Die Tour de Kärnten ist nicht nur eins der größten Etappenrennen für Jedermänner im Alpenraum, die sechs Etappen rund um den Ossiacher See gelten gemeinhin als sportlich sehr anspruchsvoll – sicherlich eine sehr gute erste Vorbelastung für die Saison. Holger Koopmann vom Team Strassacker nimmt uns mit und zeigt uns wie intensiv die sechs Tage in Kärnten waren.
Eine sehr interessante Konstellation.
Schauplatz Kärnten. Genauer gesagt: Ossiach.
Als mir Hanno Rieping in seinem Rückblick zur GCC Saison 2017 andeutete, dass sich das Team Strassacker im nächsten Jahr wieder verstärkt im Alpenraum duelliert, da baute sich mir die ein oder andere Situation vor meinem inneren Auge auf.
Tour de Kärnten, Tannheimer Tal, Tour Transalp oder der ein oder andere beim Ötzi.
Wie ergeht es einem der besten Straßen-Jedermannteams in Deutschland bei den bergigen Dingern in den Alpen?
Gucken wir doch mal.
Ich nutzte die Gelegenheit und telefonierte nach der diesjährigen Tour de Kärnten mit Strassackers Capitaine de Route Holger Koopmann, der mit seinen Kollegen bei der Tour de Kärnten ein sehr, sehr ordentliches Rennen ablieferte.
Wobei, ordentlich ist leicht untertrieben.
Drei Strassacker waren es am Ende, die in den Top 10 finishten.
Aber, aber… Ihr habt natürlich Recht.
Holger Koopmann vom Team Strassacker?
Die treuen SpeedVille Leser werden es vermutlich noch wissen.
Eigentlich sollte René Rossi bei der diesjährigen Ausgabe der Tour de Kärnten an den Start gehen. René verletzte sich aber leider sehr, sehr unglücklich kurz vor der Tour de Kärnten – er konnte entsprechend nicht teilnehmen.
Gute Besserung an der Stelle!
Mit Holger Koopmann sprach ich u.a. über die folgenden Punkte…
– wie war die Belastungsverteilung innerhalb der 6 Etappen?
– wie hoch ist das Niveau der TdK? Kann man es mit dem GCC vergleichen?
– wie werden die Etappen in Kärnten taktisch gefahren?
– wie regenerierten sie nach den harten Etappen?
– wie schaffte es Nils Kessler, auf dem 2. Platz zu finishen?
Holger Koopmann über seine Eindrücke zur Tour de Kärnten
Ohne Erwartungen und größere Ambitionen war das Team nach Kärnten gereist, für die meisten Teamfahrer waren die sechs Etappen die perfekte Vorbereitung zur Tour Transalp.
So der Plan.
Dass man aber schlussendlich mit Nils Kessler, Tom Walther und Chris Mai drei Fahrer in die Top 10 gebracht, dazu noch zwei Etappen gewonnen hat, sorgte im Rückblick für sehr gute Laune bei Koopmann.
Oder in bekannt nüchternem Norddeutsch:
Nils Kesslers Podiumsplatz freut uns natürlich riesig, hat sich aber situativ ergeben!
Wie war die Belastung während der 6 Etappen für ihn? Schließlich auch keine 24 mehr…
„Für mich wirklich ein spezieller Fall, ich bin ja auch nicht mehr der Allerjüngste. Ich hatte mir aber schon ein bisschen mehr ausgerechnet, auf den ersten beiden Etappen hatte ich mich allerdings etwas übernommen. Andererseits wusste ich auch, dass es hintenraus eher was für die Kletterer wird.“, so Strassackers sympathischer und selbstkritischer Holger Koopmann.
Gab es Enttäuschte im Team?
„Enttäuschte als solches nicht, höchstens vielleicht Tom Walther, der sich beim Zeitfahren auf der ersten Etappe doch mehr als Platz 14 ausgerechnet hatte. Walther gilt ja in Deutschlands Jedermannszene durchaus als Zeitfahrspezialist. Er hat sich im Verlauf der Rundfahrt aber noch enorm gesteigert und landete schlussendlich in den Top 10.“
Wie ist das Niveau der TdK? Mit dem GCC vergleichbar?
„Was die Streckenlängen anbelangt, lassen sich beide Formate durchaus vergleichen. Die längste Etappe der Tour de Kärnten war etwas über 120 km lang, die restlichen, ohne die Zeitfahren, um die 100 km.“, vergleicht Holger die beiden Jedermannevents.
Nach seinen Eindrücken in Kärnten war die TdK eine tägliche Mischung aus Rund um Köln und Eschborn – Frankfurt.
