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Höhentraining per Zelt von zu Hause – ein Erfahrungsbericht!

by Daniel
  • was bringt Höhentraining im Radsport?
  • kann man den Effekt des Trainings in der Höhe mit einem speziellen Zelt zu Hause simulieren?
  • wie gut/effizient ist das Zelt für Höhentraining? Was bringt es?

Im Profisport schon längst nicht mehr wegzudenken ist das Thema Höhentraining.

So ziemlich alle Radprofis sind auf dem Vulkan Teide in Teneriffa, in Andorra, Sierra Nevada oder in den Alpen in Livigno, Isola 2000, den hoch gelegenen Orten im Ötztal/Kühtai, oder Tignes zu mehrwöchigen Höhentrainingslagern anzutreffen.

Gemeinsam haben alle diese Orte, dass sie meist sehr abseits gelegen und mit einer eher schlechten Infrastruktur ausgestattet sind.

Geht im Jahr 2024 Höhentraining auch einfacher? 

Ein Phänomen, dass sich in den letzten Jahren immer wieder wiederholt hat, ist das die im Profisport angewendeten Methoden oder Techniken auch im Hobbybereich Einzug erhalten haben.

Seien es Material, Training, Verpflegung oder Tools wie der Wattmesser, viele Amateursportler sind mittlerweile mit ähnlichem Setup ausgestattet wie die Profis.

Und auch die zielgerichtete, akribische Vorbereitung auf Wettkämpfe ähnelt bei einigen Hobbyfahrern schon fast der eines Berufsradfahrers. 

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Aktueller Buchtipp – In „der Plan“ beschreibt Nando Boers wie man u.a. das Training in der Höhe für das Team Jumbo Visma als elementares „Trainings-Tool“ eingeplant hat (zur Review!)

Zeit, dass sich auch Amateursportler dem Thema Höhentraining widmen?

In diesem Blog möchte ich euch einen kurzen Einblick in das Thema geben und von meinen eigenen Erfahrungen berichten.

Inwieweit das Ganze zum Nachahmen einlädt kann im Anschluss ja jeder für sich selber entscheiden ;)

——— Dieser Blog wurde aktualisiert am 19.6.24 ———

Höhentraining (per Zelt) von zu Hause

Von Anton Schiffer (@antonschiffer)

Zunächst einmal ein paar Basics:

Höhentraining zeichnet sich durch den Aufenthalt und/oder Training bei reduzierter Sauerstoffverfügbarkeit aus. Dabei unterscheidet man zwei verschiedene Arten von Höhe:

  • i) die natürliche Höhe, auch genannt hypobare Hypoxie und
  • ii) die künstlich erzeugte Höhe, meistens in Form der sogenannten normobaren Hypoxie

In der natürlichen Höhe verändert sich die Zusammensetzung der Luft nicht, nur der Luftdruck nimmt ab. In der normobaren Hypoxie verändert sich der Luftdruck nicht, während die Sauerstoffkonzentration künstlich reduziert wird.

Physiologische Anpassungen durch Höhentraining

Beides führt dazu, dass der Sauerstoffpartialdruck geringer als auf Meereshöhe ist, was wiederum zu physiologischen Anpassungen im Körper führt.

Auch hierbei unterscheidet man zwei unterschiedliche Arten der Anpassung:

  • i) die akuten Reaktionen wie beispielsweise eine erhöhte Atem- und Herzfrequenz und eine verringerte arterielle Sauerstoffsättigung und
  • ii) die chronischen Anpassungen, unter anderem eine erhöhte Hämoglobinmasse oder verbesserte Ökonomie, die sich letztendlich in einer 1-2% verbesserten Leistungsfähigkeit auf Meereshöhe zeigen (Bonetti & Hopkins, 2009)

Größer werden die Unterschiede bezogen auf die Leistungsfähigkeit in der Höhe, bei der Bassett et al. (1999) nach vorheriger Akklimatisierung in der Höhe deutlich geringere Abfälle der VO2max feststellten, als ohne vorausgegangene Höhenexposition.

Das ist beispielsweise auch interessant für Radsportler, die sich auf ein Event in der Höhe vorbereiten, wie es bei vielen Radmarathons in den Alpen der Fall ist. 

VO2max Veränderung durch Höhentraining

Abbildung 1: Veränderungen der VO2max in der Höhe ohne bzw. mit vorheriger Akklimatisierung (Bassett et al., 1999)

Höhentraining per Zelt von zu Hause

Neben einem Trainingslager in einem der oben genannten Orte, besteht auch die Möglichkeit, das Höhentraining bequem bei sich daheim durchzuführen.

Live high, train low

Dafür werden meistens Zelte benutzt, in denen geschlafen und sich teilweise auch tagsüber aufgehalten werden kann, trainiert werden kann aber in der normalen Umgebung (genannt Live High Train Low; LHTL).

Das Zelt wird dabei durch einem Höhengenerator mit sauerstoffreduzierter Lust versorgt. Dies geschieht entweder durch Stickstoffzufuhr oder Sauerstofffiltration – beide Methoden führen zum selben Ergebnis, nämlich einem reduzierten Sauerstoffpartialdruck.

Neben den Zelten sind in den letzten Jahren auch immer mehr Hotels mit extra Höhenräumen ausgestattet, um gezielt die Nachfrage im Hochleistungssport zu bedienen.

