Als Profifahrer unterliegt man strengen Kontrollen der nationalen Antidoping-Agentur. Bei Dopingvergehen drohen nicht nur empfindliche Vertragsstrafen, seit Einführung des Antidoping-Gesetzes sind strafrechtliche Konsequenzen besser durchsetzbar. Jedermänner mussten sich bis dato noch wenig bis gar keine Gedanken zu dem Thema machen. Ist und bleibt das so? Sportrechtler Hendrik Burbach zeigt auf, was man zu dem Thema als Hobbyfahrer beachten muss.
Von Hendrik Burbach
Traurig aber wahr!
Der Radsport ist seit jeher von der Dopingproblematik belastet. Dies betrifft nicht nur den Profibereich, in dem es vor allem in den Neunzigerjahren übel zur Sache ging, auch die Basis, der Amateur- und Jedermannbereich, gerät immer mehr in Verruf.
Dabei verwischen die Grenzen des Erlaubten und Verbotenen oftmals sogar gänzlich – meist auch unbewusst.
Neben Fällen des absichtlichen Dopens kann es gerade im Amateur- und Hobbybereich durch unbedachte Einnahme, von für den Laien auf den ersten Blick unbedenklichen Präparaten, bereits zu einem positiven Dopingtest kommen.
Die Gefahren des Alltags-Doping
Schmerztabletten vor einem Rennen, eine Kopfschmerztablette vor einer RTF oder ein „Energy-Booster“ morgens an der Startlinie eines Radmarathons. Vielen Athleten ist gar nicht bewusst, ob das, was sie zu sich nehmen, eigentlich den Grundprinzipien des fairen Wettbewerbs entspricht oder ob man bereits die Schwelle zum Doping überschritten hat.
Sportrechtler Hendrik Burbach ordnet die rechtliche Lage für uns ein.
1) Was ist Doping und was eine erlaubte Leistungssteigerung?
Unter Doping wird, simpel gesprochen, eine unerlaubte Leistungssteigerung verstanden.
Zentraler Begriff ist dabei das Wort „unerlaubt“, denn es gibt natürlich durchaus auch erlaubte Arten der Leistungssteigerung. Aus sportrechtlicher Sicht umfasst die Definition des Dopings zwei Elemente: Zunächst den Gebrauch eines Hilfsmittels, sei es eine Substanz oder eine Methode, welche potentiell gesundheitsgefährdend ist und die sportliche Leistung des Athleten verbessert.
Darüber hinaus muss eine Substanz im Körper des Athleten oder der Gebrauch einer Methode, die auf der Verbotsliste aufgeführt ist, nachgewiesen werden.
Was erlaubt ist und was nicht, das legt der Welt-Anti-Doping-Code fest. Dieser wird von der Welt Anti-Doping Agentur (WADA) erstellt. Die Nationale Anti-Doping Agentur (NADA) ist in Deutschland für die Umsetzung der Vorgaben des Dachverbandes zuständig.
So bildet in Deutschland der Nationale-Anti-Doping-Code das maßgebliche sportübergreifende Regelwerk.
Hieraus folgt zunächst einmal, dass grundsätzlich jede Art der Leistungssteigerung erlaubt ist, die nicht explizit durch den Code von WADA (siehe Link) und NADA (siehe Link) verboten ist.
Auswahl verbotener Dopingmittel
Im Folgenden einige Beispiele für unerlaubte Dopingmittel; einige mehr als offensichtlich, bei einigen werdet ihr es vermutlich nicht gewusst haben.
Verboten ist unter anderem die Einnahme von EPO-Präparaten, Wachstumshormonen, anabolen Steroiden, Amphetaminen und Testosteron.
Das war jetzt den meisten wahrscheinlich eh klar.
Lange Zeit galt auch ein hoher Koffeinwert im Urin als verbotene Substanz, mittlerweile sind aber mehrere Espressi vor dem Start durchaus erlaubt. Ebenfalls verboten ist die Einnahme von Cannabis oder Kokain.
Vorsicht sollte auch bei der Einnahme von alltäglichen Medikamenten wie Aspirin Complex oder Wick Medi Nait geboten sein, da diese ebenfalls verbotene Substanzen enthalten.
