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Bernd Hornetz vom Team Beraldo über seine Rennen 2015 und die Vorzüge italienischer Teams

by Daniel

Wer bei den großen, harten Jedermann-Radmarathons 2014 im Alpenraum teilnimmt, stellt schnell fest, dass es immer wieder ein italienisches Team gibt, welches regelmäßig 1-2 Fahrer aufs Siegerpodest schickt:

Team Beraldo Green Paper.

Ob Roberto Cunico, Alessandro Bertuola, Enrico Zen oder Bernd Hornetz, seines Zeichens UCI Amateurweltmeister 2013 – die Jungs vom Team Beraldo räumten in 2014 ab, was abzuräumen war. Das Team Beraldo hat sich in 2015 zwar personell leicht verändert, Alessandro Bertuola hat das Team zwischenzeitlich verlassen, der Kern der Mannschaft bleibt aber weiterhin bestehen und hat sich für die kommende Rennradsaison 2015 wieder einiges vorgenommen.

UCI Amateurweltmeister Bernd Hornetz im Interview über die Saison 2015.

Bernd Hornetz vom Team Beraldo

Fotoquelle: Peter Lintner

Speed-Ville.de: Hallo Bernd, wenn man sich unsere beiden Sport-Vitas anschaut, entdeckt man kleine Parallelen: Wir beide kommen aus dem Fußball und haben im „zarten Alter“ von 32 Jahren mit dem Rennradfahren begonnen. Was hat dich bewogen, so spät noch mit dem Radsport anzufangen?

Nachdem ich mit 18 den Fußball wegen Ausbildung (Verletzungsgefahr) an den Nagel hing, gab es sporadische Joggingphasen und Alpenwanderungen.

Mit dem Berufseinstieg: also viel Sitzen, fast kein Sport mehr, Gewichtszunahme und Bewegungsdrang – da wollte ich was machen zum Ausgleich. Etwas mit dem man Natur und Anstrengung genießen kann.

Speed-Ville.de: Die Rennradsaison 2015 geht jetzt endlich los. Wie verlief deine Vorbereitung und was sind deine großen Ziele für 2015?

Die Vorbereitung bis Ende Februar war nahezu perfekt, so gut wie noch nie. Dann leider 10 Wochen bis Anfang Mai sehr wenig Zeit zum Trainieren – ich musste die ersten drei Rennen in Italien leider absagen.

Ich habe dann versucht die große Lücken und fehlenden langen Einheiten durch mehr Intensität auszugleichen. Beim ersten und bisher einzigen Rennen am 10. Mai, gleich ein wichtiges aus der 5-Stars Serie, Granfondo Felice Gimondi – Bergamo. Mit fast 4.000 Teilnehmern, 164 km und 3.000 hm – hier passierte dann das Unglaubliche: Trotz Start weit hinten aus der 3. Startgruppe zur Spitze vorgefahren, bei zahlreichen Attacken um Kilometer 70 immer mitgegangen, die Gruppe erwischt und mit einem langen Solo hinter dem späteren Sieger auf Platz 2 gekommen. Ich hätte eher mit Platz 40-50 gerechnet.

Ich bin aber realistisch, was meine noch nicht so gute Form angeht. Hinter mir wurde nicht ernsthaft gefahren wegen der Rennsituation, mit meinen Teamkollegen im Verfolgerfeld, in dem sich alle Favoriten neutralisierten.

Das 1. Highlight kommt daher zu früh, der Novecolli in Cesenatico am 24. Mai.

Die weiteren wichtigen Rennen der Saison sind dann:

14.06.: SuperGiroDolomiti – Lienz
21.06.: Sportful Dolomiti Race – Feltre
19.07.: Charly Gaul – Trento

Dann natürlich noch der Ötztaler und Endura Alpentraum – sowie die Premiere dieses Jahr bei der Haute Route Pyrenäen.

Leider habe ich keinen Startplatz beim Maratona Dolomites Anfang Juli bekommen. Das ist sehr, sehr schade. An alle Leser: Könnt Ihr da etwas machen, oder kennt jemanden, der seinen Platz nicht braucht und mir übertragen könnte?

