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9 Erkenntnisse aus dem neuen Buch: „Jan Ullrich – Himmel, Hölle – und zurück ins Leben“

by Daniel

Ich habe das NEUE Jan Ullrich Buch (Himmel, Hölle – und zurück ins Leben, 2024) gelesen und möchte in diesem Blog meine Eindrücke schildern…

  • was sind die interessanten Erkenntnisse?
  • wird endlich mal reiner Tisch gemacht (Doping)?
  • für wen ist das Buch lesenswert?
Meine Review vom neuen Jan Ullrich Buch (2024)

Das neue Jan Ullrich Buch (2024)!

Von Daniel (@speedvilleblog)

Kurz vorweg – ich muss mich als absoluter Ulle-Fan outen.

Ich denke ich habe das schon des Öfteren hier auf dem Rennrad Blog gesagt, aber meine Liebe für den Radsport korreliert eindeutig mit den TV Übertragungen des Sommers 2003 aus Frankreich…

…in denen Jan Ullrich nach Jahren im Team Telekom erstmalig auf Bianchi unterwegs war und seinem 2. TDF-Sieg so nahe kam wie eigentlich nie wieder zuvor/danach…

Unvergessen sein Duell mit Lance Armstrong, als dieser am Anstieg Luz Ardiden stürzte und Ulle sportsmanlike auf ihn wartete…

Echter Ehrenmann. Hätte nicht jeder gemacht.

Backcover

Wo rührt die Faszination Jan Ullrich her?

Ulle war in meinen Augen ähnlich „fehlerbehaftet“ wie vielleicht ein Boris Becker zu seiner Zeit – Typen mit Ecken und Kanten. Eher normale Menschen als perfekt geölte Maschinen…

Im Fall von Ulle: Über den Winter zu viel Schoki, um sich dann im folgenden Frühjahr zu kasteien. Im Fall von Bobbele: Besenkammer und Co.

Wie ich es auch bei mir selbst immer wieder erlebe – also den Winter wie Ulle.

Entsprechend verschlinge ich eigentlich alles, was mit Jan Ullrich zu tun hat, seien es Dokus, Bücher oder auch starke Interviews wie neulich von Rick Zabel, wo er Jan Ullrich und seinen eigenen Papa Erik Zabel vor der Kamera hatte…

Ulle und Ete

Die beiden Teile unbedingt gucken…

Teil 1
Teil 2

Also, zurück zum neuen Ulle-Buch – hier meine 9 Takeaways….

Kurze Info vorweg an der Stelle noch – ich reiße die Themen bewusst nur kurz an und gehe nicht zu sehr ins Detail, sonst bräuchtet ihr euch das Buch ja nicht mehr kaufen :-)

#1 Toughe Kindheit mit dem Papa

Jan Ullrich bzw. sein Autor Dennis Sand beschreiben wie er in den 70ern bei Rostock zu DDR-Zeiten aufwuchs. Man kann tatsächlich nur den Hut vor seiner Mama Marianne ziehen, die es geschafft hat, quasi alleine 3 Jungs groß zu ziehen. 

Einige Jahre später folgte dann noch Halbbruder Felix.

Ulle beschreibt es selbst so, dass er in seiner Kindheit nicht vom eigenen Papa wahrgenommen wurde. Im Buch sind noch 1-2 Passagen drin, wo es einem als Leser den Atem anhalten lässt – als Mama Marianne zB im Krankenhaus Sohn Nummer 3, Thomas, gebärt, sollte Papa Werner eigentlich auf Stefan und Jan aufpassen.

Es war kalt, es fiel Schnee, er hatte jedenfalls irgendwas anderes zu tun und ließ die Jungs (Jan müsste 4 Jahre gewesen sein) alleine bei Eiseskälte im kurzärmeligen T-Shirt draußen auf dem Spielplatz vor dem Haus warten, während er unterwegs war.

Kann man sich heute alles nicht mehr vorstellen. 

Inhaltsverzeichnis 1
Inhaltsverzeichnis 2

#2 Challenges mit Bruder Stefan

Das Buch beginnt mit einer der typischen „Ullebrüder-Challenges“, Stefan und der kleine Jan sind am Strand der Ostsee und Jan hat die Aufgabe, länger die Luft unter Wasser anzuhalten als sein älterer Bruder.

