Übermotiviert? Freak? Oder schlichtweg schlauer als die meisten anderen Radler? So waren in etwa meine Gedanken als ich mich als „Rennrad-Rudi“ zum ersten Mal letztes Jahr mit dem Thema Laktattest beschäftigt habe. Schließlich ist solch ein Laktattest preislich mit ca. 120 – 140€ keine ganz günstige Sache. Die einen sagen: „Mensch, höre lieber auf deinen Puls und spare dir das Geld – nach Gefühl in den Herz-Zonen trainieren reicht vollkommen!“. Die anderen schwören auf gezieltes Training und machen mind. einmal pro Saison einen Laktattest. Die Meinungen zu dem Thema Laktattest für Rennradfahrer gehen also auseinander.
Wie ihr meinem Steckbrief entnehmen könnt, bin ich ja auch eher einer derjenigen gewesen, der den ganzen High-Tech Kram als übertriebene Spinnerei abgetan hat. Baumwoll-Klamotten und Riemchenpedalen reichen doch auch. Pulsmesser beim Fahren? Du spinnst doch – hör auf dein Gefühl. So war in etwa meine Einstellung als ich 2013 zum Rennrad kam. Aber, die Zeiten ändern dich.
Haben sie Euch auch geändert?
Von daher war ich auf Eure Meinung gespannt in der Umfrage #002. Macht ihr diese Saison auch einen Laktattest? Ist das Thema für Euch nicht relevant? Oder habt ihr Euch noch gar nicht damit beschäftigt?
Ich muss gestehen: Mit diesem Ergebnis (s.u.) habe ich gerechnet. Denn bei uns Jedermann-Rennradfahrern geht es schon sehr ambitioniert und kalkuliert zur Sache. Rennradfahren findet immer stärker in Performance-KPIs bzw. Fachchinesisch statt, die man ohne „Diplom Velo-Studium“ kaum noch versteht: Watt, KG, Kadenz, IAS, mmol/l, VO2, 50/34, KB, EB olé olé – Fanta 4 mit „MFG“ lassen grüßen.
Das Ergebnis der Umfrage (114 Stimmen) ist folglich mehrheitlich pro Laktattest. Keine wahnsinnig große Mehrheit, aber immerhin.
– Ja, mache ich bzw. habe ich bereits gemacht: 51%
– Nein, kein Thema für mich: 39%
– Vielleicht, noch nicht drüber nachgedacht: 10%
Vor gut 1 Woche war es dann wieder soweit – es ging zum Laktattest. Denn vor der Saison gilt es die Trainingszonen zu bestimmen! Durch mein Interview mit Tim Böhme hatte ich noch einen guten Draht zu den Jungs vom Radlabor. Kante und mir konnte noch ein Termin mit ca. 6 Wochen Vorlaufzeit (krasse Nachfrage!!) am heiß begehrten Freitagnachmittag reserviert werden.
Warum soll ich überhaupt einen Laktattest machen?
Ganz simple Antwort: Du kannst viel gezielter und effizienter trainieren. Können ohne Laktattest die Trainingszonen, wie GA1, GA2 und EB nur per Faustformel bestimmt werden, ist es mittels Laktattest mikroskopisch genau möglich die Trainingszonen zu definieren. Vollends genau wird das Ganze dann noch, wenn man sich anschließend ein Wattmesssystem anschafft wie z.B. SRM. Denn die Herzfrequenz ist leider zu vielen Schwankungen ausgesetzt wie Tagesform, Schlaf etc. Ich habe selber auch noch kein Wattmesssystem, fange aber langsam an drüber nachzudenken. Das Equipment kostet nur leider mind. 2.000€ – wenn das dann die Regierung spitz kriegt. Oh ohhhh! Kante’s Kolumne lässt grüßen.
Wer gezielt trainiert, wird also merken, dass er schneller Fortschritte macht. Das Gefühl ist unbeschreiblich, wenn man feststellt, mit gleichem Aufwand mehr Leistung generiert zu haben.
Ein paar Beispiele aus meinem bescheidenen Rennradleben: Habe ich in 2013 nach einer „Andechs-Tour“ (Münchner Hausrunde) noch Blut und Wasser geschwitzt, war es in 2014 schon deutlich entspannter. Quälte ich mich in 2013 die Sa Calobra Auffahrt noch in 47 Minuten hoch, waren es in 2014 schon schlanke 37 Minuten bei deutlich niedrigerem Puls. Gezieltes Training bringt definitiv was!
Zum Radlabor in München
Letztes Jahr hatte ich meinen Laktattest noch bei einem traditionellen (Sport) Arzt in München, dieses Jahr war es dann mal an der Zeit für die in der Rennradszene omnipräsenten Herrschaften vom Radlabor – getreu dem Motto: Vielfach gelobt, überall präsent – da müssen wir hin.