Anmerkung Daniel: Bitte Mail an mich, wenn ihr aushelfen könnt – ich setze Euch mit Bernd in Kontakt.

Bernd Hornetz vom Team Beraldo

Fotoquelle: Peter Lintner

Speed-Ville.de: Du bist studierter Physiker. Folglich würde ich annehmen, dass bei dir viel nach Logik und System entschieden wird. Das Training von Bernd Hornetz: Gesteuert nach sportwissenschaftlichen Trainingsplänen oder viel nach Gefühl und aktueller Laune?

Lange, bis 2013 nach Gefühl und Laune. Natürlich sammelt man mit den Jahren Erfahrungen, lernt seinen Körper besser kennen.

Seit dem Sommer 2013 werde ich bei iQ Athletik von Dennis Sandig beim Trainingsaufbau, und seit diesem Winter auch von Hanna Sandig betreffs Ernährung betreut. Das hat mir sehr, sehr viel gebracht. Wenn man erfolgsorientiert arbeiten und das Maximum erreichen will, gehört eine kompetente Beratung dazu – das habe ich schnell gelernt.

Ich versuche aber stets die Trainingsinhalte so in Ausfahrten zu integrieren, dass ich diese trotzdem genießen kann. Man muss oder sollte die richtige Mischung finden, um nicht die Motivation zu verlieren. Vor allem steht der Spaß an der Sache, schließlich ist es immer noch ein Hobby und andere Dinge haben Priorität.

Speed-Ville.de: Du fährst seit der Saison 2014 für das Team Beraldo Greenpaper um den Rennrad Jedermann-Star Roberto Cunico aus Italien. Wie kam es dazu? Wie würdest du die Fahrer aus Eurem Team charakterisieren?

Ich kenne Roberto und auch die anderen Fahrer schon einige Jahre von den Veranstaltungen und vielen gemeinsamen Rennkilometern. Wir hatten von Anfang an ein gutes Verhältnis, waren uns sympathisch, viel miteinander gesprochen und jeder hat den anderen respektiert.

Meine Jungs vom Team Beraldo, alle deutlich jünger wie ich, sind quasi eine Familie inklusive aller Personen rund um das Team, kommen alle nur wenige Kilometer voneinander getrennt aus dem Veneto, nördlich von Vicenza.

Unser Auftritt erscheint vielen zwar sehr professionell, aber Spaß und Freundschaft wird nichtsdestotrotz sehr groß geschrieben. Das liegt wohl auch an der italienischen Mentalität: Man ist unheimlich herzlich und gastfreundlich und meint das ernst.

Roberto steckt persönlich sehr viel Arbeit in die Orga des Teams. Er ist zielstrebig, sehr diszipliniert und Perfektionist – und stemmt das auch alles neben seiner Arbeit. Auch zwei Oberschenkelbrüche 2012 und 2013 hat er auf unnachahmliche Art überwunden. Ich gönne ihm jeden Erfolg – das hat er sich immer hart erarbeitet.

Meine anderen Teamkollegen Cristian Pinton, Carlo Muraro und Enrico Zen zähle ich ebenfalls zu meinen Freunden, alles eben beschriebene trifft auch auf sie zu. Wir sind immer in Kontakt über die sozialen Medien und ich freue mich jedes Mal, wenn ich sie treffen kann.

In Italien sind solche Teams, was den Organisationsgrad bei den Granfondos angeht, die Regel und nicht die Ausnahme.

Bernd Hornetz

Speed-Ville.de: Vor dem Team Beraldo fuhrst du für das italienische Jedermann-Team Prestigio-LGL-Miche. Du bist also schon zahlreiche Granfondos in Italien gefahren und hast gute Vergleichsmöglichkeiten zu den Jedermann-Rennen hier im Alpenraum. Gibt’s spürbare Unterschiede? Ist das Teilnehmerfeld stärker? Sind die Kurse anspruchsvoller?

Hierzulande, wenn wir von Deutschland reden, gibt es leider, leider fast gar nichts Vergleichbares. In Italien hat man eine Jedermann-Saison von Ende Februar bis Ende Oktober. Von März bis September können es fünf oder mehr Rennen an einem Wochenende sein.