Wie Jungs eben so sind – höher, schneller und weiter!

Auch in der Amazon Prime Doku „Der Gejagte“ kam immer wieder raus, dass sich die Jungs gegenseitig zu Höchstleistungen anstachelten – wer kann länger die Milchpackungen im 90° Winkel halten?

Es geht um nichts, aber immer um alles!

Warum reite ich auf dem Thema rum?

Weil Jan so schon von Kindestagen an gewohnt war zu performen und sich durchzusetzen! Es herrschte ein anstachelnder Wettkampfgedanke.

Die Belohnung sollte folgen…


#3 Riesenmotor

Jan setzte sich später in seinem ersten (Cross) Lauf gegen teils drei Jahre ältere Kinder durch – und das vor den Augen seines Mentors Peter Sager. Allen beteiligten war schnell klar, dass dieser schmächtige junge Kerl über einen Motor verfügte, der seinesgleichen suchte.

Sein Ruhepuls lag bei ca. 36 Schlägen (!!) und sein Lungenvolumen bei knapp 6 Litern.

Ein echtes Naturtalent, das nun auch bei Radrennen zu performen wusste, denn mit seinem Sieg beim Lauf gewann er ein Fahrrad.

Hier bei der SG Dynamo Rostock lernte Jan seinen guten Jugenfreund André Korff kennen.

Der Motor war wohl ein Geschenk von seinem sehr talentierten Papa Werner, der ebenfalls ein sehr guter Sportler zu DDR-Zeiten war, aufgrund einiger Disziplinlosigkeiten aber leider nicht den großen Durchbruch schaffte!


#4 Sportschule Berlin

Trotz eines Infektes (er konnte nicht alle Übungen bei der Aufnahmeprüfung machen) schaffte Jan mit 14 Jahren die Aufnahme in die elitäre Sportschule in Berlin-Hohenschönhausen.

Hier lernte er nun seinen „Schleifer“ Peter Becker kennen, der ihn später auch zu Team Telekom Zeiten trainieren sollte.

Autor Dennis Sand schafft es sehr bildlich diese Zeit zu beschreiben, die sicherlich sehr einschneidend gewesen sein muss – es herrschte ein gewisser militärischer Drill – für den Teenager Jan, der bis 1991 (18 Jahre alt) hier wohnen sollte.

Jan war nun 1987 „im Sport-System“ der DDR angekommen, ihm stand eine große Zukunft bevor – die der DDR sah nicht mehr so rosig aus.


#5 Nationalmannschaft mit Trainer Peter Weibel

Persönlich fand ich diesen Abschnitt sehr, sehr interessant, in dem Ulle nun den Sprung „zu den Großen“ schaffte!

Peter Weibel, damaliger Bundestrainer, erkennt das riesige Talent und nimmt ihn mit zu den Weltmeisterschaften nach Oslo, wo Jan auch den Weltmeistertitel bei den Amateuren holte.

Dieses Kapitel weiß mit einigen humoristischen Passagen zu glänzen – ich sage nur Stichwort Colorado (Pikes Peak) und sein neuer Spitzname „Koofick“, da er alles kaufen wollte…


#6 Bjarne Riis

Sehr beeindruckend wie Jan Ullrich beschreibt, wie der neue Kapitän des Team Telekoms bei seiner ersten Vorstellung in Bonn die versammelte Mannschaft darauf einstimmt, bei der TDF 1996 nicht irgendwo im Mittelfeld rumzudümpeln – für den markanten Dänen zählte nur der Sieg.

Jan Ullrich avancierte 1996 mit 22 Jahren direkt zu seinem Edelhelfer und half maßgeblich, dass Riis das Gelbe Trikot dann auch gewann.

Sehr interessante Passagen sind hier mitunter, in denen Riis ziemlich kauzig rüberkommt und Ulle während den Etappen rumschickt, um seine individuellen Wünsche (Wasser, kein Wasser, mit Elektrolyten ohne etc.) zu erfüllen.

Sehr cool hier Mäuschen zu spielen!


#7 TDF Sieg und viel Quälerei

Dieser Teil dürfte den meisten Beobachtern natürlich bestens bekannt sein. Jan beschreibt aus seiner Sicht wie er den Titel bei der TDF 1997 gewann.