Geleitet wird das Radlabor in München vom Pascal. Netter Kerl und hochkompetent. Das Radlabor hat den Fokus gelegt auf die Dienstleistungen Leistungsdiagnostik und Sitzpositionsanalyse, was bei uns auf den Rädern liegenden Rennradlern ein echtes Thema ist oder zu einem werden kann. Stichwort Rückenschmerzen – Kante kann ein Lied davon singen, welches keiner hören will.
Darüber hinaus bietet das Radlabor die Möglichkeit an, neueste Wattmesssysteme (SRM) für ein paar Tage auszuleihen. Wer den Gedanken hegt, sich eins zu kaufen, dem empfehle ich vorab mal mit Pascal zu sprechen.
Bleiben wir beim Laktattest.
Ergebnis von meinem Laktattest 03/2015:
Wie immer bei solchen Laktattests fängt es zunächst recht bedächtig an. Beim Radlabor ging es mit überschaubaren 80 Watt los, und alle 3 Minuten wurde der Widerstand um 20 Watt erhöht. Das ist als ob man einen Berg hochfährt und alle 3 Minuten einen Gang höher schaltet – oder grinsend in die Kreissäge springt!
Dem Körper wird alles abverlangt – also die Tage zuvor Kohlenhydrate hamstern und keine Power-Ausfahrten mehr.
Während des Tests wusste ich nicht ob es gut oder schlecht läuft. Mein einziger Richtwert waren die maximal gefahrenen Watt – und hier hatte ich zu kämpfen. Das Ergometer war ein verdammt gut funktionierendes, zu 100% geeichtes SRM Gerät – also kein Ergometer wie im letzten Jahr, wo ich tatsächlich noch mit Riemchenpedalen gefahren bin. Bescheißen unmöglich.
Bei meinem ersten Laktattest letztes Jahr im Mai hatte ich zugegebenermaßen noch das Mallorca Trainingslager in den Beinen und konnte in der max. Stufe 400 Watt für exakt 130 Sek. treten. Dieses Jahr waren es „nur“ 380 Watt für ca. 20 Sekunden. Auf den ersten Blick hat sich Rennrad-Rudi, also ich, verschlechtert.
Auf den zweiten Blick leider auch.
Denn, die wesentliche Kennzahl bzgl. des Leistungsstands ist die getretene Wattzahl in der individuellen anaeroben Schwelle (IAS). Mehr müssen wir Jedermänner fast nicht wissen.
Watt in der IAS (05/14): 287 bei einer 156er Herzfrequenz
Watt in der IAS (03/15): 266 bei einer 170er Herzfrequenz
Fazit meines Laktattests:
Zwar ist die Wattzahl um 21 Punkte (oder 7%) gesunken, bei 2 unterschiedlichen Geräten (also mit Vorsicht genießen), dafür meine Schwellenleistung, was die Herzfrequenz anbelangt, um 14 Schläge nach oben gegangen.
Heißt unterm Strich kann ich in der Schwelle weniger Leistung treten, fange aber was den Pulsschlag anbelangt, später an zu übersäuern. Warten wir mal ab – vielleicht mache ich im Mai 2015 ja noch mal einen Laktattest nach Mallorca.
Nach dem Laktattest gab es selbstverständlich das Ergebnis noch in schriftlicher Form, um die nächsten Monate das Maximum rauszuholen. Watt und Herzfrequenz in den einzelnen Trainingsbereichen sauber auf einen Blick. Alles, was wir wissen müssen, um ein paar Schritte nach vorne zu kommen.
Rennradsaison 2015 – here I come ;-)
Wie ihr wisst: Es geht zwar um nix aber schlussendlich doch immer um Alles!
Euer übermotivierter Freak,
Daniel
5 comments
[…] kann es immer wieder sagen: Macht bitte einen Laktattest – und Ihr kennt Eure Trainingszonen millimetergenau. So war es in meinem Fall. Durch den Test […]
[…] Soweit die einschlägige Fachliteratur und Pascal vom Radlabor. […]
[…] Geld hätte und Pascal die Zeit: Ich würde ihn sofort als Personalcoach verpflichten Seine Trainingstipps im März haben mal sowas von reingehauen. Zu langsam und gemütlich soll ich bis dato immer gefahren sein. […]
[…] Oje, da liegt noch viel Arbeit vor mir. Nach zahlreichen Stichen ins Ohrläppchen gibt es am Ende vor allem den Stich ins Herz und es heißt: nur 266 Watt in der Schwelle. […]
[…] bei 3,8 Watt pro Kilogramm. Das bedeutet eine Verbesserung von 59 Watt (+22%) gegenüber meiner Leistungsdiagnostik im März 2015. Und aufgrund von drei STAPS-Trainingstipps, darf ich mit einer weiteren Verbesserung […]
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