Kante Kowalskyie ist ein Unikat. Einzig, nicht immer artig. Nach monatelanger Recherche für sein neues Bike ist er als logische Konsequenz auf Einhorn Bikes gestoßen. Mitten in der oberbayrischen Provinz zwischen Kuhstall, traumhaftem Alpenpanorama und sehr, sehr viel Passion für Rennräder. Kante nimmt uns in diesem ersten Teil mit auf seine Reise zum 100% individuellen Titanbike. Ein Verkaufsgespräch, bei dem jeder McKinsey-Berater Sodbrennen bekommt.
Von Kante Kowalskyie
Einhorn?
Wer jetzt an die regenbogenartige Kommerznummer mit aller Art Plastiknippes und Regenbogenkotze denkt, ist auf dem Holzweg. Was würde sowas auch hier auf SpeedVille zu suchen haben?
Eben. Nüscht.
Die Marke Einhorn ist seit vielen Jahren ein Geheimtipp für Radliebhaber, die etwas Einzigartiges und Individuelles suchen – jenseits von der „Stange“ aus einer taiwanesischen Carbonbackfabrik.
2008 als Hobbygründung nach dem Studium begonnen, werden heute etwa 40 Räder pro Jahr aus Titan, Stahl, Edelstahl und Carbon gefertigt: Rennräder, Crosser, Tourer und Mountainbikes stehen zur Wahl.
Einhorn: Unique Custom Bikes
Bei Einhorn geht es um Unique Custom Bikes. Also um Einzelstücke. Jedes Rad wird in akribischer, ja fast schon detektiv-psychologischer Kleinstarbeit, durch Christoph mit dem Kunden besprochen.
Ich habe mich auf das Experiment Einhorn eingelassen und mich in die „Höhle des Einhorns“ zum Samerberg begeben, um mit Gründer Dr. Christoph Lindner zu einem Kennenlernen und zu einem ersten Beschnuppern zu treffen – denn:
Nicht jeder bekommt ein Einhorn!
Da ist man als Kunde nur zu 50% der Entscheider. Wenn die Chemie nicht passt, dann kriegst Du auch keins. So einfach.
(Spoiler Alarm: Ich hatte einen guten Tag und auch ein wenig Glück.)
Ich habe einen Radsportenthusiasten mit langjähriger Radsport- und Triathlonerfahrung kennengelernt, der nicht nur mein Bild von Anwälten nachhaltig verändert hat.
Eine großartige und herzliche Persönlichkeit – ein Bayer eben.
Einhorn: Das steckt alles hinter deinem unique Bike!
Samerberg, ein umgebauter Kuhstall, ein Anwalt, wahnsinnig viele Räder und Teile – und ich völlig verwirrt mittendrin. Wie kommt man als Anwalt dazu, einzigartige Räder zu bauen, die dann auch noch Einhorn heißen?
Der Reihe nach: Der Beruf Anwalt ermöglicht es mir, der Leidenschaft des individuellen Fahrradbauens nachzugehen. Dass wir Räder für Individualisten bauen, die je nach Grad der Benutzung in der Regel ein Leben lang halten, muss man natürlich auch einem Beruf nachgehen, der konstant die Familie ernährt.
Und was ist einzigartiger als die Kreatur Einhorn?
True. Gibt es den klassischen Einhorn-Kunden oder kommt vom Anwalt bis zum Zementbauer einfach jeder, der gerne Rad fährt und was Besonderes möchte?
Das macht es so schwierig und spannend zugleich. Da wir keine homogene Zielgruppe haben, wird jeder Kunde individuell beraten und es wird optimal auf seine Wünsche und Bedürfnisse eingegangen. Gerade hatten wir einen jungen Kunden, der die Wahl hatte zwischen dem ersten Auto und einem Titanbike von uns.
Das Rad ist auf jeden Fall die umweltverträglichere Variante. Guter Mann.
Eine Investition fürs Leben.
Ich lass mir ja jetzt auch ein Rad von Euch bauen. Wird mein Geschenk an mich zum XX. Geburtstag (Kante ist quasi alterslos).
Ich denke wir bekommen etwas Zeitloses, aber auch Topmodernes in Sachen Ausstattung für Dich hin.
Unique Modellnamen bei Einhorn
Ich wollte ja schon immer ein Titanbike. Habe eins bei Euch auf der Website gesehen: Nummer TI142. Kann ich das so haben?
Die Räder sind, wie Du bemerkt hast, durchlaufend nummeriert und das TI142 gehört natürlich schon jemandem. Wir sind im Moment bei Nummer 233 angekommen.
Kann ich die Nummer 666 haben?
