Johannes Heumann nahm am vergangenen Wochenende als SpeedVille Reporter beim Supergiro Dolomiti teil. Obwohl Johannes eigentlich sehr bergfest ist, er finishte den Ötzi im letzten Jahr in deutlich (!) unter 9 Stunden, war es ein richtig dickes Brett, das er da in Osttirol bohren musste. Sein sehr illustrer Erfahrungsbericht nimmt uns mit auf 9 Stunden und 11 Minuten, mitten rein in harte Anstiege und brutal schwere Abfahrten inkl. Schotterpassagen.
Von Johannes Heumann
Der Supergiro Dolomiti ist mit 232 km und 5234 hm, neben dem Ötztaler Radmarathon, der wohl härteste Radmarathon, den es im Alpenraum gibt.
2018 ging er schon in seine fünfte Auflage, was für mich bedeutete, ihn nach 2015 zum zweiten Mal unter die Räder zu nehmen. Vor allem deswegen, weil es damals katastrophale Bedingungen waren, mit sieben Stunden Dauergewitter, Schüttelfrost in der Abfahrt und Anfragen bei den Sanitätern, ob sie mich denn mitnehmen.
Da sie jedoch auf den Besenwagen, der Stunden zurück war, verwiesen, konnte ich genauso gut ins Ziel selbst fahren. Das war wie gesagt in 2015.
Mittlerweile ist 2018. Von der Strecke ist aber fast keine Erinnerung mehr über. Deswegen sollte 2018 ganz anders werden, quasi ein Neuanfang. Schön gemütlich wollte ich fahren und die Strecke genießen, vor allem die italienisch-wildromantischen Dörfer. Das alles natürlich bei strahlendem Sonnenschein.
Ja, so malt man sich es aus, im Winter, wenn man auf seiner Rolle schwitzend sitzt und versucht, sich diese Stunden zu versüßen.
Der Winter verging mal wieder überraschend schnell und da war er nun, der Juni. Am Freitag (8.6.) ging es los nach Osttirol bzw. nach Lienz, die Hauptstadt Osttirols, auch genannt die Sonnenstadt.
Supergiro Dolomiti mit Start in Lienz
Osttirol ist wirklich eine tolle Region, man kann viele Touren starten, ob über Staller Sattel nach Südtirol, über Heiligenblut den Großglockner bezwingen oder eben Hinanter nach Kärnten.
Das Prädikat Sonnenstadt sollte auch mal wieder zutreffen. Waren eigentlich das ganze Wochenende über heftige Gewitter angekündigt, sah und spürte ich keinen einzigen Tropfen.
Von daher schon mal klasse.
Am Sonntag ging es dann also los um 6:30 Uhr morgens. Mit Sonnenschein am Fuße der Lienzer Dolomiten wurde gestartet. Nach dem Startschuss ging es gemächlich in Richtung Kärnten, genauer gesagt Oberdrauburg.
Nach dem Start in Richtung Kärnten
Die ersten 20 km wurden gemächlich zurückgelegt, wusste doch jeder was noch folgen würde, Einfahren sozusagen.
Insgesamt waren etwa überschaubare 300 Teilnehmer am Start, was die Startphase wiederum sehr angenehm machte: Keine Hektik, keine gefährlichen Manöver. So konnte man die sonnengeküssten Gipfel auch noch etwas genießen.
Nach einer guten halben Stunde ging es rechts ab über die Drau hinweg in den ersten Anstieg: Der Gailbergsattel weist sieben Kilometer auf mit gut 5% im Schnitt.
Ich konnte mich im ersten Feld halten und in die Abfahrt nach Kötschach-Mauthen begeben. Dort angekommen, begann auch schon der Plöckenpass, gleichzeitig die Grenze zwischen Italien und Österreich.
Eigentlich ein moderater Pass, der fast ausschließlich im Wald zu fahren ist. Ich war immer noch mit den Favoriten unterwegs, etwas später ließ ich sie jedoch ziehen, da ich nicht überziehen wollte.
Ab hier fuhr ich nun meinen eigenen Rhythmus und sah mich ein bisschen um: Immer noch wunderbare Landschaft, tolles Wetter und kein Gewitter in Sicht.
Traumhafte Landschaft in Friaul
Gegen 8 Uhr morgens war ich dann auf 1346 Meter über Null angekommen und füllte meine Trinkflaschen, die übrigens jedem Teilnehmer beim Supergiro Dolomiti gereicht werden, so ist anhalten nicht zwingend nötig. Ein bisschen wie bei den Profis.
Also ab in die Abfahrt und in das Mutterland des Radsports.
Eine tolle Abfahrt vom Plöckenplass mit vielen Serpentinen stand an. Es ging etwa 25 km nur bergab mit Geschwindigkeiten um die 90 Sachen.
Das Friaul war erreicht, auf das ich mich besonders gefreut hatte. Wunderschöne kleine Dörfer, alles etwas etwas verschlafen und in rosa geschmückt.
Die sind wirklich mit dem Herzen dabei.
Selbst die Oma klatscht Sonntagmorgen aus ihrem kleinen Garten Beifall und feuert noch mit an. Ich kann nur lachen. Einfach toll.
Nach der Abfahrt hat sich eine größere Gruppe von 20 Fahrern gebildet. Die Strecke steigt wieder steil an. Es geht in Richtung Ligosullo, ein Bergdorf.
Die Steigungsprozente steigen auf über 10%, teilweise bis 15. Die Gruppe wird natürlich gesprengt und ich fahre für mich alleine.
Giro Feeling beim Supergiro Dolomiti
Die Beine zwicken schon etwas. Auf diesem Abschnitt kam auch der Giro auf der 14. Etappe vorbei.
Ja, genau die Zoncolan-Etappe.