Hotels mit Höhenräumen

Beispiele sind das Syncrosferra in Spanien, in dem Mathieu van der Poel häufig anzutreffen ist, oder das Bike Hotel in Freiburg, in dem Simon Geschke und Georg Steinhauser sich auf den diesjährigen Giro vorbereitet haben.

Sowohl van der Poel  (Sieg Flandernrundfahrt und Paris-Roubaix) als auch Geschke (14. Platz Gesamtklassement Giro) und Steinhauser (Etappensieg und 2×3. Platz Etappe Giro) wussten in diesem Jahr bei den Rennen auf höchstem Niveau zu überzeugen…

…entsprechend gut scheint die simulierte Höhe in diesen Fallbeispielen als Alternative zum terrestrischen Höhenaufenthalt zu funktionieren. 

Wichtig: Hypoxische Dosis muss hoch genug sein

Wichtig vor allem für die hämatologischen Anpassungen im Höhentraining ist dabei, dass die „hypoxische Dosis“ hoch genug ist. Einfach errechnet werden kann dies, indem man die Anzahl der in der Höhe verbrachten Stunden mit der Höhe in km multipliziert.

Ein systematisches Review konnte dabei positive Effekte von Höhentraining auf die VO2max im LHTL-Modell in einer Range von 500 bis 1415 kmh Höhenexposition herausstellen (Feng et al., 2023).

Bei 14h pro Tag im Zelt auf 2700m Höhe (beides in der Literatur verwendet) wären das entsprechend 13 bis 37 Tage. 

Hypoxische Dosis (Höhentraining)

Abbildung 2: Zusammenhang zwischen „hypoxischer Dosis“ und Veränderung der VO2max (Feng et al., 2023)

Höhentraining zu Hause – mein eigener Erfahrungsbericht

Ich habe in diesem Jahr erstmals Erfahrung mit normobarem Höhentraining mit dem Höhenzelt von Hoehenbalance (siehe Shop) gemacht.

Höhentraining Zelt
Zelt von hoehenbalance

Eingesetzt habe ich es zu zwei Zeitpunkten: 

  • -14 Tage vor der Tour of Hellas
  • -4 Tage vor dem Höhentrainingslager in Livigno

Die Vorteile des Höhenzelts sind vor allem logistischer Natur.

Training & Alltag von zu Hause

So kann das Training und Leben abseits des Sports in der gewohnten Umgebung stattfinden und lange Reisen vermieden werden. Dementsprechend können die Annehmlichkeiten der guten Infrastruktur daheim ausgenutzt und trotzdem der Benefit des Höhentrainings mitgenommen werden.

Auch gibt es Studien, in denen das Live High Train Low Konzept dem Leben und Training in der Höhe überlegen scheint, was vor allem an der verminderten Trainingsintensität in der Höhe liegt.

In einigen der Höhenorte ist ein Training nur in der Höhe möglich, da niedrig gelegene Trainingsgebiete schwer zu erreichen sind.  

Aber auch einige Nachteile möchte ich euch hier nicht vorenthalten

Der Komfort im Zelt ist deutlich geringer als ohne. Dazu beitragen der Geräuschpegel des Generators sowie die Temperatur, die insbesondere in Sommermonaten unangenehm werden kann.

Dies führt in Kombination mit der sowieso schon geringeren Schlafqualität in der Höhe, zu einer merkbar verschlechterten Regeneration.

Meiner Erfahrung nach gewöhnt man sich jedoch mit der Zeit an die Umgebung und nach einigen Nächten schläft man auch im Höhenzelt ohne größere Probleme.

Das „letzte Prozent“ rauskitzeln

Wer also die letzten Prozente aus seinem Körper raus kitzeln möchte, für den kommt ein Höhenzelt in Frage, insbesondere in der Vorbereitung auf Wettkämpfe in der Höhe.

Wer den Komfort jedoch höher gewichtet, der sollte lieber auf das Experiment Höhentraining von Zuhause verzichten.

Beste Grüße,
Anton

PS: Wie kann man nun bewerten, was das zu Hause „simulierte“ Höhentraining wirklich gebracht hat?

Höhentraining Zelt – was bringt es?

Laut Anton würden sich hier 2 Methoden anbieten:

1) Zum einen natürlich ein Leistungstest VOR der Nutzung und einmal NACH der Nutzung des „Höhentraining-Zelts“. Das könnten sowohl eine Leistungsdiagnostik im Labor sein, bei der man eine erhöhte VO2max, verbesserte submaximale Schwellen sowie eine verbesserte Ökonomie erwarten würde, oder auch einfache feldbasierte Ansätze, wie ein FTP Test.

2) Per Kohlenstoffmonoxid Rückatmung kann die Hämoglobinmasse bestimmt werden (vorher/nacher). Das wäre der Goldstandard und wird in Studien zum Höhentraining angewendet, um die hämstologischen Anpassungen zu überprüfen. Erwartbar wäre ein Zugewinn von ca. 1% Hämoglobin Masse pro 100h und 1000hm. Diesen Test kann man aber nicht einfach mal beim Hausarzt machen und ist daher für Amateursportler schwer umsetzbar.

Da diese beiden Methode rein logistisch nicht so einfach waren, in Anton’s Rennkalender eingebaut zu werden (Anton fährt für das KT-Team Bike Aid; siehe Procyclingstats), konnten wir die Bewertung der Effizienz leider nicht in den Test/Erfahrungsbericht einbauen…

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