Wahnsinn, was manche Frauen trainieren müssen, um ähnliche Leistungen wie Männer zu erzeugen. Ganz großer Respekt! Mit Angela Buske vom Team Plasmatreat sprach ich über die Trainingssteuerung für ihre Teamfahrerinnen vorm Ötztaler, von denen eine die komplette Novizin ist und die andere eine erfahrene Triathletin.
Wie unterscheidet sich das Training im Radsport von Frauen zu Männern? Trainieren Frauen anders? Muss man sie anders führen?
Zu dem Thema bekomme ich immer wieder Fragen und Kommentaren auf den unterschiedlichen Kanälen.
Nach meinem Artikel mit Carolin Schiff neulich möchte ich euch einen weiteren Beitrag zu dem Thema präsentieren: Mit Angela Buske (ehemals Fröschl) kenne ich eine sehr engagierte Trainerin, die vor ein paar Jahren den Weg von Österreich nach Bielefeld (ja, ihr habt richtig gelesen) gewagt hat.
Angela ist Trainerin beim Team Plasmatreat, das mit der Tour Transalp und dem Ötztaler zwei mega Brocken im jährlichen Radsportkalender hat – und zu dem sie auch ihre Jungs & Mädels aus dem Team schickt.
Und Angela kann selbst auch richtig reinhalten. Wenn mich nicht alles täuscht, war sie im letzten Jahr sogar schneller als ich beim Ötztaler – nicht, dass ich schnell war, aber immerhin, das war schon eine starke Leistung von ihr!
Heute geht es aber um ihre Mädels Nathalie und Sybille…
Angela Buske über die Trainingssteuerung ihrer Teamfahrerinnen
Bei Nathalie & Sybille hast du das Training übernommen: Ein totaler Neuling und eine erfahrene Triathletin. Was war für dich dabei die Herausforderung?
Angela Buske: Bei Nathalie, die zuvor noch nie nach Plan trainiert hatte, galt es zunächst grundlegende Dinge wie optimale(n) Trainingsrhythmus, -intensität, und -dauer herauszufinden.
Es gab quasi keine Erfahrungswerte in Bezug darauf, wie sie manche Trainings wegsteckt oder wie viele Tage Regeneration sie braucht, wie sie sich vor einem Rennen optimal vorbelastet oder wie sie sich während des Trainings und eines Wettkampfes optimal verpflegt.
Bei unseren Teamtreffen im März und Mai haben wir darüber viel gesprochen. Kurz vor den Wettkämpfen gab es dann ein Extra Briefing via Telefon; Nathalie hat ein unglaublich gutes Körpergefühl und konnte die Ratschläge sehr gut umsetzen. wie man an ihrer Leistungssteigerung ablesen kann.
Bei Sybille war es etwas anders. Sie hat in der Vergangenheit schon einige Wettkämpfe, vor allem im Triathlon, bestritten und bereitete sich darauf auch planmäßig vor.
Sie wusste bereits, wie ihr Körper auf bestimmte Trainingsreize reagiert und wusste, sich während Training und Wettkamp richtig und ausreichend zu verpflegen.
Die Theorie, also die Trainingswissenschaft ist immer dieselbe, aber jeder Trainer hat bestimmte Schwerpunkte oder Prinzipien nach denen er seine Athleten trainiert.
Für mich war es sehr spannend zu sehen, wie Sybille auf neue Reize, die sie zuvor noch nicht trainiert hatte, reagiert.
Im Gegensatz zu ihren bisherigen Trainings waren die Einheiten hinsichtlich der ambitionierten Ziele wie die Tour Transalp oder der Ötztaler Radmarathon deutlich „höhenmeterlastiger“.
Eine Herausforderung, die beide Mädels betraf, war die Trainingssteuerung nach Herzfrequenz, weil beide nicht mit einem Leistungsmesser trainieren.
Die Herzfrequenz ist sehr störanfällig: Temperatur, Stress, Ernährung – alles kann sie beeinflussen.
Die Auswertung der Herzfrequenz-Graphen, regelmäßige Rücksprache mit beiden und die Anpassung des Trainings in stressigen Zeiten, Stichwort Work-Life-Balance, waren sehr wichtig.
Kannst du aus Coachsicht deine Ansätze schildern, mit denen du die Trainings für die beiden entworfen hast?
Angela Buske: Nathalie war nicht unsportlich; sie ist im Winter viele Skitouren gegangen und ist generell ein sehr aktiver Mensch. Am wichtigsten war es aber eine radsportspezifische Grundlagenausdauer durch lange und möglichst gleichmäßig gefahrene Einheiten aufzubauen.
Gleichzeitig rundeten Trittfrequenztrainings und „Kraft-am-Rad“-Einheiten den Trainingsplan ab.
Sybille hat durch ihr planmäßiges Training vor ihrer Zeit im Team Plasmatreat bereits eine bestimmte Grundlagenausdauer entwickelt. Es galt diese auszubauen und danach zunächst tourspezifische Reize zu setzen.
Mit intensiven Intervallen im Entwicklungsbereich haben wir an ihrer wettkampfspezifischen Ausdauer gefeilt.