Verbotene Methoden, kein Dopingmittel als solches, sind beispielsweise Bluttransfusionen oder auch Gendoping.
2) Für wen gelten die Dopingregeln? Auch für Jedermänner?
Die NADA ist in Deutschland für die Einhaltung der Anti-Doping Regeln zuständig und führt in dieser Funktion Dopingkontrollen durch. Ihren Kontrollen betreffen dabei allerdings primär nur professionelle Sportler, also solche, die Kadermitglied sind oder eine Profilizenz haben.
Darüber hinaus unterliegen auch alle Athleten den Anti-Doping Regeln, die sich dem Doping-Kontroll-System der NADA unterworfen haben. Das ist im Radsport bei allen Lizenzfahrern bis runter in die C-Klasse der Fall. Zu dem Lizenzantrag gehört immer auch eine Anti-Doping-Erklärung, durch die sich jeder Fahrer der Einhaltung des NADA-Codes verpflichtet.
Für unlizensierte Radsportler, also ein Großteil der Jedermänner, kann der Anti-Doping-Code nur dann gelten, wenn sie an einem Rennen teilnehmen, das diesen explizit in den Anmeldeformularen einbezieht.
Antidoping-Code bei Jedermannveranstaltungen
Dies ist durchaus möglich, wird in der Praxis allerdings mit wenigen Ausnahmen kaum gemacht. Explizit einbezogen wird der WADA-Code z.B. in die Teilnahmebedingungen des Gran Fondo New York, der sich nicht nur Dopingkontrollen vorbehält, sondern solche auch durchführt. Das Zeitfahren King of the Lake nimmt in seinen Anmeldevoraussetzungen ebenfalls Bezug zu dem Österreichischen Anti-Doping-Gesetz.
3) Welche Konsequenzen drohen gedopten Hobbysportlern?
Sehr, sehr spannende Frage.
Gedopten Hobbysportlern drohen auf diverse Weise Konsequenzen bei Radveranstaltungen. Denn es ist möglich, dass in dem Anmeldeformular auf den Anti-Doping-Code der NADA Bezug genommen wird und sich der Radfahrer, auch wenn er ansonsten keine Lizenz hat, durch die Anmeldung diesen Regularien unterwirft.
Dopingkontrollen bei Tageslizenzen
Dies ist beispielsweise im Rahmen der neu eingeführten Tageslizenz der Fall. Hier gilt der Anti-Doping-Code für den Sportler jedoch lediglich am Tag des Rennens selbst, das bedeutet wiederum, dass der Sportler sich nur dann an die Vorgaben der Verbotsliste zu halten hat.
Nimmt er während der Vorbereitung verbotene Substanzen wie beispielsweise EPO, Testosterone oder Steroide ein, oder wendet verbotene Methoden wie das Initiieren angereicherten Eigenbluts an, welche am Tag des Rennens nicht mehr im Körper zu finden sind, begeht er grundsätzlich keinen Dopingverstoß.
Eine weitere Maßnahme, die bei Auftreten eines positiven Dopingfalls dem Hobbyfahrer drohen könnte, ist eine vertraglich durch das Anmeldeformular einsetzende Sperre.
Viele Veranstalter von Jedermannrennen behalten sich in ihren AGBs vor, im Falle eines Dopingfalls, den betreffenden Teilnehmer für mehrere Jahre von der Veranstaltung auszuschließen.
Denkbar wäre auch eine Vertragsstrafe für den Fall, dass der Anti-Doping-Code nicht eingehalten wird. Eine solche wäre allerdings aus rechtlichen Gesichtspunkten kaum haltbar.
4) Drohen gedopten Jedermännern strafrechtliche Konsequenzen?
Was passiert mit denen, die betrügen?
In 2015 hat der deutsche Gesetzgeber das sogenannte Anti-Doping-Gesetz eingeführt: Hierdurch sollte die Möglichkeit geschaffen werden, dopende Spitzensportler, deren Trainer, Ärzte und die Hintermänner, auch strafrechtlich belangen zu können. Dies war zuvor mit den allgemeinen Normen des Strafrechts nur unzulänglich möglich gewesen.
