Als Rennradfahrer sollte man einmal im Leben mit dem Rad über die Alpen gefahren sein. Angebote dafür findet man im Netz zur Genüge. Eine besonders interessante Alpenüberquerung bietet der Rennradreise-Veranstalter Biketeam Radreisen mit der „Route des Grandes Alpes“ an: Während des 9-tägigen Rennradurlaubs führt die traumhafte Tour vom Genfer See südwärts zum Mittelmeer bei Nizza. Als besondere Leckerlies werden Radsporthighlights der Tour de France wie L’Alpe d’Huez aber auch der Galibier mit in die Radreise inkludiert. Wie so eine Rennradreise en detail abläuft, beschreibt Guide Wolfram im Interview. Das Interview haben wir im Sommer 2016, kurz vor der Route des Grandes Alpes, durchgeführt…
Biketeam Radreisen Guide Wolfram über die Route des Grandes Alpes
Wolfram, seit drei Jahren bist du als Guide bei den Rennradreisen vom Biketeam aus Freiburg aktiv. Wie kam es dazu?
Es macht einfach super viel Spaß, mit den Leuten durch die Gegend zu fahren und ihnen Sachen zu zeigen, auf die sie normalerweise nicht gekommen wären.
Auf wie viel km kommst du inkl. der Rennradurlaube im Jahr?
8.000 km sind das ungefähr.
Was müssen die Reisegäste tun, damit du nachts vor lauter Wut eigentlich nicht schlafen kannst?
Vorweg einmal: Man sollte seine Stimmung nicht komplett von der Gruppe abhängig machen. Du solltest auch eine gewisse Ruhe verbreiten. Naja, was den Puls nach oben treibt: Wenn die Leute nachts schnarchen (lacht). Ich als Guide schlafe ja auch häufig mit den Gästen in einem Zimmer. Also mit denjenigen, die kein Einzelzimmer gebucht haben – es ist ja ne Art Lotterie, mit wem du dann die Woche im Zimmerchen schläfst. Also wenn da einer anfängt zu schnarchen, da hast du halt Pech gehabt. Was mich auch noch komplett fertig macht ist, wenn Leute Volksmusik hören. Wenn die Musikauswahl völlig konträr ist zu dem, was ich sonst immer höre. Gut, kann jeder machen, was er will.
Was machst du, wenn er dann schnarcht?
Also ich würde erstmal zwei, drei Nächte abwarten. Und irgendwann kennt man sich ja auch so gut, dass man ihn auch mal anstupsen kann. Oder ne Runde spazieren gehen. Fahrradfahren bei Dunkelheit nicht, aber letztendlich sind es ja Gäste und da muss man schon etwas Rücksicht nehmen. Aber das kriegt man schon hin.
Wie läuft das in deinen Gruppen mit dem gemeinsamen Tempo ab?
Grundsätzlich machen wir es ja so, dass jeder sein eigenes Tempo fahren kann. Ich als Guide habe den riesen Vorteil, dass ich immer im hinteren Drittel rumfahre. Ich muss ja aufpassen, dass mir hinten niemand rausfällt.
Wir haben das jetzt schon ein paarmal gehabt. Wir hatten mal eine Gruppe mit sechs, sieben „Sprintern“ dabei. Denen musste man in der Morgen- oder Abendansprache sagen, wo sie langfahren müssen. Weil es passieren kann, dass die vorfahren und schon zwei Tage früher am Mittelmeer sind, wobei wir eigentlich noch ein paar Berge mitnehmen wollten.
Es ist halt alles eine Frage der Absprache. Und wir machen ja immer ein Picknick zwischendurch. Wir starten ja morgens um 9 Uhr, dann gibt’s mittags ein Picknick, so dass die Gruppe möglichst wieder beim Picknick zusammenkommt. Das heißt, nach drei, vier Stunden hat man sie alle wieder auf einem Haufen und kann dann nochmal ein paar Tipps und Hinweise geben, wenn sie dann wieder los düsen wollen, worauf sie achten sollen. Also da kann jeder sein eigenes Tempo fahren. Man muss nur hinten aufpassen, dass keiner verloren geht. Ist bisher glücklicherweise auch noch nicht passiert.
Hast du von allen Teilnehmern die Handynummer für Notfälle?
