Das 3Rides Festival auf dem CHIO Gelände in Aachen mausert sich mehr und mehr zu einer der bedeutendsten Radsportveranstaltungen in Deutschland.
Nachdem es 2022 zum ersten Mal ausgetragen wurde, arbeiten der Kopf des Events, Björn Müller, samt Organisationsteam daran, den 3Rides Jahr für Jahr größer und internationaler zu machen.
Siehe auch unseren Talk mit Björn Müller zum 3Rides…
Mehr Rennen an den drei Tagen, mehr Messestände auf dem recht großen Eventgelände und auch mit in Summe 5.000 Radsportlern neuer Teilnehmerrekord an den drei Tagen.
Premiere in diesem Jahr:
Beim 3Rides wurde der erste UCI Gran Fondo auf deutschem Boden ausgetragen, die Möglichkeit für Straßenradsportler sich für die Grand Fondo WM zu qualifizieren, die in diesem Jahr vom 29. Aug-01. Sep. in Aalborg/Dänemark stattfinden wird.
3Rides Gravel Rennen – Erfahrungsbericht!
Von Jens Claussen
Letztes Jahr noch mit großem Respekt im Gepäck, überwog diesmal bei Thilo und mir die pure Vorfreude auf ein beinhartes Gravel Rennen vor fantastischer Kulisse und bei nahezu hochsommerlichen Temperaturen.
Als wir zwei Stunden vor Start unsere Unterlagen abholen wollten, war das Gelände mehr als „crowded“, überall Leute, überall Absperrungen, einfach kein Durchkommen…. .
Die Spitze des Gran Fondos erreichte nach einer 120 km Schleife just in diesem Moment das Ziel, ein Fahrer hatte sich abgesetzt und reckte auf der Ziellinie sein Rad in die Höhe.
Die Zuschauer waren begeistert, die Veranstaltung steuerte jetzt auf den letzten Programmpunkt zu – ihren Höhepunkt, das Qualifikationsrennen der UCI World Gravel Series für die WM vom 05.-06. Oktober in Halle-Leuven/Belgien.
Die TREK UCI World Gravel Series umfasst in diesem Jahr 24 Qualifikationsrennen auf 4 verschiedenen Kontinenten, neben Aachen steht auch Singen (30.06.2024) als zweiter deutscher Austragungsort im Kalender.
Die Vorbereitung
Nachdem wir nun schon einige Gravel Quali-Rennen gefahren sind, mussten wir dieses Mal ein wenig von unserer gewohnten Routine (zwei Tage vor dem Rennen anreisen) abweichen.
Eine picke, packe volle Arbeitswoche ließ uns erst am Abend vor dem Renntag in Aachen eintreffen (übrigens eine Stadt und auch Region, die eine Reise mehr als Wert ist!), glücklicherweise war der Start am folgenden Tag erst um 12:00 Uhr mittags (mein GARMIN zeigte mir da im Startblock satte 35° in der Sonne an…).
Die Strecke beim 3Rides
Im Vorjahr waren wir auf einer 21 km Runde mit knapp 300 hm unterwegs, die 6mal zu befahren war. In diesem Jahr musste der Veranstalter im Laufe der Planung den Kurs mehrfach ändern, immer wieder hatten entweder der Naturschutz oder aber aufgebrachte Anwohner etwas zu monieren.
Am Ende kam eine 41,3 km Runde mit ca. 415 hm heraus, und ein großes Fragezeichen vor unserer Brust.
Wie würde der Streckenverlauf sein?
Zu einem RECON hatte es aufgrund der knappen Anreise ja nicht mehr gereicht… .
Der Kurs zeigte sich dann absolut würdig für ein UCI Rennen:
- Schotter
- feiner Kies
- übles Kopfsteinpflaster
- giftige Anstiege
- und technische Wald-Passagen
Da war wirklich alles dabei, was den Gravel Sport so besonders macht!
Der Start beim 3Rides Gravelrennen in Aachen
Nachdem die Profis (u.a. am Start: Greg van Avermaet, Lucinda Brand, Lorena Wiebes, Dan Soete, Cameron Mason, Alban Lakata, Carolin Schiff, Judith Krahl…..) und Elitefahrer aus der Priority Box auf nimmer wieder entschwunden waren, wurden in 3 Minuten Abständen die einzelnen Blocks auf die Strecke geschickt – schön nach dem Motto:
Die Alten starten ganz hinten, dass sie auch ja niemanden beim Überholen stören.
Meine „Best-Ager-Klasse“ (55-59) ist die letzte ihrer Art, die noch die „volle“ Distanz wie die Profis absolvieren muss. Ihr wisst also wo ich zu finden war…
Was fahren die anderen für Gravelbikes?
Als ich da so rumstand und auf den Start wartete hatte ich genügend Zeit mir die Gravelbikes meiner Mitstreiter mal genauer anzuschauen.
Und was soll ich sagen: Mit meinem wunderschönen STORCK Grix Pro Performance kam ich mir tatsächlich ein wenig „underdressed“ vor.
Links neben mir ein BMC Kaius, an meiner rechten Flanke ein schicker und bestimmt sündhaft teurer Gravel Carbon Bolide von TREK.
Die Fahrradindustrie reibt sich die Hände!
Und noch eins fiel mir auf:
Nahezu alle fuhren Tubeless
Alle, aber wirklich nahezu alle fahren an ihrem „Gravler“ Tubeless – Alle außer ich….. .
„Old school“ mit Schlauch ausgestattet hatte ich mich dazu entschlossen, bei diesen trockenen Bedingungen beim Reifendruck mal etwas zu pokern.