Und bei den meisten Rennen herrscht eine enorme Leistungsdichte. Bei uns gibt es auch viele Radfahrer, aber in Italien gibt es seit vielen Jahren einfach viel, viel mehr Rennfahrer und Rennfahrerinnen, die sich in Wettkämpfen messen. Der Status der Wettkampfsportart ist ein anderer und der Italiener an sich, glaube ich, ist mehr ein Wettkämpfer als wir Deutsche.

In Deutschland etabliert sich zumindest der German Cycling Cup – sicherlich toll organisiert und sehr stimmungsvoll. Aber die RTFs haben in der Regel die anspruchsvolleren Kurse und sind auch nicht so weit weg.

Alles hat seine Berechtigung – aber wegen eines 100 km-Flachkurs mache ich doch keine 700 km-Anfahrt Richtung Norden. Und Kriterien kann ich bei den Amateuren hier vor der Haustür fahren. Man verzeihe mir das und ich lasse mich liebend gerne vom Gegenteil überzeugen.

Immerhin habe ich 2014 an dem Rennen auf dem Nürburgring zusammen mit Freunden aus Belgien und Italien teilgenommen. So ein Kurs, nicht nur dass es eine Rennstrecke ist, ist wohl eine Ausnahme. Das mache ich dieses Jahr bestimmt wieder.

Aber sonst fahre ich in die Alpen zu einem Marathon oder nach Italien. Das ist anstrengend, aber Urlaub zugleich.

Bernd Hornetz vom Team Beraldo

Speed-Ville.de: Kommen wir nochmal zu Eurem Team Beraldo: Du kommst aus Karlsruhe, der Rest des Teams Beraldo aus der Region Vicenza in Norditalien. Großartig zusammen trainieren ist bei Euch rein logistisch nicht möglich. Wie findet bei Euch im Team zwischen den Wettkämpfen die Kommunikation statt? Wie tauscht ihr Euch über aktuelle Trainingsstände und -pläne aus?

Wie gesagt: Soziale Medien – da fühlt man sich nicht so fern. Wir telefonieren auch mal. D.h., auch im Winter hört man von jedem jede Woche etwas.

Meine Jungs trainieren oft miteinander, das ist sicher ein großer Vorteil. Aber ich bin kein Außenseiter und voll akzeptiert.

2014 habe ich mit meiner Frau im April zwei Wochen Urlaub im Veneto bei meinen Jungs gemacht und im August waren Carlo und Cristian mit mir eine Woche in den provenzalischen Alpen zum Trainieren – zusammen mit meiner Frau und anderen Freunden.

Es gibt keine Kontrolle, wer wie und wie viel trainiert. Wir sprechen hier von einem Hobby. Alle sind erwachsen und alles basiert auf Vertrauen und Eigenverantwortung. Dazu gehört aber auch, dass mittlerweile jeder seinen Trainingsberater hat – aber ganz unabhängig voneinander. Man gibt sein Bestes und solange wir damit erfolgreich fahren, möchte ich das keinesfalls ändern.

Da habe ich aber auch schon ganz anderes erlebt (also von außen betrachtet) – Fahrer, die richtig Angst hatten, wenn sie „5 mm“ vom Trainingsplan abwichen. So was kenne ich von meinen bisherigen Teams nicht.

Roberto Cunico, Team Beraldo

Speed-Ville.de: Die hiesige Radmarathon-Szene wurde im letzten Jahr von Eurem Kapitän Roberto Cunico dominiert, mittlerweile auch schon 35 Jahre alt. Über Roberto ist in den deutschen Medien recht wenig bekannt. Erst seit 2-3 Jahren ist Roberto im Alpenraum spürbar sichtbar geworden. Wie würdest du Roberto für die Leser beschreiben?

Das habe ich schon teilweise oben beschrieben. Roberto war nie Profi – wann er genau mit Granfondo-Rennen begonnen hat? Ich denke so um 2006. Ich habe ihn das erste Mal 2008 in Österreich getroffen.