Dann musst Du warten, bis wir weitere 433 Räder gebaut haben. Bei etwa 40 Rädern im Jahr, sehen wir uns 10 Jahren wieder.
Ok… Habe verstanden…
Uns geht es darum, nachhaltig und lokal – so gut es geht – mit den Ressourcen umzugehen. Deswegen wird es bei uns nie Rahmen aus Fernost geben.
Und wo kommen dann Eure Rahmen, z.B. die aus Carbon, her?
Die Rahmen lassen wir bei verschiedenen Rahmenbauern in Deutschland und Italien fertigen, die auch für andere Marken hochpreisige Räder fertigen. Wer und wo kann ich im Detail nicht verraten, aber soviel kann ich preisgeben: Die Titanrahmen werden in Südtirol gefertigt.
Oh je… Die Italiener schon wieder… (siehe Kantes Kolumne: Italien hätte fast gewonnen. Flashback. Italien hat gewonnen.) Verdammt!
Steuerberater mit Puls
Dann wird das ja ein teurer Spaß hier mit uns beiden und meinem Titanrenner?
Wir hatten in den letzten Jahren immer wieder den Steuerberater hier sitzen, der uns geraten hat, den Betrieb aus wirtschaftlichen Gründen einzustellen.
Das heißt, wir erwirtschaften keine großen Margen oder Gewinne mit den Einhörnern, aber wir lieben was wir tun und wenn in manchen Jahren der private Geldbeutel herhalten muss, dann ist das so.
Nur erzähl das bitte nicht meiner Frau.
Wie wollen wir nun verfahren? Ich möchte ein Titanrennrad mit ganz bestimmten Komponenten und ich habe ja nun nicht die Standardmaße eines Radsportlers. Und auch ganz bestimmte Vorstellungen zu allem.
Dann muss ich Dich jetzt nach Deiner Radfahrerbiografie befragen. Erzähl mir alles! Alles, was Dir so einfällt.
(Etwa 9 Stunden und 11 Weißbier später)
OH MEIN GOTT. Das wird nicht einfach, aber machbar.
Du wolltest es so
Nachdem, was ich jetzt alles weiß, habe ich eine Vorstellung, wie wir das ganze Projekt – nennen wir es Projekt 666 – umsetzen können.
Wie lange wird es dauern, was wird es kosten und was muss ich tun?
Im nächsten Schritt besprechen wir die Anbauteile, die Ausstattung, wir vermessen dich und zurren auch gleich das Budget grob fest. Du musst erstmal nichts weiter tun.
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Dieser Prozess hat nun tatsächlich zwei Stunden gedauert und wir haben von der Kette bis zum Lenkerband wirklich alles besprochen.
Das wird eine geile Nummer und bestimmt auch nicht günstig aber ich bin mir noch sicherer als vorher, dass das der Hammer wird!
Im zweiten Teil des Interviews mit Einhorn ein paar Wochen später…
- Wie angespannt ist das Verhältnis der Einhörner zum Rest der Branche?
- Was hat mein Vater mit Einhorn zu tun?
- Wieso sollte den Christoph besser kein Bus überfahren?
- Und gibt es Kinderarbeit im Einhornstall?
Verkaufsgespräch bei Einhorn Bikes – Fortsetzung
Es sind ein paar Wochen ins Land gegangen und ich habe von den Einhörnern jede Menge Infos bekommen.
Rahmenskizzen, Vorschläge zu verschiedenen Ausstattungsvarianten und und und. Ich muss sagen, das ging schneller als erwartet und ich bin positiv von der Kommunikation und dem ganzen Drumherum überrascht.
Ich habe immer mehr Bock auf das neue Rad.
Zurück am Samerberg, im Einhornstall.
Hallo Christoph, wie ist der Stand der Dinge?
Hallo Kante. Soweit, so gut. Die Pläne wurden ja von Dir abgenickt, ich habe den Rahmen beim Rahmenbauer angefragt – da warten wir jetzt auf den Schweißplan, die Anbauteile habe ich bestellt und nachdem Du brav die Anzahlung überwiesen hast, kann es jetzt so richtig losgehen.
Was passiert, wenn was nicht passt?
Lass uns doch mal über die Dinge rund um das Rad sprechen. Wenn ich jetzt dann mein Rad bekomme und ich bin nach einigen Kilometern nicht happy, ich habe Änderungswünsche oder brauche einen Service. Muss ich dann jedes Mal zu Dir hier rausfahren? Sind ja doch 80 km.
Das kannst Du gerne tun. Bist jederzeit willkommen.
Aber im Ernst: Sollte irgendetwas mit dem Rad oder den Anbauteilen sein – es wird dir hier auf jeden Fall schnell und unkompliziert geholfen.
