Für viele Rennradfahrer ist das Finishen des Ötztaler Radmarathons einer der großen Träume im Leben: Einmal dieses Wahnsinnsrennen mit knapp 240 km und 5.500 Höhenmetern erfolgreich bestehen. Nadja Prieling hat den Ötztaler Radmarathon bereits mehrfach gefinisht, mit ihren 8:02 Stunden in 2015 landete sie sogar auf einem starken zweiten Platz. Es wird mal Zeit für etwas Neues: In diesem Jahr holt die 34-jährige Tirolerin den Hammer raus und möchte an 10 aufeinanderfolgenden Tagen unglaubliche 10 Mal den Ötzi fahren. Nadja Prieling, wie kommt man bitte auf so eine verrückte Idee?
Als mir Fotograf Peter Lintner vor ein paar Wochen zusteckte, dass Nadja Prieling Ende August, nach Robert Petzolds Höhenmeterweltrekord, das nächste irre Radsportevent durchführt, konnte ich seinen Worten zunächst gar nicht glauben, dachte eher er will mich verarschen: Nadja Prieling möchte in diesem Jahr an zehn aufeinanderfolgenden Tagen zehn Mal den Ötztaler Radmarathon fahren: „Ötztaler 9+1″ ist die simple wie schmerzhafte Rechnung – gleichzeitig auch Name des Projekts.
Die ersten neun Tage – los geht’s am 19. August – fährt Nadja den Ötzi ganz für sich allein, ihren 10. Ötztaler, wenn sie schon 49.500 Höhenmeter in den Beinen hat, fährt sie dann am 28. August mit 4.000 weiteren Teilnehmern beim offiziellen Ötztaler Radmarathon. Absoluter Wahnsinn!
Nach den zehn Tagen liest sich ihre bescheidene Bilanz wie folgt: 2.380 km und 55.000 Höhenmeter!! Im Vergleich zu diesen Zahlen wirken Robert Petzolds 22.622 Höhenmeter fast wie ein Ausflug ins Freibad.
Wie kam Nadja Prieling, deren bisherige Bestzeit für den Ötzi bei knapp über 8 Stunden liegt, auf diese Idee? Wie wird das Event logistisch ablaufen? Wie ist ihre Pacingstrategie und auf welchen Kanälen können wir ihr folgen?
Nadja Prieling über ihren „Ötztaler 9+1“
Es scheinen die Wochen der verrückten Radevents zu sein: Nach Robert Petzolds Weltrekord in Holzhau, möchtest du jetzt insgesamt 10 mal nacheinander den Ötztaler fahren. Wie kommst du bitte auf diese Wahnsinnsidee?
Als Wolfgang Mader vor zwei Jahren dieses Vorhaben plante (er musste aufgrund des Schlechtwetters abbrechen), kam mir sofort der Gedanke, dass das auch was für mich wäre.
Mich begeistert das Zusammenspiel zwischen Körper und Geist bei solchen außergewöhnlichen Herausforderungen. Eine hervorragende Gelegenheit der Weiterentwickliung auf allen Ebenen.
Also keine Wette, die du verloren hast?
Nein, es gab keine Wette.
Mich begeistert das Zusammenspiel zwischen Körper und Geist bei solchen außergewöhnlichen Herausforderungen
Wie wird dieses Event „9+1“ zeitlich und logistisch ablaufen?
Ich bin mit meinem Team, das aus zehn radsportbegeisterten Familienmitgliedern und Freunden besteht, im Hotel Castello Falkner in Sölden untergebracht. 10 Tage vor dem eigentlichen Ötztaler Radmarathon, also am Freitag, dem 19.08.2016, stehen für mich die ersten 238 Kilometer und 5.500 Höhenmeter an. Wenn am Sonntag, dem 28.08.2016 der Startschuss zum Ötztaler Radmarathon fällt, werde ich diese Strecke bereits neun Mal absolviert haben. In Begleitung von über 4.000 Radsportlern gehe ich auf die 10. und letzte Runde. Begleitet werde ich von einem Betreuerfahrzeug, das für Verpflegung und falls benötigt Ersatzmaterial sorgt. Um in den Flachpassagen und Abfahrten Körner zu sparen, ist mein Team auch für die Begleitung mit dem Rad zuständig.
Werden sie dir Windschatten spenden?
Genau, auf den Flachstücken oder auf dem Weg zum Brenner ist das natürlich schon eine große Hilfe.
Seit wann trainierst du gezielt auf dieses Event hin?
Die Vorbereitungen laufen schon seit letztem Herbst. Organisatorisch eine spezielle Herausforderung für mich. Trainingstechnisch hab ich die ganze Saison auf Langdistanzrennen ausgerichtet. Kilometer und noch mehr Höhenmeter sammeln stand 2016 im Vordergrund.