Weiterhin sollte das Gesetz den fairen und chancengleichen Wettbewerb fördern, indem auch das Eigendoping oder unterstützende Handlungen mit einem Strafrahmen von bis zu zehn Jahren Gefängnis bestraft werden.
Eigendoping vs. Fremddoping
Unter Eigendoping versteht man, dass der Sportler, sich selbst die verbotene Substanz verabreicht oder verabreichen lässt. Demgegenüber ist auch das Fremddoping unter Strafe gestellt, das vor allem Ärzte und Pfleger adressiert. Das Gesetz zielt dabei allerdings nur auf „Spitzensportler des organisierten Sports“ ab.
Dies sind solche Sportler, die Mitglied eines Testpools nach den Kriterien der NADA, also zunächst hauptsächlich die Spitzensportler, sind. Weiterhin umfasst sind auch die Athleten, die Einnahmen von erheblichen Umfängen aus der sportlichen Betätigung erzielen.
Hierunter sind keine Preisgelder zu verstehen, sondern sich wiederholende finanzielle Zuwendungen oder aber auch Sach- und Dienstleistungen, beispielsweise durch Sponsoren in Form von Material, Werkstattservice oder Ähnlichem.
Die Erheblichkeitsgrenze ist dabei unbestimmt und dürfte etwa zwischen 15.000 und 21.000 Euro pro Jahr liegen.
Was bedeutet das nun für die Jedermänner?
Zwar erzielen mittlerweile auch viele Hobby- und Jedermannfahrer finanzielle Zuwendungen, durch beispielsweise gesponserte Startplätze oder gestelltes Material, allerdings dürften nur die wenigsten durch etwaige monetäre Zuwendungen, gestelltes Material, Übernahme von Trainingslagern und Hotelkosten etc. auf eine erhebliche Summe im Sinne des Anti-Doping-Gesetzes gelangen.
5) Können geschädigte Konkurrenten den Doper verklagen?
Durch gedopte Teilnehmer an Radmarathons oder Jedermannrennen können auch viele andere Hobbysportler geschädigt werden. Zum einen natürlich die Konkurrenten, denen mögliche Preisgelder entgangen sind, die ein gedopter Sportler eingeheimst hat – darüber hinaus ist es aber auch denkbar, dass vertragliche, leistungsabhängige Prämien aus dem Sponsoringvertrag verfehlt wurden.
Die wohl spannendste Frage ist allerdings, ob ein Hobbyathlet, der beispielsweise bei einem Radmarathon eine halbe Stunde nach dem gedopten Sieger ins Ziel kommt, auch einen Anspruch wegen „entgangener Freude an der Veranstaltung“ gelten machen kann?
Regressforderungen wegen entgangener Freude
Auf den ersten Blick erscheint das nur billig und gerecht, denn spätestens nach Bekanntwerden eines solchen Dopingfalls fühlt man sich doch als hart trainierender und sauberer Sportler betrogen. Rein rechtlich betrachtet ist allerdings ein messbarer Schaden notwendig. Das ist in diesen Fällen wohl nur schwer zu beweisen.
Die Besonderheit bei Hobbysportlern, die ohne Rennlizenz an Radveranstaltungen teilnehmen, ist, dass diese grundsätzlich nicht auf dem besonderen Weg der Sportschiedsgerichtsbarkeit belangt werden können.
Fällt ein Lizenznehmer, vollkommen unabhängig, ob Profi oder Amateursportler, wegen Dopings auf, so leitet der Verband ein Verfahren gegen ihn ein. Bei geglücktem Nachweis des Vergehens endet dies dann zumeist mit einer Sperre.
Hiergegen kann der Athlet nicht vor den ordentlichen Gerichten vorgehen, sondern hat nur einen besonderen Rechtsweg, der bei dem obersten Sportgerichtshof (CAS) endet.
Da die hierfür notwendige Schiedsvereinbarung zwischen den Parteien Teil der Akzeptanz des NADA-Codes ist, gilt diese nicht für lizenzlose Hobbyfahrer. Somit ist es erheblich schwieriger, diese vom Rennbetrieb zu sperren.
6) Der Fall Chris Froome: Warum fährt er immer noch?