Wir haben für unsere Kunden, die nicht in der Nähe wohnen oder für die der Weg hierauf zu beschwerlich ist, einen weiteren „Einhornstall“ in Puchheim bei München.
Der Kollege Harry Hametner ist ein alter Weggefährte und unser Vertriebspartner für Einhorn. Ein Fahrradenthusiast mit über 25 Jahren Erfahrung in der Fahrradbranche und nicht zuletzt ein toller Mensch.
Quasi auch ein Einhorn. Ein Unikat.
Harry? Der muss cool sein. Mein Vater heißt auch Harry. Harry Kowalskyie.
Der Harry kann alles reparieren, was sich Fahrrad nennt, ist der Pinion Spezialist und er hat auch immer das ein oder andere Leihrad zum testen da.
Zum Thema Vertrieb: Gibt es Ziele, den Absatz der Einhörner zu steigern oder ähnliche Überlegungen? Du kannst ja nicht immer den Geldbeutel der Frau plündern.
Wir bauen im Moment etwa 40 Räder pro Jahr. Das ist soweit schon ok. Die Kapazitätsgrenze, um es mit einem kleinen Überschuss, wirtschaftlich zu halten und der Frau nicht das Haushaltsgeld zu stehlen, liegt bei etwa 40-50 Bikes im Jahr.
Da wird es dann aber auch knapp mit der Freizeit.
Also Return of Invest noch nicht in jedem Geschäftsjahr erreicht, aber der Return of Leidenschaft auf jeden Fall.
So kann man es sagen. Man kann und darf es nicht immer nur des Geldes wegen machen. Man verbringt soviel Zeit mit den Leuten für die man diese Räder baut, da muss die Chemie stimmen.
So ein Projekt kostet mich circa 25-30 Stunden Zeit nur an Telefonie, Emails und Gesprächen. Da ist noch nicht mal der Aufbau eingerechnet. Das macht man nur für Leute, für die man eine gewisse Grundsympathie hat.
Deswegen kriegt auch nicht jeder eins.
Christoph Lindner (Einhorn) über das Busprinzip
Hast Du das alles eigentlich dokumentiert oder ist das alles nur in Deinem Kopf? Hast Du ein CRM oder irgendwas die Richtung?
Sollte mich heute ein Bus überfahren kann jemand problemlos die Kanzlei weiterführen, aber der Einhornstall wird wohl geschlossen.
Das wollen wir ja mal nicht hoffen! Weder das eine noch das andere!
Natürlich nicht. Ich würde das aber auch niemanden zumuten wollen. Das muss man Leben und es muss gelebt werden. So ein Business kann man nicht weiterführen wie eine Kanzlei. Da wird soviel informell kommuniziert, das kann gar keiner so weitermachen.
Gibt es menschlichen Nachwuchs im Einhornstall?
Die größere Tochter (3,5 Jahre!) schraubt schon fleißig mit und baut alles auseinander was sie in die Finger bekommt.
Zusammenbauen wäre wichtiger, oder?
Das kommt noch. Potential ist jedenfalls vorhanden.
Wie siehst Du Dich bzw. Deine Marke in der Radbranche? Denkst Du, dass Du unter Beobachtung stehst, dass Dich andere beneiden oder Dich gar verschwunden sehen wollen?
Das meiste, was die Leute sagen, ist mir tatsächlich egal. Mir fällt nur auf Messen oder Events immer wieder auf, wie toll sich jeder und seine Produkte präsentiert. Da hat man manchmal das Bedürfnis laut zu schreien:
Ich bin Einhorn! Ich bin auch toll! Yeah! Aber das sind wir nicht.
Wir freuen uns natürlich über Anerkennung – wer tut das nicht, aber wir tun das hauptsächlich für uns selbst und für die Kunden und wenn ich mit einem Rad so richtig zufrieden bin, ist es der Kunde in der Regel auch – und das ist es worum es geht.
Ich könnte noch tagelang so weitermachen, hier am Samerberg im Einhornstall, aber die Zeit ist um. Ich hatte ein wirklich tolles und informatives Gespräch mit Dir und ich freue mich auf alles, was da die nächsten Wochen noch so kommt.
Danke für Deine Zeit.
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So Freunde, ich werde den weiteren Verlauf des „Projekts 666“ hier bei SpeedVille in kleineren Berichten und Fotostrecken mit Euch teilen.
Auch die Liste der Komponenten und die Spezifikationen des Rahmens wird es zeitnah hier zu sehen geben.
Fotos: Michael Kannacher
Weiterführende Unique-Links:
– Einhorn Bikes Webseite (Link)
– Fahrrad Titan Webseite (Link)
– Übersicht der Kante-Kolumnen (Link)