Letztes Jahr noch mit vorne 2,1 und hinten 2,3 Bar am Start, hatte ich meine Pneus jetzt mit 2,4 vorne und 2,6 hinten befüllt. Zugegeben, etwas risky, aber auch irgendwie notwendig.
Denn: Im Vorfeld hatte der Veranstalter bekannt gegeben, dass man für die 124 km 04:30 h benötigen darf.
Kurz gerechnet:
Schnitt von 27,6 km/h. Für einen älteren Herren, der in Vollzeit arbeitet, zwei Kinder und Haus zu versorgen hat und zudem noch als Freier Journalist unterwegs ist, ziemlich ambitioniert, dachte ich.
FRECHHEIT schoss es mir durch den Kopf – was soll das? Damit verprellt sich diese tolle Veranstaltung wahrscheinlich die Hälfte aller Teilnehmer.
Anm: am Renntag dann plötzlich „Entwarnung“ seitens Veranstalter – 05:30 h war auf einmal das kommunizierte Zeitlimit.
Sollte mir nur recht sein…. .
3Rides – das Rennen
Gravel Rennen sind ganz anders als Straßenrennen, es gibt einen entscheidenden Unterschied, die sie (in meinen Augen) deutlich anspruchsvoller und härter werden lassen:
Du kannst kaum einen einzelnen Tritt auslassen und hast somit keine bzw. kaum Erholungsmöglichkeiten – stehst also permanent auf dem Gas.
Daran musste ich mich erstmal in meiner ersten Gravel Rennen gewöhnen.
Meine Strategie war dann recht simpel: Da hinter meinem Startblock kaum noch was kam, was uns hätte aufrollen können, hieß es von Runde 1 an: ab in eine Gruppe und möglichst lange dort drin sitzen bleiben.
Es ging auf der Runde von Beginn an ca. 15 min nur bergauf (hätte ich gerne vorher gewusst) und eigentlich bin ich ein Freund des wattgesteuerten Tretens an Anstiegen – zumindest zu Anfang eines Rennens.
Keine Chance, ich sah immer wieder vorne ein 4 auf meiner Wattanzeige und beschloss rasch, für den Rest des Rennens auf Wattzahlen zu verzichten.
Ohne Einbruch durchgekommen
In diesem Moment habe ich wirklich auf meinen Diesel und meine Rennhärte aus knapp 30 Jahren vertraut.
Die Taktik sollte sich auszahlen.
Kein Einbruch, immer in einer guten Gruppe, mit Auge gefahren und nach drei Runden glücklich im Ziel auf dem CHIO Gelände.
04:56 h habe ich benötigt, mit einem 25,4 km/h Schnitt. Das reichte zu Platz 64 von 102 Startern in meiner AK, die Quali für die WM habe ich um 28 min verpasst.
Übrigens, Gewinner meiner Altersklasse ein gewisser Udo Bölts in 04:00 h.
Mit solchen Raketen misst man sich da…. .
Fazit
Ich bin nach wie vor total angefixt Gravel Rennen dieser Art zu fahren und die Veranstalter des 3Rides haben wieder unglaublich viel richtig gemacht.
Aber es war nicht alles Gold was glänzt.
Mehr als 2.000 Starter beim WM Qualifier gab es weltweit noch nie, damit ist Aachen aktuell Spitzenreiter. Man sollte jedoch aufpassen, den 3Rides nicht zu schnell wachsen zu lassen, denn das geht bekanntlich irgendwann immer auf Kosten der Teilnehmer.
So war beispielsweise die Strecke, zumindest auf der ersten Runde, grenzwertig voll.
Stürze, besonders bei engeren Passagen, sind da vorprogrammiert.
Keine Streckenposten an zahlreichen Abzweigungen mehr
Als die Profis im Ziel waren, standen aus einmal an vielen Abzweigungen keine Streckenposten mehr.
Ein NO GO, wenn du, schon leicht angezählt, in der Gruppe grade vorne fährst und nicht weißt, ob du links oder rechts abbiegen musst.
Zudem war die Strecke im Ganzen miserabel bis gar nicht ausgeschildert. In diesen Punkten müssen Björn Müller und sein Team meiner Meinung nach dringend nachbessern!
Zum Schluss noch etwas für Daten Freaks:
Untersetzung
Ich bin mit einer Untersetzung von 31/34 (gr. Blatt 48 Zähne) gefahren. Als Reifen hatte ich die sehr schnellen, aber in Kurvenlage anfälligen Conti Terra Speed 40 mm montiert.
Die Nahrung während des Rennes:
- 1 Porridge Riegel und 5 Gels40 (ohne Koffein) von MNSTRY
- Dazu zwei 0,75 Flaschen mit MNSTRY PowerCarb und zwei 0,75 Flaschen mit Wasser (hätte bei der Wärme etwas mehr sein können
Letztendlich werde ich im nächsten Jahr definitiv wieder in Aachen am Start stehen.
Wir können sehr froh sein, dass es Veranstaltungen wie den 3Rides sowohl für Rennrad- als auch Gravelfahrer in diesem Format gibt.
Ein weiteres „immer schneller, weiter, höher“ könnte meine Meinung aber irgendwann kippen und auch den ursprünglichen Charakter des Gravelsports verblassen lassen.
Aktuell noch eine sehr warme Empfehlung!
Aktuell kann ich den 3Rides aber jedem von euch nur wärmstens empfehlen!
Ach ja, auch Olympiasieger wie Greg van Avermaet müssen bei Gravel Rennen ihr Bike selbst waschen….
Euer Jens!
Fotos: 3Rides Festival, privat