ sind. Bei uns würde echt niemand auf die Idee kommen sich mit den beiden zu messen. Das wäre ja Selbstmord. Ob jetzt Tim am Berg oder John grundsätzlich. John zerlegt jeden von uns vor dem Frühstück. Sonst wäre er nicht Weltranglisten-10. und bester Deutscher. Darüber darf und sollte man bitte keine Sekunde drüber nachdenken! Und die Guilty76 Members wollen sich überhaupt nicht mit den beiden messen. Die sind nicht in der Gang als Leistungsmesser, sondern weil sie beide das „Herz am rechten Fleck“ haben und sau coole Typen sind. Brüder im Geiste, Gleichgesinnte!!

SV.: Da hast du recht, aber du weißt ja wie das ist: Zu viel Müsli gegessen, und im Superman T-Shirt geschlafen – da will man vielleicht mal gucken, was gegen die Pros so geht?
Nein, wer wirklich denkt sich mit den Berufsradfahrern zu messen, der sollte sich mal bei der Etappe du Tour anmelden. Gerne auch mit acht seiner starken Kumpels. Und dann vorne mit den wirklich guten Hobby bzw. ehemaligen Profis starten. Das ist immer eine Bergetappe der aktuellen TDF. Dann wird sehr schnell klar, wo wer steht. Und dann bitte bedenken: Das ist nur eine Etappe von 21 – also im ernst: Das ist vollkommen daneben überhaupt auf die Idee zu kommen.

Speed-Ville.de: Die online Plattform Strava müsste dir demnach ein Dorn im Auge sein, oder? Hier geht’s ja schon viel um Vergleichen und Analysieren…
Nein, gar nicht. Ich finde, dass Strava ein wunderbares Tool ist. Mal ein Beispiel: Wir fahren regelmäßig durch die Alpen. Wenn du dann die verschiedenen Pässe hochfährst, hinterher aber keine Ahnung mehr hast, wie diese Pässe alle heißen, dann hast du mit Strava wunderbar die Möglichkeit, abends das Ganze nachzuvollziehen.

Finde ich alleine schon toll.

Auch für das Planen zukünftiger Touren ist die Plattform top.

Du kannst mit Strava aber auch wunderbar andere Jungs „ärgern“. Machen wir auch mal sehr gerne mit unserem „Rock n Roll“ Team. Hier in Frankfurt halte ich selbst zwei oder drei KOMs, die für andere auch relativ schwer zu schlagen sind. Das ist echt ein Spaß, den wir uns da erlauben – wir bilden in Formationen einen „schnellen Zug“ und ziehen das Ding dann mal durch. Mit Jungs im Zug wie Tim Böhme, Ralf Matzka, Fabian Fritz ist das natürlich eine Ansage.

Wir trainieren bei solchen Spaß-Nummern üblicherweise unsere 100 km, und wenn wir wissen, dass dort ein KOM ist, dann fahren wir die in der Formation „volles Programm“. Dann gibt’s für die anderen in Frankfurt wieder was, wo sie sich die Zähne ausbeißen können. (lacht)

Wenn die anderen den KOM dann später wieder geknackt haben, wandert der Ball wieder zu uns rüber. In Summe macht das schon Spaß – ein bisschen Competition schadet nicht – solange es gesund abläuft und allen Spaß bereitet.

Speed-Ville.de: Du hast Guilty76 nach Vorbild eines Motorradclubs aufgebaut. Werden die wichtigen Entscheidungen bei Euch auch abgestimmt? Welche „Überschneidungen“ habt ihr noch bzgl. Rituale?
Wir haben zum einen kein Clubhaus, was uns ja schon mal von einem Motorradclub unterscheidet. Zudem sitzen wir nicht um einem Holztisch mit eingravierten Logo und hämmern auf diesen ein. Aber wir haben schon unsere „First Nine“, es gibt auch eine Clubjacke, eine wunderbare personalisierte in St. Francisco von Golden Bear handgemachte Baseballjacke. Da steht auch der Name mit drauf. Also, diese Überschneidungen gibt es schon.