„Das einzige Rennen innerhalb der GCC-Serie, das noch härter ist, ist ganz klar Rad am Ring, sonst lassen sich die beiden eben genannten Eintagesrennen durchaus mit den Etappenrennen in Kärnten vergleichen“, so Koopmann.
Wie hart wird die Tour de Kärnten gefahren?
Typisch für die jeweiligen Etappen sei das extrem hohe Tempo nach der Neutralisierung (jeweils die ersten ca. 12-13 km einer Etappe) gewesen. Mit dem Ziel, dass sich vorne erst einmal eine kleine Gruppe findet, die den Tagessieg unter sich ausfährt.
Regeneration nach den Etappen?
Ein Punkt, der mich persönlich sehr interessierte. Wie regeneriert man als Jedermann bei solch einem harten Etappenrennen? Massage? Spezielle Ernährung?
„Massagen haben wir uns nicht gegönnt. Nach den Etappen ging es meist per lockerem Ausfahren zurück nach Ossiach, wo erst einmal ausgiebig gegessen wurde. Wenn es geregnet hatte, wurde noch schnell das Rennrad geputzt, die Beine hochgelegt und Giro geguckt.“
Sprechen wir über die einzelnen Etappen…
Etappe 1: Zeitfahren um den Ossiacher See (40 km, 150 hm)
„Ein sehr spezielles Zeitfahren für die meisten von uns. Wenn wir mal Zeitfahren absolvieren, dann meist mit Strecken um die 15-20 km.“, beschrieb Holger Koopmann die ungewohnte Länge. (Anm. SpeedVille: Holger geht übrigens beim KOTL Zeitfahren im September am Attersee an den Start, auf seine Performance bin ich sehr gespannt.)
Hatte man sich speziell aufs Zeitfahren vorbereitet?
Die meisten Strassacker-Fahrer, die mit in Kärnten waren, trainieren in der Regel nicht sehr spezifisch für ein solches Zeitfahren, wie auch beispielsweise Nils Kessler, der erst kurz vor der Tour de Kärnten eine Zeitfahrmaschine organisiert bekam. Einfacher Grund ist, dass es einfach zu wenig Zeitfahren im Rennkalender im Jahr gibt.
Für Holger Koopmann jedenfalls war die erste Etappe, und das wusste er auch schon vorher, diese eine Etappe, bei der es mal krachen lassen konnte mit seinem Gewicht, er ist ja bekanntlich keine Bergziege. Entsprechend zufrieden war er mit seinem dritten Platz, direkt hinter Mathias Nothegger und dem Tagessieger Martin Geretschnig vom Bernhard Kohl Racing Team.
„Ich hatte mir schon insgeheim einen Top-5-Platz ausgerechnet, wenn alles gut läuft auch das Podium.“
Hat ja geklappt.
Ein kurzer Blick auf die Durchschnittsgeschwindigkeiten, welche das Podium für die knapp 40 km mit ca. 150 hm benötigten:
- Geretschnig (47,6 km/h)
- Nothegger (47,6 km/h)
- Koopmann (47,12 km/h)
Etappe 2: Ironmanrunde (105 km, 960 hm)
„Diese Etappe war für mich zum Beispiel vergleichbar mit Rund um Köln“, Koopmanns Einschätzung zur Ironmanrunde, welche die 400 Teilnehmer über Velden am Wörthersee, an Ferlach vorbei nach Villach führte.
Der entscheidende Moment des Tages ereignete sich bereits nach 37 km am Rupertiberg, als eine Gruppe das noch große zusammenhängende Feld spaltete. Mit Nils Kessler und Christoph Mai hatte man jedenfalls zwei Fahrer in dieser Gruppe dabei.
500 m vor dem Ziel sollte dann die Tagesentscheidung fallen, als sich Christoph Mai von der 7-köpfigen Spitzengruppe absetzen konnte und den 5-sekündigen Vorsprung vor Johannes Hermann (Team Baier Landshut) ins Ziel rettete.
Welche größeren Teams waren neben Strassacker am Start?
Besonders in Erinnerung geblieben, sind dem Wahl-Kölner das Team Baier Landshut, Team Winax und das Team Deutsche Kinderkrebsstiftung mit dem ein oder anderen bekannten Fahrer aus der GCC-Serie, wie z.B. Anthony Spysschaert.