Ich bekomme etwas Gänsehaut, als ich die Markierung der Bergwertung und die Malereien, die den Giro grüßen, sehe. Nach einer steilen Abfahrt geht es hinunter nach Paularo und jetzt wird es wirklich ernst.
Der Lanzenpass steht an. Wirklich brutal.
Die ersten vier bis fünf Kilometer geht es wieder nur über 10% hinauf. Eine enge Straße, gerade so breit, dass ein Auto darauf fahren kann.
Das Gute, die Auffahrt liegt im Schatten. Im mittleren Teil des Anstiegs steht eine Zwischenabfahrt an, die mit ordentlich Dreck auf der Straße beschmutzt ist, wohl von den Gewittern der letzten Tage. Nicht ganz ohne, vor allem in den engen Kurven.
Die letzten vier Kilometer geht’s dann wieder richtig steil bergan. Es geht nur noch mit 10 km/h voran. Jedoch sind die verbleibenden Kilometer bis zur Kuppe markiert, so dass man gut weiß, wie lange es noch ist.
Oben spuckt einen der Wald auf einen Plateau aus und man hat eine wirklich traumhafte Aussicht. Mitten in den Bergen. Also das war für mich der schönste Moment. So schwer der Anstieg auch ist, aber hier oben der Wahnsinn.
Lanzenpass: brutal schwierige Abfahrt
Dort die Flaschen wieder aufgefüllt, ging es für mich in den Knackpunkt des Tages: die Abfahrt vom Lanzenpass. Wirklich eine äußerst schwierige Abfahrt: steil, eng, viele Serpentinen.
Diese Abfahrt tut nichts Gutes für den Schnitt.
Nein, manchmal ist man sogar langsamer unterwegs. Es liegt zudem auch einiges an Schotter herum. Nach 14 Kilometern, mehr oder weniger Offroad- und Geschicklichkeitstraining, erreiche ich Pontebba.
Man grüßt uns mit einem großen Plakat und wir dürfen eine Runde über den Marktplatz fahren. Wieder tolles Flair: Straßencafés, die Leute applaudieren. Richtig, richtig cool.
Der Wendepunkt ist erreicht.
Es geht zurück nach Österreich, über den Nassfeldpass. 14 km und um die 1000 hm stehen an. Es wird langsam warm. Ein Blick in den Himmel kündigt wohl Regen auf der Passhöhe an.
Der Pass lässt sich sehr gleichmäßig fahren und ist nicht übermäßig steil. Vier Kilometer vor dem Pass stelle ich fest, dass das Vorderrad ohne Luft ist, muss ich mir wohl beim Lanzenpass eingefangen haben.
Also, Boxenstopp.
Ganz so schnell, wie im Motorsport geht es nicht. Zehn Minuten kostet mich der Spaß. Mittlerweile tröpfelt es, mehr aber auch nicht. Tut richtig gut, die Abkühlung. Oben angekommen geht es Richtung Gailtal.
Eine schnelle, schöne Abfahrt. Im Tal angekommen, geht es mit Rückenwind zurück nach Kötschach-Mauthen. 25 km sind es, leicht ansteigend, glücklicherweise mit etwas Rückenwind.
Wir sind zu fünft und wechseln uns gut ab, nichtsdestotrotz, ich finde, solche „Flachstücke“ ziehen am meisten Körner.
Mittlerweile ist man sechs Stunden unterwegs. In Kötschach-Mauthen angekommen, gibt’s als Dessert noch den Kartitscher Sattel. Es ist ein einziges Auf und Ab. Links und rechts.
Zurück ins Ziel durch das Leschtal
Wir durchfahren die Dörfer des wunderschönen Leschtals, jedoch hat man das Gefühl man kommt nicht von der Stelle und das nach sieben Stunden. Einige Hundert Meter steil bergauf, Zwischenabfahrt, wieder bergauf wieder runter.
Das geht in etwa 35 km so. Und es zieht sich. Da hat die mentale Ebene wirklich richtig Spaß. Ich denke nur noch in Fünfkilometerschritten – so kommt man irgendwann scheibchenweise ans Ziel.
Nach etwa knapp zwei Stunden ist die Passhöhe erreicht und es geht 37 Kilometer nur noch bergab ins Ziel nach Lienz. Direkt in der Innenstadt. Nach 9:21 Stunden bin ich im Ziel. Total zufrieden mit so einem tollen Tag.
Supergiro Dolomiti vs. Ötzi?
Die Sieger beim Supergiro Dolomiti brauchen etwa 20 Minuten länger als beim Ötztaler und so ist es auch bei mir. Ich bin letztes Jahr 8:50 Stunden beim Ötzi gefahren, zieht man noch die zehn Minuten Reifenwechsel ab, kommt man auf 9:11 Stunden Fahrtzeit.
Der Supergiro Dolomiti ist eine echte Herausforderung, da er technisch schwierig(er) ist, er ist zudem noch recht früh im Jahr. Eine tolle Alternative zum Ötztaler Radmarathon.
Weiterer Vorteil: Hier kann man sich noch anmelden und braucht kein Losglück. Weiterer Pluspunkt, man fährt durch tolle Landschaften und die Organisation ist auch top.
Streckenposten stehen an jeder wichtigen Stelle und Trinkflaschen werden gereicht. Wo gibt’s bitte sowas?
Eine rundum tolle Sache.
Fotos: Johannes Heumann
Abschließende Tipps (!):
1) Verpasse nicht das kommende Interview Sessions Magazin #012 (geplante Veröffentlichung am 1.7.18) – hier führe ich u.a. ein super interessantes Interview mit Stefan Kirchmair (Themen: Ausstieg als Profi, seine Zeit als Jedermannfahrer, wie er den Ötzi sieht, sein heutiges Leben).
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