In Italien gibt es noch viel mehr superstarke Fahrer, als die, die man hier kennt.Da die meisten Sponsoren und Teams kein besonderes Interesse an den Rennen in Österreich/Schweiz haben, sind die bei uns nicht bekannt.

Roberto liebt und ihm liegen vor allem die langen Anstiege in den Alpen. Nicht alle Granfondos in Italien sind so lange, wie die Alpenmarathons und haben vor allem so lange Anstiege – viele um die 160 km und 2000 bis 3000 Höhenmeter.

Außerdem gibt es im August kaum Rennen in Italien, weil man dann Urlaub mit der Familie macht. Das sind alles Gründe, weshalb man Roberto und das Team Beraldo auch dann und wann in den deutschsprachigen Alpen sieht.

Ferner hatten wir 2014 zwei Fahrer, die wegen der neu installierten Ex-Profi-Regel vergangenes Jahr keine Granfondi fahren durften. Vier Jahre muss ein Ex-Pro warten, zwei Jahre ein Amateurrennfahrer.

Davon war nicht nur das Team Beraldo betroffen – also sah man 2014 mehr Italiener in Österreich und auch in Frankreich.

Speed-Ville.de: Es kommt Kritik auf an Eurem sehr professionell aufgestellten Team Beraldo. Was sagst du zu den Äußerungen von z.B. Stefan Kirchmair, dass Teamfunk und Begleitfahrzeug in der Jedermann-Szene fehl am Platz sind? Fair ist das gegenüber den anderen nicht, oder?

Haha, ich verstehe bei dem emphatischen Veneto-Dialekt ohnehin nur Bahnhof und fahre daher offline. Über die Abgrenzung von Hobby und Profitum gibt es so viele Auffassungen, wie es Fahrer und Fahrerinnen gibt. Ich lasse jedem die seine und halte mich an die Regularien der Veranstalter.

Ist es unfair, wenn ich viel trainiere und andere nur wenig. Ich betrachte mich als Teil der Jedermannszene und bin froh darüber, dass es ein so großes Spektrum umspannt.

Ich möchte niemanden ausschließen, auch wenn er gerne mit Gepäckträger und Rucksack fährt

Speed-Ville.de: In älteren Artikeln und Interviews über dich wird dein Trainingseifer beschrieben. Jährlich kamst du noch auf ca. 25.000 Rennrad-Kilometer. Trainierst du immer noch so hart?

25.000 km ist noch lange kein Synonym für hartes Training, wenn man Spaß und die Zeit dazu hat, kann man die auch locker abrollen. Bei mir ist es allerdings insoweit hart, dass die Zeit begrenzt ist und es geht auch nicht immer locker zu. Der Spaß daran ist aber ungebrochen.

Speed-Ville.de: Wer diese Anzahl an Kilometern pro Jahr auf dem Rennrad abkurbelt, der opfert einiges an Zeit für den Radsport. Was sagen deine Freunde und Familie dazu? Hast du nicht als Mittvierziger auch mal den Wunsch, alle Fünfe gerade sein zu lassen?

Meine Frau ist zum Glück auch sportbegeistert. Mir zu Liebe konzentriert sie sich auch weitgehend aufs Radfahren, also sind wir auch häufig gemeinsam unterwegs. Damit es für Sie nicht permanent zu anstrengend ist, haben wir mit einem Rennrad-Tandem und einem rasanten E-Bike Specialized Turbo S etwas Flexibilität angeschafft. Dann bin auch ich ab und zu der Gejagte.

Viele Freunde sind ebenfalls engagierte Radfahrer. Die Nichtradler kommen zugegeben zu kurz. Solange wir gesund bleiben und Spaß daran haben, kann es noch eine Weile so weitergehen. Irgendwann dann auch mal etwas gemütlicher.

Ich warte Jahr für Jahr darauf, dass ich nicht mehr mithalten kann. Mal sehen, was die Saison bringt.

Für 2015 sind mein Trainer Dennis Sandig und ich noch optimistisch.

Speed-Ville.de: Vielen Dank lieber Bernd! Dir und deinem Team Beraldo für 2015 alles Gute!

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