Was war deine größte Herausforderung, insb. bei Nathalie, die der Neuling ist?
Angela Buske: Bei solchen Krachern wie die Tour Transalp oder der Ötztaler Radmarathon muss nicht nur der Körper sondern in erster Linie auch der Kopf mitspielen.
An mentaler Stärke fehlte es Nathalie zu keiner Zeit, deshalb konnte ich mich von Beginn an auf die physischen Voraussetzungen konzentrieren.
Die Laktat-Leistungsdiagnostik in meiner Praxis war der erste Check-up.
Mit Hilfe der gewonnen Daten konnte ich für Nathalie verschiedene Trainingsbereiche festlegen. Von diesem Zeitpunkt an war alles offen. Es hätte so oder so ausgehen können.
Ich habe Trainings- und Ernährungsempfehlungen gegeben und musste danach erstmal die ersten Trainingswochen abwarten.
Ich kann mich noch erinnern, als wir nach den ersten Intervalleinheiten telefoniert hatten. Es fiel ihr unheimlich schwer sich über 10-15min. zu „quälen“; sie hatte Schwierigkeiten die Herzfrequenz gleichmäßig hoch zu halten.
Aber so wie überall, heißt es auch im Training: „Learning by doing“.
Nathalie hat wahnsinnig viel Ehrgeiz, weshalb sie das Training immer besser umsetzen konnte.
Bei der 2. Leistungsdiagnostik im Mai hat sie uns mit ihrer Leistung alle vom Hocker gehauen; es war klar: ihr Teampartner Michael Jupe wird sich bei der Tour ordentlich ranhalten müssen.
Im Vergleich mit Männern: Was sind die grundlegenden Unterschiede, wenn man Frauen als Athleten hat?
Angela Buske: Gerade in den Vorbereitungsperioden bei den Grundlagen-Ausdauer-Einheiten ist es wichtig, dass man einfach stur in seinem Tempo trainiert.
Die Belastung sollte über einen längeren Zeitraum, ca. 2-3h lang gehalten werden.
Vermutlich ist es das Testosteron, dass die Trainerempfehlung zu nichte macht, sobald man als Mann bei seiner Grundlageneinheit von einem anderen Radfahrer überholt wird.
Kannst du uns die Leistungen der beiden bei der Transalp schildern?
Angela Buske: Wie bereits erwähnt, habe ich leider keine Leistungsdaten der beiden, weil sie nach Herzfrequenz trainiert haben.
Die Herzfrequenzgraphen zu veröffentlichen, macht keinen Sinn.
Nach einer mehrtägigen Belastung reagiert die Herzfrequenz sehr träge und ist nicht mehr verlässlich.
Die beiden wohnen in/bei München. Trainieren sie auch hin und wieder zusammen?
Angela Buske: Ich habe einige Trainings geplant, die sie dann zusammen gefahren sind; meist haben sie zusammen die Berge im Raum München mit dem Mountainbike unsicher gemacht.
Hin und wieder ist es wichtig, dass man auch mal das Trainingsgerät wechselt. Abwechslung für Kopf und Körper kann wahre Wunder bewirken.
Welche Zeiten traust du den beiden beim kommenden Ötztaler zu?
Angela Buske: Das ist vielleicht ein Unterschied zwischen den Männern und Frauen, die ich trainiere; die Männer gehen meist mit einer klaren Vorstellung der abzuliefernden Leistung in den Wettkampf.
Frauen haben eher eine grobe Richtlinie, nehmen sich somit diesen Leistungsdruck von der Ziellinie weg und entscheiden dann etwas spontan, welche Leistung abrufbar sein wird.
Ich möchte keine der beiden unter Druck setzen und werde daher keine Prognose abgeben; ich wünsche ihnen aber viel Spaß, schönes Wetter und eine unfallfreie Fahrt.
Abschlussfrage: Du bist von Österreich nach Bielefeld umgezogen. Wie sehr bereust du es?
Angela Buske: Witzig, wie oft diese Frage kommt. Ich sollte beginnen, eine Strichliste zu führen ;)
Wenn ich meinen PatientInnen oder KundInnen erzähle, dass ich aus Österreich komme (meist hört man das bereits an der Tür, weil ich mit „Grüß Gott“ begrüße) kommt mit Sicherheit der Satz: „Wieso sind sie denn von Österreich weggegangen? Da gibt es doch so schöne Berge.“
Ich komme aus Niederösterreich, wo es eher welliges und weniger bergiges Terrain gibt.
Man spricht von „Erhebungen“, bei der die höchste knapp 2000m hoch ist.
Hier in Steinhagen wohne ich zwar flacher, aber mindestens genauso idyllisch wie in meiner alten Heimat. 250m von der Praxis entfernt, einmal über die Straße, und ich bin umgeben von Wäldern und Pferdekoppeln. Für meinen Mann, unseren Hund und mich ein wahrlich schöner Ort zu leben.
Bezüglich des Radtrainings kann ich hier meine Schwächen wunderbar trainieren: langes, gleichmäßiges Fahren mit viel Gegenwind. ;)
>> MEHR INFOS ZU ANGELAS COACHING (Link)
Fotos: Team Plasmatreat, David Buske