Ja, wir haben die Handynummern, die haben ja auch unsere Nummern. Vor allem vom Hauptverantwortlichen, vom Arnold. Die dürfen sie nicht verlieren. Wir bitten sie auch, diese einzuspeichern, so erreichen wir uns immer. Und da wir immer mit Begleitfahrzeugen unterwegs sind, können wir die Gäste auch problemlos wieder einsammeln. Kein Problem.
Bekommen die Gäste ein GPS-Gerät, in dem die Tour aufgezeichnet ist?
Ja, vorab können sie sich die Tour downloaden. Das machen aber nicht alle. Es gibt einige, die machen das super gerne, die kannst du auch in einer schnellen Gruppe losschicken mit dem Navi. Über die Hälfte fährt aber ohne. Die sollen einfach mit einem Guide fahren und die herrlichen Alpen genießen.
Wie läuft das mit den Handzeichen und den Regeln bei Euch in der Gruppe?
Die meisten kennen das. Also die Grundzeichen sollte man am Anfang nochmal durchgehen. Also „Stopp“ oder das „Ampel“ Zeichen. Was wir nicht machen, ist jedes Schlagloch zeigen oder jede Rinne. Bei größeren Sachen aber schon.
Thema Pannenhilfe. Habt ihr immer ein Begleitfahrzeug dabei?
Ja, der große Vorteil bei uns ist, dass immer ein Wagen vorne weg fährt, der das Picknick vorbereitet. Das ist auch das Besondere bei uns. Unterwegs gibt es immer ein Picknick. Mit Aufklappstühlchen, frischem Kaffee, Baguette etc. Sehr nett das Ganze.
Und wenn es so sein sollte, dass ich mitten in der Prärie einen Platten habe und den Schlauch gerade nicht dabei habe, dann können uns die Kollegen aus dem Begleitfahrzeug aushelfen. Aber in der Regel haben die Gäste ihr Zeug dabei.
Hast Du hin und wieder ein paar Heißdüsen in der Gruppe, die sich mit dem Guide messen wollen?
Nein, überhaupt nicht. Das Konzept vom Biketeam ist ja, dass jeder sein eigenes Tempo fährt. Wer heizen will, kann vorne weg heizen, wer langsam fährt, fährt langsam. Aber wir hatten bis jetzt noch niemanden dabei, der extrem geschlichen ist. Oder überhaupt jemanden, der noch nie auf einem Rennrad saß. Glücklicherweise. Aber selbst wenn das so wäre, bei uns geht keiner abhanden. Jeder soll so fahren wie er will. Der Sinn der ganzen Sache ist ja, dass man seinen Spaß hat und sich bei dieser traumhaften Tour die Berglandschaft anguckt (lacht).
Wie alt würdest Du sagen sind die Gäste bei Eurer Route des Grandes Alpes im Schnitt?
Die Jüngsten sind um die 30, die Ältesten so 65-70. Aber ganz ehrlich? Die Rentner sind die Härtesten, die haben nämlich die meiste Zeit und das meiste Geld. Geld, was die Ausrüstung betrifft und Zeit, was das Training betrifft. Die fahren dir mal flott eben weg. Der Hammer.
Als Guide für das Biketeam fährst du vom Genfer See über die Alpen zum Mittelmeer. Beschreibe uns mal, warum man diese Tour (Route des Grandes Alpes) unbedingt fahren sollte.
Die Tour sollte man unbedingt fahren, weil es die originale Route des Grandes Alpes ist. Einmal im Leben sollte man das einfach gefahren sein. Des Weiteren machen wir den Abstecher nach L’Alpe d’Huez, der zwar transporttechnisch etwas schwierig ist, aber das sollte man mit dem Rennrad auch einmal gemacht haben – mindestens. Was ich auch sehr reizvoll finde, ist der Picknick-Service: Du bist drei, vier Stunden im Sattel. Hinter der nächsten Bergkuppe steht der Wagen und wenn du die geschafft hast, kannst du erstmal in Ruhe futtern, das ist sehr schön. Dann sollte man das Team drumherum auch nochmal nennen – vor allem den Arnold.
Das sind alles Rennradbekloppte! (lacht)
Wir haben einfach Bock auf die Geschichte. Ich finde es ja auch wichtig, dass die Leute das mitkriegen, dass man es nicht nur als Job sieht. Ich behaupte das jetzt einfach mal für die anderen, wir machen das, weil wir einfach extrem viel Spaß dran haben. Ich freue mich jetzt schon wieder drauf, es geht ja bald wieder los. Wenn du oben auf dem Bonnet stehst und in Richtung Mittelmeer guckst, einfach nur herrlich.
