Was passiert eigentlich, wenn man als Rennradfahrer einen Unfall hat? Welche Dinge gilt es zu beachten, um den entstandenen Schaden möglichst vollständig erstattet zu bekommen? Wie sollte man sich verhalten, wenn man den Unfall selbst verursacht hat? Hendrik Burbach ist Sportrechtler in Köln und gibt uns wertvolle Tipps.
Radfahrer leben gefährlich. Tagtäglich kommt es zu grenzwertigen Situationen zwischen Autofahrern, Radfahrern und auch Fußgängern auf deutschen Straßen, wobei nicht selten teils schwere Unfälle mit erheblichen Schäden entstehen.
Was kann ich tun, wenn ich einen Unfall hatte und das Bike im Eimer ist und wie setze ich meine Rechte durch, wenn der Unfallgegner nicht gerade kooperativ ist? Und, falls ich einen Unfall verursacht habe, wie kann ich mich verteidigen? Hierüber habe ich mit dem Rechtsreferenten und begeisterten Rennradfahrer Hendrik Burbach unterhalten.
Hendrik, du hast selbst schon berufliche wie persönliche Erfahrungen in Sachen Trainingsunfälle gemacht. Was ist passiert und wie ist es ausgegangen?
Ich hatte vor ein paar Jahren im Training auf einem kleinen Sträßchen einen Zusammenstoß mit einem Hund, der unmittelbar vor mir ohne Leine über die Straße lief. Das endete für mich mit zwei gebrochenen Armen und einer langen Trainings- und Rennpause. Das eigentlich Ärgerliche ereignete sich danach, es gab Ärger mit der Versicherung des Hundehalters, so dass wir am Ende vor Gericht landeten. Trotz schlechter Beweislage ging es für mich noch gut aus, was allerdings in großen Teilen auch daran lag, dass ich aufgrund meines Studiums und meiner Ausbildung wusste, was ich tun musste, um meine Ausgangslage für den Prozess zu verbessern. Denn ohne Beweise ist es auch für einen Anwalt schwer, einen eigentlich bestehenden Anspruch durchzusetzen.
Welche Rechte habe ich als Radfahrer nach einem Unfall und was sollte ich tun?
Erstmal muss man hier unterscheiden, ob der Unfall von einem selbst verursacht worden oder ob jemand anderes für diesen verantwortlich ist. Dies ist in den meisten Fällen offensichtlich, lässt sich in einigen Fällen aber nicht immer sofort klären. Gelegentlich kann es auch zu unterschiedlichen Bewertungen durch Polizei und einer Versicherung oder – am Ende – eines Gerichts kommen.
Was sollte ich unmittelbar nach dem Unfall tun?
Ganz wichtig: Beweise sichern, Fotos von der Unfallstelle, von den entstandenen Schäden und der Örtlichkeit um die Unfallstelle herum machen. Außerdem solltest du Zeugen ansprechen und Kontaktdaten sichern. Die Verletzungen solltest du möglichst zeitnah ärztlich dokumentieren lassen. Nicht zuletzt natürlich die Kontaktdaten mit den anderen Unfallbeteiligten austauschen. Wenn das Rad beschädigt worden ist, empfiehlt sich häufig, zunächst einen Kostenvoranschlag einer Werkstatt einzuholen.
Muss ich die Polizei rufen?
Grundsätzlich können auch Ansprüche geltend gemacht werden, ohne dass die Polizei eingeschaltet wird. Eine Unfallaufnahme durch die Behörden ermöglicht aber gegebenenfalls die Erlangung weiterer Beweise, insbesondere durch die Dokumentation der Unfallstelle und der Aussagen der Zeugen. Ein Hinzuziehen der Polizei kann allerdings dann sinnvoll sein, wenn der Unfallgegner nicht bereit ist, seine Personalien herauszugeben oder gar den Unfallhergang leugnet.
Ein Schuldeingeständnis per kurzem Protokoll und Unterschrift des Verursachers, habe ich gehört, ist nicht immer vor Gericht durchsetzbar? Thema: Unter Schock stehen und so…
Ein solches Protokoll kann man auf jeden Fall nach einem Unfall machen. Aus anwaltlicher Sicht ist es sogar als vorteilhaft anzusehen, denn wenn man sich an der Unfallstelle schon einigt und der Unfallgegner später mit einer komplett gegenteiligen Auffassung kommt, stärkt dies zumindest subjektiv die eigene Position. Ob das vermeintliche Anerkenntnis dann gerichtlich so verwertbar ist, wie man es sich erhofft, kommt auch auf den Einzelfall an. Ein solches Protokoll kann man auf jeden Fall nach einem Unfall machen. Ob es dann gerichtlich so verwertbar ist, wie man es sich erhofft, kommt auch auf den Einzelfall an.