Was das Thema Entscheidungen anbelangt: Es gibt einen Rennkalender und unsere Überlegungen, was wir da machen wollen. Aus dem Pool der Member ziehen wir uns dann die Leute raus, die sich aktiv einbringen wollen – und können.

Wir sind zum Beispiel jetzt beim RiderMan und machen da eine relativ große Geschichte. Wir organisieren dort die ganzen Partys – wollen z.B. eine Disco im Rahmen des Radrennens haben.

Eigentlich testen wir unterm Strich überall: Was geht grundsätzlich, was kann man da machen, und wie weit kann man gehen?

Man muss aber auch sagen, dass wir ein überragendes Team haben, die das erst so möglich machen. Ob Begleitfahrzeuge, Key Visuals, Events und etliche weitere Themen – da ist ein fantastischer Flow drin. Das läuft einfach! Wir sind echt schnell in der Umsetzung der Themen. Auch, weil wir uns nicht mit irgendwelchen Vorständen oder anderen Egos rumschlagen müssen.

Speed-Ville.de: Wie viel Member hat Guilty76 mittlerweile?
Weltweit sind wir aktuell bei 150, davon ein Drittel ca. Frauen. Vom Alter her reicht die Range von Mitte 20-60 Jahre.

Speed-Ville.de: Sehr beeindruckt bin ich von deinem Aufnahmeritual: Du bittest die Guilty76 „Anwärter“ zum Einzelgespräch ins Büro. Wie kann ich mir deine Prüfkriterien vorstellen: Wer hat die cooleren Tattoos? Bringt er den Club sportlich nach vorne? Hat er ein gutes Netzwerk?
Die Tattoos oder Äußerlichkeiten spielen überhaupt keine Rolle. Die zwei Bürgen spielen definitiv die Rolle – die Bürgen sind bei uns die Türöffner. Im persönlichen Gespräch muss man dann für beide Seiten schauen ob das Ganze passt.

Da geht’s nicht darum, ob man die Hose auf halb Acht hängen hat, trägt man gerade einen Vollbart oder ist man am ganzen Körper tätowiert – ganz im Gegenteil: Ich finde es absurd, wenn alle gleich ausschauen würden, wir überall mit einer „Fashion Victim Armee“ auflaufen würden. Fashion Victims finde ich übrigens generell fürchterlich. Egal bei was.

Hoffentlich hat sich keiner bei uns, noch vor der Aufnahme, schnell tätowieren lassen. Das ist ganz sicher nicht der Schlüssel.

Guilty76 Florian Jöckel

Speed-Ville.de: Was sind denn bei der Aufnahme die menschlichen Kriterien, um zugelassen zu werden?
Du merkst sehr schnell, ob einer entspannt bzw. cool ist. Wenn einer vor dir sitzt, der einen Stock hinten drin hat – dafür brauchst du keine drei Minuten.

In den Gesprächen kommen dann aber auch oft tolle Geschichten über die Persönlichkeiten zutage. Das macht die Leute dann sehr interessant und ihn/sie schlussendlich zum Member. Ohne jeglichen Hintergedanken meinerseits. Mir braucht keiner ein besonderes Netzwerk oder ähnliches mitzubringen. Wir suchen keinen Multiplikator. Wir suchen Leute, mit denen wir gerne eine entspannte Zeit haben – mit denen man einfach gerne Zeit verbringt.

Sehr interessant ist übrigens die Tatsache, dass die Guilty76 Members untereinander nahezu geschlossen miteinander klar kommen. Es passiert recht oft, dass sich bei unseren Touren, wie zum Beispiel einer Pyrenäen Tour, viele Members zum ersten Mal kennenlernen. Hier fahren dann ca. 15 Leute mit, wovon sich 10 vorher noch nie gesehen haben. In den meisten Gruppen endet das mit Mord und Totschlag. Thema Doppelzimmer oder eine gemeinsame große Matratze und so. Kennt man ja. Bei uns klappt das aber. Das ist echt schön!