Etappe 3: Dach der Tour (122 km, 1.860 hm)
In Kürze lässt sich die Entscheidung der dritten Etappe wie folgt beschreiben: 40 km vor dem Ziel setzte sich ein Führungsduo ab, das aus dem Strassacker-Fahrer Nils Kessler und dem Gesamtführenden Mathias Nothegger, bestand. Die beiden arbeiteten so gut zusammen, dass sie den Vorsprung ins Ziel retteten – den Schlusssprint konnte Kessler dann für sich entscheiden.
Eine tolle Leistung des jungen Leichtgewichts.
Etappe 4: Lokalrunde (98 km, 1.870 hm)
Mit dem Schlussanstieg nach Buggl in Bach (bis 16% steil) sicherlich eine der schwersten Etappen der diesjährigen Tour de Kärnten. Für Koopmann waren die 3. Etappe und die 4. eindeutig die beiden härtesten in Kärnten.
Den Tagessieg schnappte sich Nothegger, gefolgt vorm Strassacker Nils Kessler.
Eine Frage, die mir im Laufe des Gesprächs mit Holger Koopmann kam…
Wie erfolgte der Start bei der Tour de Kärnten? Alle zusammen? In Blöcken?
Der Start erfolgte tagtäglich in separaten Startblöcken, angefangen nach dem Zeitfahren, als die Veranstalter entsprechende Zahlen zur Verfügung hatten, um die Leistungsstärke der Teilnehmer einzuschätzen.
Natürlich mit etwas Vorsicht zu genießen, da einige schwerere Fahrer entsprechend gut im Zeitfahren waren, dafür aber bei Bergetappen keine größere Rolle spielten.
Die Startblöcke wurden dynamisch Tag für Tag auf Basis der Ergebnisse aktualisiert.
Etappe 5: Bad Bleiberg (95 km, 1.310 hm)
„Nein, für die Gesamtwertung hatten wir vor dieser Etappe keine große Hoffnung mehr. Da ging es für uns nur noch um Platz 2 oder 3 mit Nils Kessler!“, Holger Koopmann auf die Frage, ob man sich insgeheim noch etwas ausrechnete bei der vorletzten Etappe der Tour de Kärnten, die mit dem Schlussanstieg nach Bad Bleiberg das Potenzial hatte, die Gesamtwertung kräftig durchzuwirbeln.
Der zweite Platz in der Gesamtwertung war es nun, um den sich Martin Geretschnig und Nils Kessler duellierten.
Zwar wollten Koopmann & Co. an diesem Tag mit 2 oder 3 Mann aufs Podium fahren, aus verschiedenen Gründen sollte das aber nicht mehr klappen.
„Beim 20 km Flachstück kurz vor Schluss hatte unser Christian Thomas mit zwei weiteren Fahrern gut 3 Minuten Vorsprung rausgefahren. Vier Kilometer vor dem Ziel, kurz bevor es flach wurde, hatte Mathias Nothegger sie, aus der Verfolgergruppe attackierend, eingeholt. Christian versuchte noch dranzubleiben, aber nach der kräftezehrenden Flucht keine Chance! Da waren halt teils richtig steile Abschnitte, im letzten, acht Kilometer langen Anstieg, dabei“.
Sich ärgern bringt nix, es galt Kräfte zu schonen, die letzte Etappe sollte mit dem Bergzeitfahren nochmal alle Körner beanspruchen.
Etappe 6: Bergzeitfahren Dobratsch (16 km, 1.140 hm)
Das dicke Brett zum Schluss.
7,1% betrug die ø Steigung, die die 400 Teilnehmer beim finalen Akt noch einmal überwinden mussten.
Fuhr man einzeln oder im Block?
In umgekehrter Reihenfolge der Gesamtplatzierung wurde in 15er-Gruppen bzw. 20er-Gruppen gestartet.
Nils Kessler, Nothegger, Geretschnig und Co. rollten als letzte auf die Strecke. Bereits unten am Anstieg lösten sich Nothegger und Kessler von der Gruppe und fuhren den Tagessieg unter sich aus.
Mathias Nothegger sicherte sich im Anschluss den Tagessieg, Nils Kessler finishte mit einem überragenden zweiten Platz – sowohl in der Tages- als auch in der Gesamtwertung.
Wenn man sich dabei vor Augen führt, dass der junge Kerl eigentlich nur für die Tour Transalp trainieren wollte, eine super Performance.
Chapeau! Vive le Tour!
Fotos: Bernhard Felder, Event Gucker, Nina Elsässer
Abschließende Tipps (!):
1) Verpasse nicht das kommende Interview Sessions Magazin #012 (geplante Veröffentlichung am 1.7.18) – hier führe ich u.a. ein super interessantes Interview mit Stefan Kirchmair.
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