Allerdings ist es, wie du auch sagst, nicht als vollumfängliches Schuldeingeständnis zu sehen. Auch ist im Einzelfall immer zu überlegen, ob der Unfallgegner überhaupt eine solche Erklärung abgeben kann, beispielsweise wenn eine Haftpflichtversicherung für die von ihm verursachten Schäden aufzukommen hat. Kommt es dann dennoch zum Prozess, gilt die Vereinbarung solange, bis der Unfallgegner die aus dem Anerkenntnis sprechende Vermutung seiner Haftung entkräftet hat.
Welche Rechte habe ich nach einem Unfall?
Dem Grundsatz nach kann ich alle mir aus dem Schadensereignis entstandenen Schäden von dem Verursacher ersetzt verlangen. Das fängt bei Schadensersatz für Schäden an Rad oder Kleidung an und umfasst beispielsweise auch Medikamentenkosten oder die Selbstbeteiligung bei einer notwendigen Physiotherapie in Folge des Unfalls. Zudem habe ich einen Anspruch auf Schmerzensgeld. Dieser basiert meistens auf einem ärztlichen Gutachten, anhand dessen die Verletzungen festgestellt werden.
Aus diesem Grund ist es wichtig, die Verletzungen möglichst bald nach dem Unfall ärztlich festhalten zu lassen. Die tatsächliche Höhe des Schmerzensgeldes beruht dann auf einer standardisierten Tabelle. Zudem kann möglicherweise ein Verdienstausfall und sogar ein, aber in der Praxis schwer zu beweisender, Haushaltsführungsschaden geltend gemacht werden. Ein solcher Schaden liegt immer dann vor, wenn man aufgrund des Unfalls seine Wohnung nicht mehr oder nur noch eingeschränkt bewohnen kann. Das kann man sich so vorstellen, wenn man mit einem gebrochenen Bein immer in den vierten Stock laufen muss oder etwa mit zwei gebrochenen Armen nicht mehr den Haushalt selbst besorgen kann.
Die tatsächliche Höhe des Schadensersatzes hängt wie bei jedem Unfall im Straßenverkehr von der Haftungsquote ab, das bedeutet, es wird berücksichtigt, ob man selbst einen Anteil an dem Unfall gehabt hat.
Schließlich besteht für den Fall bleibender Verletzungen die Möglichkeit, anhand eines Feststellungsantrags auch kommende Beeinträchtigungen bereits gerichtlich titulieren zu lassen. Das bietet sich insbesondere dann an, wenn man nach einem Bruch eine Bewegungsbeeinträchtigung davon trägt oder die Gefahr von Arthrose besteht.
Wie genau kann ein eigener Beitrag zu dem Unfall aussehen?
Juristisch gesprochen handelt es sich dabei um Mitverschulden. Das liegt beispielsweise dann vor, wenn man selbst einen Verkehrsverstoß begeht, also abbiegt ohne Handzeichen, nicht genügend Abstand zu parkenden Autos, Fußgängern oder anderen Radfahrern hält oder ohne Helm fährt. Zwar gibt es keine Pflicht, einen Helm zu tragen, jedoch ist es denkbar, dass Schadensersatzansprüche bei Kopfverletzungen gekürzt werden, wenn diese bei Tragen eines Helms nicht oder weniger gravierend gewesen wären. Natürlich liegt auch ein Mitverschulden vor, wenn man zu riskant um die Kurve fährt oder auch auf dem Radweg zu schnell unterwegs ist.
Wie sieht es mit dem Thema verkehrstüchtige Ausstattung des Rennrads gemäß StVZO aus, wonach Rennräder u.a. eine Klingel und Pedalreflektoren benötigen – was, sind wir ehrlich, fast kein Rennrad hat. Wird diese Tatsache dem Radfahrer u.U. nicht zum Verhängnis?
Das hängt ganz vom Einzelfall ab. Als Faustformel kann man sich merken, dass es dem Radfahrer dann zum Verhängnis werden kann, wenn hierdurch der Schaden minimiert oder gar abgewendet worden wäre. Hierunter versteht man juristisch dann ein Mitverschulden. Dafür müsste der Radfahrer ebenfalls einen Anteil an dem Unfall gehabt haben. Man kann sagen, dass der Reflektor also bei Unfällen am Tage dem Radfahrer wohl nicht zum Verhängnis werden wird. Ein solches Mitverschulden muss allerdings zum einen der Unfallgegner bzw. dessen Versicherung zunächst behaupten und dann auch hierfür einen Beweis antreten.
Wie kann ich meine Rechte durchsetzen?