Speed-Ville.de: Was für Irritationen bei mir sorgt, ist deine Aussage, dass es bei Euch nach den Touren Bratwurst und Bier gibt – sehr sympathisch eigentlich. Nur nehme ich es dir nicht ganz ab, dass Pro-Fahrer wie John Degenkolb und Tim Böhme, die Mitglied im Chapter sind, Bier und Bratwurst nach der Tour verzehren. Eher eine Schale Pasta zum Regenerieren, oder?
Diese Frage wird regelmäßig gestellt. Für uns ist es einfach normal nach getaner Arbeit und auch nach dem Sport was Vernünftiges zu essen und zu trinken, in die Lieblingskneipe zu gehen und da auch mal ein Fläschchen Wein oder ein Bier zu bestellen. Mehr ist das auch nicht. Das sollte übrigens für fast alle anderen Hobbysportler ebenfalls normal sein. Nur weil bei uns das Rock n Roll im Namen sowie auf den Trikots steht, heißt das aber noch lange nicht, dass es im Exzess endet oder auch zwingend notwendig ist. Nein, ist es nicht. Alkohol wird auch nicht verherrlicht. Ist in großen Maßen getrunken auch für uns schädlich ungesund und scheiße. Aber wir lassen uns nicht den „Spaß“ am Feierabend nehmen. Und genau so sehen das auch die Profisportler.

Alles zu seiner Zeit. Disziplin bei der Arbeit und Spaß auf der Siegesfeier.

Speed-Ville.de: Ich habe auf Bildern gesehen, dass du dir die Beine rasierst. Wie lange hat der Rock n Roller Florian Jöckel mit sich gekämpft, bis es dazu kam? Gibt’s hier nicht Saures von deinen alten „Musik-Kumpels“, die mit Radsport nichts zu tun haben? 

Nein, ist auch völlig uninteressiert ob man ein rasiertes Bein hat oder nicht. Was die „Musik-Kumpels“ anbelangt: Da fahren extrem viele Rennrad. Es fahren viel mehr in der Musikindustrie Fahrrad, als man sich das als Außenstehender vielleicht vorstellen mag.

Speed-Ville.de: Was ist deine Vision von Guilty76? Wo willst du mit dem Club in den nächsten 3 – 5 Jahren hin? Möchtest du noch verstärkt Radsport-Events veranstalten? Ist eine Expansion Eurer Bekleidungslinie denkbar?
Wir werden weiter gesund wachsen und wir werden weiter umtriebig bleiben – soviel kann ich schon mal versprechen. Des Weiteren werden wir weiterhin innerhalb des europäischen Radzirkus „operieren“ – wie zum Beispiel eigene Events entwickeln oder uns in bestehende Events einbringen.

Mit dem einzigen Ziel: Spaß. Darum geht es uns. Wenn unser Spaß der ganzen Szene auch noch einen Mehrwert bringt – umso besser.

Solange wir weiterhin Spaß haben, kann uns auch nicht wirklich etwas stoppen.

Speed-Ville.de: Hand aufs Herz: Möchtest du mit Guilty76 einmal Geld verdienen?
Das ist meines Erachtens der falsche Ansatz. Guilty76 würde es gar nicht geben, wenn man damit Geld verdienen wollen würde. Da steckt so viel Herzblut, Zeit und Geld drin – und nirgendwo eine Refinanzierung in Sicht.

Ob man mit Guilty76 Geld verdienen kann – darüber sollte man nicht weiter nachdenken, denn darum wurde es einfach nicht gegründet. Wenn es um Geld ginge, hätte man was anderes gemacht – also jedenfalls keine Radsport „Gang“ gegründet.