Was mir persönlich nicht klar war, wie der TDF Sieg beinahe gar nicht zustande kam, da Jan gegen Ende der Tour 97 sehr, sehr krank wurde.

Es müsste die 19. Etappe gewesen sein, bei der es von Montbeliard nach Dijon ging (172km, 1776 hm), er hatte hohes Fieber und quälte sich so dermaßen ins Ziel, dass man sich fragt, ob es das wirklich alles wert ist/war.

Jeder von uns weiß, dass man mit Fieber nicht aufs Rad gehört – und hier reden wir nicht von einer Jedermann-Trainingsfahrt/rennen, sondern der Tour de France, bei der die Profis auf Anschlag fahren.


#8 Doping

Gegen Ende des Buches kommen Ullrich und Sand dann auch auf das prekäre Dopingthema zu sprechen. Hier gesteht Ullrich des Dopings in Form von EPO-Spritzen und Bluttransfusionen.

Im Prinzip nichts was man vorher nicht schon wusste bzw. vermutet hatte, aber er nimmt hier auch kaum ein Blatt vor den Mund.

Wie er mit Rudy nach Madrid flog, um beim berüchtigten Dopingarzt Fuentes vorsprach.

5. Etappe der TDF 2003

Oder wie er bei der 5. Etappe der TDF 2003 hohes Fieber „nach einer Infusion“ bekam. Ob hier mit „Infusion“ die Rückführung des vorab abgenommenen Blutes gemeint ist, wird nicht näher thematisiert…

Als ich die fünfte Etappe hinter mich gebracht hatte, fühlte ich mich noch topfit und legte mich nach dem Essen früh ins Bett. Nach einer Stunde wachte ich wieder auf. Ich merkte, dass irgendwas nicht stimmte. Mein ganzer Körper zitterte. Ich schwitzte wie verrückt. Meine Laken waren nass. Was war nur los? Als ich mich vor einer Stunde ins Bett gelegt hatte, war doch noch alles gut gewesen, und jetzt fühlte ich mich, als müsste ich sterben. Das musste irgendeine Reaktion auf die Infusion sein. Ich rief Rudy an. Als er zu mir ins Zimmer kam, wurde er blass.

Was ist denn mit dir passiert?«, fragte er und setzte sich zu mir ans Bett. »Soll ich einen Krankenwagen rufen?« Ich schüttelte den Kopf. »Ich kriege das hin«, sagte ich. Er fasste mir an die Stirn. »Du brennst ja! Du hast hohes Fieber!« Er rief die Ärzte. Jan Ullrich – Himmel, Hölle – und zurück ins Leben (S. 169)


#9 Absturz auf Mallorca

Die Bilder, die 2018 um die Welt gingen, dürften den meisten noch zu gut vor Augen sein. Jan Ullrich hatte endgültig die Kontrolle über sein Leben verloren.

Seine Frau Sara hatte ihn verlassen, die Kinder mitgenommen – das gab dem sensiblen Jan offensichtlich den Rest.

In diesem Kapitel beschreibt er sehr detailliert was in seinem Haus bei Palma so vor sich ging, welche Gestalten dort verkehrten und wie ihm schlussendlich auch Lance Armstrong später in der Entzugsklinik dabei half, den Weg zurück ins Leben zu finden.


Fazit

Also, Zeit ein Urteil zu fällen: Um es kurz zu machen, ein absoluter Lesetipp für alle Ullefans!

Ich sag mal so, 85% des Buches haben die meisten von euch schon mal vorher gehört und gelesen – der Rest sind interessante neue Einblicke!

Großes Lob an den Autor Dennis Sand, dem es gelungen ist das Buch sehr, sehr gut zu schreiben – im Prinzip ein „schriftlicher“ Spielfilm über das bewegte Leben Jan Ullrichs.

Bleibt zu hoffen, dass Ulle weiter stabil und gesund bleibt – es wäre ihm so sehr zu wünschen!

Eröffnung des Jan Ullrich Museums in Bad Dürrheim (2024)

Die TV Auftritte in der letzten Zeit oder die Eröffnung des Jan Ullrich Museums in Bad Dürrheim geben Anlass zur Hoffnung, hier macht Jan wieder einen sehr guten und gesunden Eindruck.

Weiter so!

Herzlichst,
Daniel

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