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Schwieriges Pflaster – warum man bei Paris–Roubaix mehr braucht als nur eine gute Kondition!

by Daniel

Am morgigen Sonntag wartet mit Paris–Roubaix das wohl anspruchsvollste Rennen des Jahres. Die Hölle des Nordens verlangt von Fahrern und Material alles, aber auch wirklich alles, ab. Wie krass das Rennen wirklich ist, schildert uns Andreas Wagner von iQ athletik.

Paris–Roubaix

(von Andreas Wagner, Sportwissenschaftler M.A.)
– Mitbegründer des Trainingsinstitutes iQ athletik 
– Mitautor des Buches Krafttraining im Radsport (www.krafttraining-im-radsport.de)
– liebt es, mit dem Crosser über ruppige Feldwege zu jagen
– Fotos im Artikel von Daniel Kilb, Sportwissenschaftler bei iQ athletik

Eine Woche nach der Flandernrundfahrt schwenkt die Aufmerksamkeit in den Norden Frankreichs, zum Frühjahrsklassiker Paris-Roubaix. Dieser gilt nicht ohne Grund als das härteste Eintagesrennen und hat sich die Bezeichnung „Hölle des Nordens“ redlich verdient. Bei einem nüchternen Blick auf die Leistungsdaten offenbart sich die wirkliche Härte des Rennens noch nicht.

Der Niederländer Niki Terpstra konnte das legendäre Rennen 2014 gewinnen. In 2015 fuhr er auf den 15. Platz. Dabei kam er 31 Sekunden hinter dem Sieger John Degenkolb ins Ziel. Niki Terpstra veröffentlicht regelmäßig Leistungsdaten auf Strava. Seine Teilnahme in 2015 liest sich in Zahlen wie folgt:

  • Distanz: 251,5 Kilometer
  • Bewegungszeit: 5:50:23 Stunden
  • verbrauchte Kalorien: 5.818 Kcal
  • Höhenunterschied: 1.751 Meter
  • Durchschnittsgeschwindigkeit: 43,1 km/h
  • Höchstgeschwindigkeit: 76,0 km/h
  • durchschnittliche Trittfrequenz: 87 U/min
  • durchschnittliche Leistung: 248 Watt
  • maximale Leistung: 1.647 Watt
  • geboren 1984; 1,88 Meter; 75 kg Körpergewicht

Mathew Hayman, der Überraschungssieger von 2016, veröffentlichte SRM-Daten, die über eine Zeit von annähernd 6 Stunden eine durchschnittliche Leitung von 313 Watt bzw. 3.82 Watt/kg aufzeigen.

Beim Blick auf die reinen Zahlen zeigt sich, das Rennen verlangt den Fahrern viel ab. Damit ist Paris-Roubaix aber keine Ausnahme im Kreise der Radsportmonumente. Andere Rennen werden schneller gefahren und haben weit mehr Höhenmeter.

Erst der Blick nach unten, auf die Straße, macht deutlich, warum Paris-Roubaix als das härteste Eintagesrennen gilt und den Fahren einen „Sunday In Hell“ verspricht. Auf der diesjährigen Strecke von Compiègne noch Roubaix über 257 Kilometer müssen die Fahrer wieder zahlreiche Kopfsteinpflasterpassagen durchfahren. Diese sind gespickt mit bösen Katzenköpfen jahrhundertealter Felssteine. Diese Straßen waren einst gedacht für Holzräder mit Eisenbeschlag und nicht für nur wenige millimeterbreite Reifen einer Rennmaschine aus Carbon.

Die Veranstalter suchen bewusst die schwierigsten und gröbsten Kopfsteinpflasterpassagen raus, um einen interessanten wie spektakulären Wettkampf zu schaffen. Paris–Roubaix, das ist Kopfsteinpflaster, Staub, Dreck, Stürze, Kampf, Wunden, eine Materialschlacht mit unzähligen Plattfüßen und Zuschauern, die toben.

Wie kann man sich auf Paris–Roubaix vorbereiten?

Um bei Paris–Roubaix vorne mitzufahren – oder überhaupt im Velodrome in Roubaix anzukommen – braucht es mehr als nur das Sammeln nötiger Trainingskilometer und dem Erlangen einer Rennhärte. Die Fahrer benötigen eine Extraportion Kraft, um die Kopfsteinpflasterpassagen in Roubaix zu meistern und die kurzen Anstiege in Flandern zu bewältigen. Roubaix ist ein Pflaster für „Kraftpakete“ mit eisernem Willen. Wer dieses Rennen gewinnen will, braucht echte Nehmerqualitäten, 110% Motivation, viel Erfahrung und den Rückenwind des Glücks. Auf dem Weg nach Roubaix mit seinen tausenden Pflastersteinen kann viel passieren: Sturz- und Defektpech sind stetige Begleiter.

Der Weg durch den französischen Kohlenpott ist staubig, die Sicht bei über Tempo 50 ist teils nur wenige Meter weit. Es hilft, die Strecke gut zu kennen. Profis wie John Degenkolb reisen deshalb bei diesem Rennen schon einige Tage früher an, um die Strecke in Teilen abzufahren. Als sich Bradley Wiggins mit seiner Teilnahme bei Paris-Roubaix mit einem Sieg vom Straßenradsport verabschieden wollte, ist er die Strecke mehrmals zuvor in Teilen abgefahren: im Dezember, Januar und Februar. Wiggins sah einen Vorteil darin, die Strecke im Winter unter schlechten Bedingungen zu erleben. Ebenso hat er im Frühjahr zur Vorbereitung einige Rennen auf Kopfsteinpflaster bestritten. Zusätzlich hat er Muskeln am Oberkörper aufgebaut, um für die Anforderungen auf dem Kopfsteinpflaster gerüstet zu sein, wie er in einem Interview (Link) verraten hat.

Die Armstrecker müssen bei der „Rüttelfahrt“ auf Kopfsteinen und auf Feldwegen besondere Arbeit als Stoßdämpfer leisten. Gut trainierte Oberkörper- und Rumpfmuskeln ermöglichen es, auf ruppigem Gelände mehr Kraft auf die Pedale zu bringen. Für eine verbesserte Dämpfung verwenden Fahrer spezielle Gel-Pads unter ihrem Lenkerband oder wickeln das Band zwei- bis dreimal um den Lenker. Viel Wert wird auch auf die individuelle Abstimmung des Reifendrucks gelegt. Dieser hängt von der Reifenwahl, den Eigenschaften des Fahrers und der Wetterlage ab. Wenn in Roubaix dunkle Wolken aufziehen und es zu regnen beginnt, bricht die Hölle erst richtig los. Dann möge die Kraft und das Glück ganz besonders mit den Fahrern sein!

Auf einen geilen Renntag!

>> Die Jungs von iQ athletik sind die Strecke neulich mal abgefahren – im Folgenden ein paar Eindrücke. Bilder sagen bekanntlich mehr als tausend Worte.

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