Es gibt mehrere Szenarien: Der Unfallverursacher beziehungsweise dessen Versicherung erkennt die Haftung vollumfänglich an, das ist natürlich der beste Weg für dich. Stellt sich die Gegenseite komplett quer und lässt sich auch nicht mit Argumenten überzeugen, hilft nur eine Klage. Häufig läuft es aber auch auf einen Vergleich hinaus, das bedeutet, man einigt sich mit dem Verursacher auf die Zahlung eines bestimmten Betrages, wobei man natürlich unter Umständen auch selbst auf einen Teil seiner Ansprüche verzichten muss.
Im Einzelnen ist es zuallererst ratsam, sich an den Unfallgegner zu wenden. Lehnt dieser oder dessen Versicherung eine Regulierungspflicht ab, ist es zweckmäßig, einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen. Im Falle der Anerkenntnis der Haftung oder auch, wenn es dann zu einem Prozess mit günstigem Ausgang kommen sollte, trägt dessen Kosten der Unfallgegner je nach Ausgang ganz oder in Höhe der Haftungsquote.
Eine Frage ist natürlich in diesem Zusammenhang super wichtig, da gerade beim Einschalten eines Anwalts oder gar eines Prozesses erhebliche Kosten entstehen können: Inwiefern bin ich versichert?
Als Mitglied eines Radvereins ist man in den meisten Landesverbänden unmittelbar durch die Vereinsmitgliedschaft versichert. Diese Verbände haben eine Sportversicherung abgeschlossen, die über den Verein auf den einzelnen Fahrer übergeht. Dabei ist aber meistens nicht jede Fahrt mit dem Rad umfasst, vielmehr gilt sie nur für Vereinsfahrten, also für angesetzte Trainings, Gruppenausfahrten oder für individuelles Training nach Trainervorgabe. Die Versicherung umfasst zumeist Rechtsschutz, Haftpflicht- und Unfallversicherung. Also ist man auch dann abgesichert, wenn man selbst den Unfall verursacht.
Sollte ich den Unfallgegner anzeigen?
Dies obliegt dir ganz allein. Für die Durchsetzung der Schadensersatzansprüche ist ein strafrechtliches Verfahren nicht notwendig, häufig sogar eher kontraproduktiv, da viele Versicherungen zunächst den Ausgang eines Strafverfahrens abwarten, bevor sie Schäden regulieren. Auch wird bei den meisten Unfällen der zu erwartende Strafrahmen äußerst gering sein, da es sich nur um Fahrlässigkeitstaten handelt. Bei vorsätzlich verursachten Unfällen wäre eine Anzeige zu raten.
Wie soll ich mich verhalten, wenn ich einen Unfall verursacht habe?
Zunächst ist es nicht verwerflich, in der Hitze des Straßenverkehrs einen Unfall zu verursachen. In den meisten Fällen liegt diesem nur eine Unaufmerksamkeit oder das Zusammentreffen unglücklicher Begebenheiten zugrunde. Eins geht aber gar nicht: einfach abzuhauen, denn dann macht man sich strafbar. Auch sollte, sofern die Notwendigkeit erscheint, ein Rettungswagen gerufen werden. Selbst wenn man den Unfall selbst verursacht hat gilt es, Fotos von der Unfallstelle zu machen und mögliche Zeugen anzusprechen.
Muss ich alle Schäden ersetzen, wenn ich einen Unfall verursacht habe?
Das lässt sich so pauschal nicht sagen und hängt immer davon ab, ob den Unfallgegner möglicherweise ein Mitverschulden trifft. Bei einer Kollision mit einem Auto könnte diese in der Betriebsgefahr des Autos liegen. Diese mindert dann den eigenen Verschuldensanteil am Unfall. Etwas Vergleichbares gilt bei Unfällen mit Tieren. Dort haftet erstmal der Tierhalter, wenn der Unfall auf einem tierspezifischen Verhalten beruht. Dann muss dieser dem Radfahrer ein Mitverschulden nachweisen, um eine vollständige Haftung zu vermeiden. Unter Umständen kann aber auch einen Rennradfahrer eine Betriebsgefahr bei Unfällen mit anderen Radfahrern oder Fußgängern treffen, da hier eine deutlich erhöhte Geschwindigkeit vermutet wird.
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Danke dir dafür lieber Hendrik. Demnächst spreche ich mit Hendrik Burbach über Schäden, die einem in Rennen & Marathons entstehen können. Was für Rechte hat man hier, wenn es im Eifer des Gefechts passiert? Auch ein sehr kniffliges Thema…
Über Hendrik Burbach:
– Jahrgang 1990
– Wohnort: Bonn
– Beruf: Rechtsreferendar
– Verein: RSC Rheinbach/Peloton Stabilus Team
(!) Weiterer Lesetipp:
– 14 Verkehrsregeln, die jeder Rennradfahrer kennen sollte (Link)