Wie viel Höhenmeter und Kilometer hast du denn bis dato „auf der Uhr“?
Ich trainiere im Winter sehr wenig auf dem Rad, d.h. zwischen Dezember und Anfang März sitze ich ungefähr 40 Stunden auf der Rolle. Auf der Straße waren es in 2016 ca. 9.000 Kilometer und 150.000 Höhenmeter.
Wie sah das Training für das 9+1 Vorhaben konkret aus?
Das Training selbst sieht eigentlich ähnlich aus wie in den letzten Jahren, wenn ich mich auf den Ötztaler vorbereite: Ich war im Juli wieder im Hotel Lac Salin in Livigno im Höhentrainingslager. Das habe ich heuer schon zum vierten Mal gemacht und bringt mir unglaublich viel. Livigno ist für mich ein ganz besonderer Ort, hier kann ich richtig gut abschalten und Energie tanken. Die letzten Tage bevor es losgeht, steht die Regeneration natürlich an oberster Stelle.
Wovor hast du bei diesem Vorhaben am meisten Angst bzw. Respekt?
Angst hab ich keine, aber natürlich riesigen Respekt: Wenn das Wetter über mehrere Tage schlecht ist, wird die ganze Sache sicher extrem schwierig. Das ist aber eine Sache, die ich nicht beeinflussen kann, darum zerbreche ich mir darüber jetzt erst gar nicht den Kopf.
Damit du die zahlreichen Höhenmeter in den aufeinanderfolgenden Tagen gut packst: Wie ist deine Pacingstrategie in den Bergen?
Wichtig ist, dass ich auf keinen Fall überziehe, denn das wird sich mit Sicherheit rächen. Wir werden täglich um 6:15 Uhr morgens starten und hoffentlich nach 10-12 Stunden wieder in Sölden sein. Ob das immer so klappt werden wir sehen (lacht).
Im Rennen klebe ich mir die Anzeige immer zu. Bei dieser Herausforderung wird es wohl am vernünftigsten sein, die 200 Watt nicht dauerhaft zu überschreiten
Kannst du uns einen Indikator geben, mit wie viel Watt du im Schnitt die Berge hochfährst?
Ach, die lieben Watt! Ich besitze zwar mittlerweile eine Wattkurbel, bin aber nach wie vor eine absolute Gefühlsfahrerin. Im Rennen klebe ich mir die Anzeige immer zu. Bei dieser Herausforderung wird es wohl am vernünftigsten sein, die 200 Watt nicht dauerhaft zu überschreiten. Verrückt machen lass ich mich aber auch in diesem Fall nicht. In erster Linie zählt das Gefühl!
Wird es im Rahmen deines „9+1“ Events eine Art Show mit Zuschauern geben oder machst du das „still und heimlich“ nur für dich?
Ich bin mir sicher, dass ich mit meinem genialen Team genug „Show“ haben werden. Es werden unvergessliche Tage, da bin ich mir sicher. Die Zieldurchfahrt beim Ötztaler Radmarathon sorgte auch die letzten Jahre für Gänsehaut. Ich denke, das wird heuer nicht anders sein und darauf freue ich mich schon riesig.
Wie können dir die interessierten Leser bei diesem Vorhaben folgen?
Ein Live-Tracking ermöglicht allen begeisterten Radsportfans einen genauen Einblick, wo ich mich gerade befinde. Der Link dazu ist auf meiner Homepage zu finden.
Auf Facebook wird es immer wieder aktuelle Bilder und Videos zu sehen geben und ein Bericht über die Ereignisse des Tages wird auf meiner Webseite zu lesen sein.
Private Frage: Du gehörst zu den stärksten weiblichen Jedermann-Fahrerinnen im DACH-Raum. Kann dein Freund beim Trainieren überhaupt mithalten?
Mein Freund fährt ca. 4.000 Kilometer im Jahr, also ungefähr ein Drittel meiner Jahreskilometer. Naja, im flachen Gelände lässt er sich nur schwer abschütteln, am Berg sieht die Sache etwas anders aus. Er wird heuer das erste mal den Ötztaler Radmarathon fahren. Ich bin gespannt, ob ihn auch der „Ötztaler-Virus“ erwischt.
Bei Spaßausfahrten in der Gruppe hast du bestimmt schon mal den einen oder anderen Radfahrer daheim geärgert, der dich nicht kannte und sich gedacht hat: „Der jungen Dame zeige ich es jetzt mal“! Stelle ich mir lustig vor…
Da gab es schon die ein oder andere Situation. Es kommt immer wieder vor, dass es Kollegen gar nicht so witzig finden, wenn eine Frau schneller ist. Bei einer netten Ausfahrt lass ich mich aber selten zu einem Kräftemessen hinreißen und schalte bewusst noch einen Gang zurück. Dann bleibt es meistens auch eine gemütliche Ausfahrt.