Tim Farin, freier Journalist aus Köln, schreibt seit 2005 für TOUR, außerdem für das Fachmagazin velobiz.de und viele andere Medien. Zusammen mit dem Düsseldorfer Fotografen Philipp Hympendahl veröffentlichte er 2014 das Buch Beyond the Finish Line, das Anfang 2016 vom Heel Verlag auf Deutsch publiziert wurde.
Tops 2016: Gerne wieder in 2017…
1) Ich könnte jetzt natürlich über Sagan was sagen, der ja schon bei der Flandernrundfahrt total beeindruckend gefahren ist – aber das werden wohl viele tun, deswegen erinnere ich gern an die vom Megathema Motordoping überschattete Radcross-WM im belgischen Zolder: Das Herren-Rennen dort war ein ziemlicher Hingucker, mit dramatischen Wendungen, einem schwächelnden Titelverteidiger Mathieu van der Poel und einem bis zum Schaltfehler des Niederländers Lars van der Haar kurz vor Schluss packenden Finale. Dass dann mit Wout van Aert ein junger Flame vor den grölenden Fans im kalt-feuchten Winterwetter den Titel holte, passte.
2) Die letzten paar Tage beim Giro d’Italia waren ziemlich beeindruckend, weil alles zusammenpasste, zumindest für die italienischen Beobachter und Fans atemberaubender Radabenteuer. Wie Vincenzo Nibali noch den Gesamtsieg an sich riss und dabei die Konkurrenten auf den harten Bergetappen in den westlichen Alpen überwand, das feierten die italienischen Kollegen natürlich mit Inbrunst. Dazu kam aber auch eine Szenerie, die sich sehen lassen konnte, mit Schnee und Nebel am Colle dell’Agnello und einem Ritt über gleich drei Pässe der obersten Kategorie am Vorschlusstag bei strahlender Sonne. Für mich der Bonus: Als Beifahrer auf der Auto-Rückbank neben Giro-Organisator Mauro Vegni zu sitzen.
3) Eine empfehlenswerte Veranstaltung in den Alpen für Jedermann: Der Gran Fondo Sportful in den Dolomiten mit Startort Feltre. Hier trifft man auf eine geballte Ladung bergerfahrener und bissiger italienischer Rennradfahrer, die sich gemeinsam auf eine 204 Kilometer lange Runde mit fast 5.000 Höhenmeter wagen. Das hat Ötzi-Charakter.
Flops 2016: Bitte nicht nochmal in 2017…
1) Aus meiner Sicht ist der – zu erwartende – Tiefpunkt des Jahres 2016, was die New York Times wie folgt beschrieb: „Team Sky wollte über Doping steigen und landet im Ethik-Sumpf“. Ganz subjektiv erinnern mich die Vorgänge beim britischen Profiteam – und im britischen Radsportboom – schon seit langer Zeit an das, was wir in Deutschland vor nicht allzu langer Zeit erlebt haben. Vielleicht ist es leicht, das im Nachhinein zu sagen, aber auf mich wirkt dieser Aufschwung seit Langem unglaubwürdig, was die gesamte Argumentation anbelangt. Nun stecken die Manager und die wichtigsten Fahrer – ja auch nicht erst seit den Enthüllungen um medizinische Ausnahmegenehmigungen – in einer dauerhaften Rechtfertigungsfalle. Ich bin gespannt, was die offiziellen Untersuchungen und die Arbeit der Kollegen in Großbritannien ans Licht bringen – aber auch verwundert darüber, wie wenig aus Enthüllungen folgt, beispielsweise aus der Geschichte um den vermeintlichen Londoner Dopingarzt Mark Bonar.
2) Die Radsport-WM in Qatar. Sorry, ich bleibe dabei, auch wenn ich nicht zur WM gefahren bin und mir dort kein eigenes Bild gemacht habe: Das war eine Veranstaltung, der man seit Jahren schon anmerkte, welche Motivation dazu geführt hat, dass sie stattfand – nämlich die politischen Ambitionen Qatars, auf der Welt möglichst stark durch Ausrichtung internationaler Top-Events internationales Renommee zu ergattern. Das wäre ja legitim, aber in Verbindung mit dem Wetter und dem Mangel an Zuschauern wirkt es doch allzu sehr nach Retorte.
3) Mein persönlicher Saisonverlauf hat mir auch die allerletzten Ambitionen geraubt, die Profilizenz für 2017 zu ergattern. Sowohl der frühe als auch der Hochsommer krankheitsverseucht – ebenso wie der gesamte Oktober. Das war nix. Nicht nur die geplante Königsetappe mit 5.000 Höhenmetern im Schwarzwald fiel den Streptokokken zum Opfer.