Für besonders viel Wirbel in der Radsportwelt sorgt derzeit die Causa Chris Froome (Team Sky), bei dem während der Vuelta 2017 ein deutlich erhöhter und in dieser Höhe verbotener Wert des Asthmamittels Salbutamol festgestellt wurde.
Trotz allem steht der Brite derzeit bei der Ruta del Sol wieder an der Startlinie.
Wie kann dies sein?
Grundsätzlich ist es so, dass es sich hierbei wohl, rein objektiv betrachtet, nach der A-Probe, um einen positiven Dopingtest handelt. Nichtsdestotrotz gilt auch für Chris Froome zunächst die Unschuldsvermutung.
Er hat angekündigt, durch ein medizinisches Gutachten zu beweisen, dass der erhöhte Wert nicht auf einer unerlaubten Einnahme des Medikamentes zurückgeführt werden kann, sondern durch Umstände beeinflusst wurde, die nicht in seiner Sphäre lagen.
Es wäre ja sogar theoretisch möglich, dass er diese Menge aufgrund einer medizinischen Ausnahmegenehmigung (TUE) einnehmen dürfte, diese lag allerdings nicht vor. Eine vorläufige Suspendierung des Athleten nach einer positiven A-Probe obliegt jedoch den Teams.
Präzedenzfall beim Thema Salbutamol: Diego Ulissi
So ist es in dem Fall von Diego Ulissi (damals Lampre) geschehen, der im Zusammenhang mit der Causa Froome oft exemplarisch herangezogen wird. Dies hat das Team Sky aber nicht gemacht. Eine unmittelbare Suspendierung des Fahrers hat aber auch den Vorteil, dass die Suspendierung auf die später drohende Strafe angerechnet wird.
So lässt sich natürlich über den rennfreien Winter auf Umwegen ein mögliches Strafmaß auch im Interesse des Teams faktisch reduzieren. Dies mag auch daran liegen, dass das Team Sky nicht Mitglied der Fahrervereinigung MPCC ist, die für deutlich erhöhte ethische Standards eintreten.
Vorbild Tim Wellens
Diese untersagen ihren Fahrern sogar den Start bei Rennen, wenn diese verbotene Substanzen mit einer Ausnahmegenehmigung einnehmen. So stieg beispielsweise der Belgier Tim Wellens (Lotto-Soudal) 2017 aus der Tour aus, da er zur weiteren Teilnahme gegen eine Erkrankung ein Medikament der Verbotsliste hätte einnehmen müssen.
Dies wäre mit einer Ausnahmegenehmigung auch problemlos möglich gewesen, verstieß allerdings gegen den Codex der Vereinigung und den Ethos des Profisportlers, so dass Tim Wellens vorzug, lieber die Tour de France aufzugeben.
Wie geht es mit Chris Froome weiter?
Wie es aussieht, wird Chris Froome zunächst weiter an Rennen teilnehmen, bis sein Verfahren abgeschlossen ist. Dies kann sich unter Umständen aber noch länger hinziehen. Möglicherweise endet es auch in einem Streit der Mediziner über eine mögliche Ursache des erhöhten Wertes.
Sollte festgestellt werden, dass Chris Froome tatsächlich gedopt hat, droht ihm eine empfindliche Strafe von wahrscheinlich an die zwei Jahre. Die Sperre fängt mit Ende des Verfahrens an wirksam zu werden.
In dem vergleichbaren Fall von Diego Ulissi betrug die Sperre zehn Monate, was aber vor allem an der Kooperation des Fahrers lag, die sich mildernd auf das Strafmaß ausgeübt hatte.
Bestreitet der Fahrer ein Dopingvergehen vehement, wie es Chris Froome derzeit macht, kommt ihm diese Strafmilderung natürlich nicht zu.
Weiterführende Links:
– Bernd Hornetz möchte sich für Dopingtests beim Ötzi einsetzen (Link)
– Emanuel Nösig über seinen positiven Dopingtest (Link)
– warum mir diese ewigen Dopingdiskussionen auf die Eier gehen (Link)
– Robert Petzold über seinen Kampf für einen sauberen Radsport (Link)
– mein Interview mit Deutschlands Dopingjäger Nr. 1: Hajo Seppelt (Link)