Speed-Ville.de: Und wie wäre es, die Bekleidungslinie von Guilty76 kommerzieller aufzusetzen? 
Sehr schwierig. Alleine schon die Wahl der Basisprodukte ist sehr weit weg von Kommerz. Unsere Jacke ist zum Beispiel „handmade“ in St. Francisco – der Preis dadurch schon alleine das Ausschlusskriterium was den Kommerzgedanken anbelangt. Ein furchtbares Wort übrigens: Kommerz.

Die Jacke ist wirklich sehr hochwertig, da hat definitiv kein asiatisches Kind dran gearbeitet, auch kein amerikanisches. Wir wissen, wo sie gefertigt wurde und wer sie gefertigt hat und das sie vor allem nur für uns gemacht wird. Auf den Jacken gibt es noch nicht mal eine Gewinnspanne.

Und von der hochwertigen Qualität werden wir auch nicht runtergehen, indem wir die Herstellungskosten senken und Billigzeugs verkaufen. So sieht es bei allen bisherigen Guilty76 Produkten aus.

Speed-Ville.de: Zu deinen Grundwerten sagst du, gehört Ehrlichkeit. Bei Jedermann-Rennen wird mittlerweile aber verstärkt betrogen durch Doping. Skurril aber Realität. Was ist deine Empfehlung – wie sollten die Veranstalter damit umgehen?
(stöhnt) Also vorab: Es ist vollkommen armselig im Profisport  mit Dopingmitteln zu operieren. Im Breitensport ist das absolut indiskutabel. Die Typen, die das machen sind die größten Loser, die es auf diesem Planeten gibt.

Es geht ja um nichts. Auch der Sieger vom Ötztaler  – kein Mensch interessiert sich doch in Wirklichkeit für diesen Spa**en (Roberto Cunico, Anm. v. Speed-Ville.de)! Der wird dadurch kein mega Millionär, noch bekommt er einen gut bezahlten Job. Er bekommt ja noch nicht mal Preisgeld dafür.

Also vollkommen absurd!

Und ganz ehrlich: Es ist auch vollkommen hirnrissig, dass man sich über so ein Thema überhaupt unterhalten muss, im Hobbysport Dopingkontrollen einzuführen. Da es aber so viele Spacken gibt, wird man es tun müssen.

Von daher bin ich schon der Meinung: Wer Radprofi spielen will und sich entsprechend bei solchen Events beteiligt, muss damit rechnen, dass er kontrolliert wird.

Und wenn seitens der Veranstalter diese Dopingtests angekündigt würden, bin ich mir ziemlich sicher, dass ein gewisses Klientel nicht mehr am Start stehen würde. Dann würde man auch mal merken ob es dem Veranstalter wirklich um die Sache geht oder ob er einfach nur Geld verdienen will.

Das wird im Jedermannsport aber höchstwahrscheinlich auch das Problem sein. Deswegen sagen ja auch alle Veranstalter, dass es viel zu teuer ist, Dopingtests zu machen. Ist es aber nicht, da die Kontrolleure bei den meisten Jedermannrennen, die im Rahmen eines Profirennens stattfinden, eh da sind – da kann man doch einfach mal ein paar Leute mittesten. Man muss ja nicht alle testen – das geht eh nicht. Als erstes testet man mal die Sieger – und da wird man ja schnell sehen, wer sich dann nicht mehr vorne in den ersten Block reinstellt.

Nochmal: Das Ganze muss ehrlich ablaufen – es geht ja um Nichts! Es ist natürlich schön, ein Jedermannrennen zu gewinnen – keine Frage – aber das muss man ehrlich gewinnen!

Und wenn du dich richtig hart battlen willst, dann kann man ja Lizenzrennen fahren. Das machen aber die meisten von denen nicht, weil sie dann als Letzter ins Ziel fahren würden. So suchen sie sich den Breitensport raus und fuschen auf diese Art und Weise rum. Völlig armselig. Das muss man leider genau so sagen!

Speed-Ville.de: Vielen Dank für das Gespräch, lieber Florian – du sprichst mir aus der Seele!

Fotos: Florian Jöckel, Guilty76

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