Als Guide erlebt man bei einem mehrtägigen Rennradurlaub sicherlich allerhand skurrile und lustige Geschichten. Was lässt dich heute noch schmunzeln?
Ja, da gibt es ganz klar eine Geschichte. Wir hatten mal einen Gast dabei mit einem superteuren Rennrad: 6.000 € hat das Ding sicherlich gekostet und wurde ihm erst einen Tag vor Reisebeginn geliefert. Das heißt, er konnte es nicht einfahren. Nach zwei Tagen hat er dann gemerkt, dass das Tretlager knatscht wie verrückt.
Und der Arme hat sich dann acht Tage lang mit einem knarzenden Tretlager die Berge hochgequält. Man hat immer gehört, wenn er von hinten kam. Der hat mir wirklich leidgetan. Er hat geschimpft wie ein Rohrspatz, konnte aber nichts machen. Wie hatten auch keine Zeit, das Tretlager mal irgendwie auseinander zunehmen.
Höhepunkte Eurer Route des Grandes Alpes sind die Befahrung des Col du Galibier und die Auffahrt nach L’Alpe d’Huez. Schaffen Eure Gäste diese Anstiege problemlos?
Das ist ganz unterschiedlich, hängt auch vom Wetter ab. Letztes Jahr hatten wir auf dem Galibier 4°C und Nebel. Aber so einen Nebel, dass man überhaupt nichts mehr gesehen hat. Der Vorteil ist ja wie eben gesagt: Oben wartet immer der Begleitwagen! Das heißt, dass die Gäste nicht mit ihrem kompletten Zeugs im Trikot hochfahren müssen, das ist dann alles oben im Wagen sauber verstaut – und schont Energie! Wer aber keinen Bock hat, sich weiter zu quälen, der dreht einfach um. Bei uns gibt’s keinen Gruppendruck. Das wissen auch alle.
Wir hatten letztes Jahr sogar einen dabei, der hatte einen Motor am Rad. Kein richtiges E-Bike. Der hatte Knieprobleme schlicht und einfach. Er hatte uns davor noch gefragt, ob er mit dem Motor überhaupt mitfahren dürfe. Na klar, uns ist das egal. Der hatte nur das Problem, dass ihm nach drei Tagen der Motor „verratzt“ ist und er dann normal, ohne Unterstützung, hochfahren musste (lacht).
Um auf die Frage zurückzukommen: Wer es nicht schafft, setzt sich in den Begleitbus. Das hatten wir auch schon gehabt. Da wird auch keiner blöd angeguckt. Wir machen keinen Hochleitungssport. Ich habe es bisher noch nie erlebt, dass wenn einer in den Bus gestiegen ist, etwas Doofes gesagt worden ist. Und wenn, dann würde ich mir die Leute freundschaftlich im 4-Augengespäch zur Brust nehmen. So etwas gibt’s bei uns nicht.
Was macht ihr eigentlich abends nach der Etappe bei Euren Radreisen? Trinkt ihr ein Bierchen, geht jeder schnell ins Bett? Wie kann man sich das vorstellen
Immer gemeinsam essen. Immer. Das geht meistens so bis halb zehn, und danach fallen die Leute tot ins Bett. Vorher wird aber noch gefachsimpelt, über allerlei gequatscht – wir lassen den Tage Revue passieren und schauen auf die nächste Etappe. Das ist einfach eine klasse Sache.
Nach acht Tagen und knapp 18.000 hm auf 750 km erreicht ihr das Mittelmeer bei Nizza. Ein traumhaftes Gefühl oder? Wie schaut Eure Belohnung aus? Beschreib mal diesen Augenblick.
Das ist wunderbar. Wenn du die letzten Meter, den letzten kleinen Pass runtergefahren bist – wir fahren dann durch Menton – dann bist du schon sehr schnell an der Promenade. Dann gibt’s da so ein komisches Denkmal in Menton, witzigerweise auch mit einem Fahrradfahrer drauf, da machen wir dann meistens das Abschlussfoto.
Anschließend heißt es aber: Klamotten aus und in der Radhose ins Mittelmeer. Was Schöneres gibt’s gar nicht. Wunderbar. Und dann mit der vollgesogenen Radhose ins Hotel radeln. Herrlich.
Cool, klingt sehr gut. Bald geht’s wieder los: Bist du heiß?
Ja sicher. Ich bin auch gut im Training, sieht alles soweit gut aus.